Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr Jacoby bedauerte es, durch das Ministerium zu einer unpraktischen, blos
prinzipiellen Fragestellung gedrungen zu sein, wobei er übrigens zugestand, daß
es möglich wäre, daß die Frankfurter Versammlung sich auch in die Privatange¬
legenheiten der einzelnen Staaten mischen könne, daß es aber dennoch tadelns¬
wert!) vom Ministerium sei, auf solche unwahrscheinliche Eventualitäten hin einen
vorwitzigen Vorbehalt auszusprechen.

Wir können uns im Gegentheil über diese Debatte uur freuen. Es ist die
erste, die sowohl ihrem Inhalt als ihrer Durchführung nach einer großen Ver¬
sammlung würdig war. Die Constituante hat bisher ihre zum Theil schönen
Kräfte in Kindereien aufgerieben -- wir nehmen davon die berühmte Verhandlung

Wer Anerkennung der Märzrevolution keineswegs aus, weil es sich auch hier um
KaiseM Hart,, handelte, -- sie kam dadurch mit Recht in Übeln Ruf, während hier,
bei einer ernsten, höchst bedeutenden Frage, sowohl das Talent in der Vertheidi¬
gung der verschiedenen Ansichten, als der im Ganzen herrschende Menschenverstand
alle Achtung verdient.

Zunächst glauben wir uns über das Resultat freuen zu müssen. Der Antrag
Jacoby's ist mit einer imposanten Majorität verworfen worden, einer Majorität,
die alle Erwartung übertrifft. Man darf dieselbe nicht dadurch schmälern wollen,
daß man meint, bei einer etwaigen Theilung des Antrags wäre das Resultat ein
anderes gewesen; abgesehen davon, daß die bedeutendsten Sprecher der Linken
selbst sich einer solchen Theilung widersetzten, war die Theilung factisch eingetre¬
ten, denn das Amendement Bloem, welches noch weniger Stimmen erhielt, als
der Hauptantrag, enthielt den zweiten Theil des Antrags mit Uebergehung des
ersten. Das Resultat der Abstimmung ist also als feststehend anzunehmen und die
Constituante hat damit zweierlei ausgesprochen.

Einmal, daß sie für den freilich höchst unwahrscheinlichen Fall, die
Centralgewalt überschritte den Kreis ihrer Befugnisse, im Verein mit den Regie¬
rungen sich einer solchen Ueberschreitung widersetzen wird.

Sodann, daß sie gegen die Einführung .republikanischer Formen in Deutschland
ist. Mehrere der Redner, z. B. Herr v. Kirchmann, der sonst stets mit der
Linken stimmt und der theoretisch für die Republik ist, motivirten ihre Verwerfung
des Jacoby'schen Antrags auf diese Weise. Herr v. Berg erklärte ganz richtig:
an dem Königthum hinge die Existenz Preußens, mit einer Republik Berlin würde
Rheinland und Westphalen nichts zu thu" habe" wollen. Wir setzen hinzu, die
übrigen Provinzen eben so wenig; Preußen, Pommern, Sachsen, Schlesien, ja

die Mark wird sich sehr ernstlich verbitten, Berlin in einer neuen Republik die Stelle
von Paris übernehmen zu lassen; die Berliner sind hier eben so beliebt als in
Süddeutschland.

Die Freude über dies Resultat wird erhöht durch den Gang der Verhandlung
selbst. Es fiel keinem Redner ein, die Fahne des preußischen, (d. h. hohenzoller'-


Herr Jacoby bedauerte es, durch das Ministerium zu einer unpraktischen, blos
prinzipiellen Fragestellung gedrungen zu sein, wobei er übrigens zugestand, daß
es möglich wäre, daß die Frankfurter Versammlung sich auch in die Privatange¬
legenheiten der einzelnen Staaten mischen könne, daß es aber dennoch tadelns¬
wert!) vom Ministerium sei, auf solche unwahrscheinliche Eventualitäten hin einen
vorwitzigen Vorbehalt auszusprechen.

Wir können uns im Gegentheil über diese Debatte uur freuen. Es ist die
erste, die sowohl ihrem Inhalt als ihrer Durchführung nach einer großen Ver¬
sammlung würdig war. Die Constituante hat bisher ihre zum Theil schönen
Kräfte in Kindereien aufgerieben — wir nehmen davon die berühmte Verhandlung

Wer Anerkennung der Märzrevolution keineswegs aus, weil es sich auch hier um
KaiseM Hart,, handelte, — sie kam dadurch mit Recht in Übeln Ruf, während hier,
bei einer ernsten, höchst bedeutenden Frage, sowohl das Talent in der Vertheidi¬
gung der verschiedenen Ansichten, als der im Ganzen herrschende Menschenverstand
alle Achtung verdient.

Zunächst glauben wir uns über das Resultat freuen zu müssen. Der Antrag
Jacoby's ist mit einer imposanten Majorität verworfen worden, einer Majorität,
die alle Erwartung übertrifft. Man darf dieselbe nicht dadurch schmälern wollen,
daß man meint, bei einer etwaigen Theilung des Antrags wäre das Resultat ein
anderes gewesen; abgesehen davon, daß die bedeutendsten Sprecher der Linken
selbst sich einer solchen Theilung widersetzten, war die Theilung factisch eingetre¬
ten, denn das Amendement Bloem, welches noch weniger Stimmen erhielt, als
der Hauptantrag, enthielt den zweiten Theil des Antrags mit Uebergehung des
ersten. Das Resultat der Abstimmung ist also als feststehend anzunehmen und die
Constituante hat damit zweierlei ausgesprochen.

Einmal, daß sie für den freilich höchst unwahrscheinlichen Fall, die
Centralgewalt überschritte den Kreis ihrer Befugnisse, im Verein mit den Regie¬
rungen sich einer solchen Ueberschreitung widersetzen wird.

Sodann, daß sie gegen die Einführung .republikanischer Formen in Deutschland
ist. Mehrere der Redner, z. B. Herr v. Kirchmann, der sonst stets mit der
Linken stimmt und der theoretisch für die Republik ist, motivirten ihre Verwerfung
des Jacoby'schen Antrags auf diese Weise. Herr v. Berg erklärte ganz richtig:
an dem Königthum hinge die Existenz Preußens, mit einer Republik Berlin würde
Rheinland und Westphalen nichts zu thu» habe» wollen. Wir setzen hinzu, die
übrigen Provinzen eben so wenig; Preußen, Pommern, Sachsen, Schlesien, ja

die Mark wird sich sehr ernstlich verbitten, Berlin in einer neuen Republik die Stelle
von Paris übernehmen zu lassen; die Berliner sind hier eben so beliebt als in
Süddeutschland.

Die Freude über dies Resultat wird erhöht durch den Gang der Verhandlung
selbst. Es fiel keinem Redner ein, die Fahne des preußischen, (d. h. hohenzoller'-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277568"/>
            <p xml:id="ID_420" prev="#ID_419"> Herr Jacoby bedauerte es, durch das Ministerium zu einer unpraktischen, blos<lb/>
prinzipiellen Fragestellung gedrungen zu sein, wobei er übrigens zugestand, daß<lb/>
es möglich wäre, daß die Frankfurter Versammlung sich auch in die Privatange¬<lb/>
legenheiten der einzelnen Staaten mischen könne, daß es aber dennoch tadelns¬<lb/>
wert!) vom Ministerium sei, auf solche unwahrscheinliche Eventualitäten hin einen<lb/>
vorwitzigen Vorbehalt auszusprechen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_421"> Wir können uns im Gegentheil über diese Debatte uur freuen. Es ist die<lb/>
erste, die sowohl ihrem Inhalt als ihrer Durchführung nach einer großen Ver¬<lb/>
sammlung würdig war. Die Constituante hat bisher ihre zum Theil schönen<lb/>
Kräfte in Kindereien aufgerieben &#x2014; wir nehmen davon die berühmte Verhandlung</p><lb/>
            <p xml:id="ID_422"> Wer Anerkennung der Märzrevolution keineswegs aus, weil es sich auch hier um<lb/>
KaiseM Hart,, handelte, &#x2014; sie kam dadurch mit Recht in Übeln Ruf, während hier,<lb/>
bei einer ernsten, höchst bedeutenden Frage, sowohl das Talent in der Vertheidi¬<lb/>
gung der verschiedenen Ansichten, als der im Ganzen herrschende Menschenverstand<lb/>
alle Achtung verdient.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_423"> Zunächst glauben wir uns über das Resultat freuen zu müssen. Der Antrag<lb/>
Jacoby's ist mit einer imposanten Majorität verworfen worden, einer Majorität,<lb/>
die alle Erwartung übertrifft. Man darf dieselbe nicht dadurch schmälern wollen,<lb/>
daß man meint, bei einer etwaigen Theilung des Antrags wäre das Resultat ein<lb/>
anderes gewesen; abgesehen davon, daß die bedeutendsten Sprecher der Linken<lb/>
selbst sich einer solchen Theilung widersetzten, war die Theilung factisch eingetre¬<lb/>
ten, denn das Amendement Bloem, welches noch weniger Stimmen erhielt, als<lb/>
der Hauptantrag, enthielt den zweiten Theil des Antrags mit Uebergehung des<lb/>
ersten. Das Resultat der Abstimmung ist also als feststehend anzunehmen und die<lb/>
Constituante hat damit zweierlei ausgesprochen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_424"> Einmal, daß sie für den freilich höchst unwahrscheinlichen Fall, die<lb/>
Centralgewalt überschritte den Kreis ihrer Befugnisse, im Verein mit den Regie¬<lb/>
rungen sich einer solchen Ueberschreitung widersetzen wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_425"> Sodann, daß sie gegen die Einführung .republikanischer Formen in Deutschland<lb/>
ist. Mehrere der Redner, z. B. Herr v. Kirchmann, der sonst stets mit der<lb/>
Linken stimmt und der theoretisch für die Republik ist, motivirten ihre Verwerfung<lb/>
des Jacoby'schen Antrags auf diese Weise. Herr v. Berg erklärte ganz richtig:<lb/>
an dem Königthum hinge die Existenz Preußens, mit einer Republik Berlin würde<lb/>
Rheinland und Westphalen nichts zu thu» habe» wollen. Wir setzen hinzu, die<lb/>
übrigen Provinzen eben so wenig; Preußen, Pommern, Sachsen, Schlesien, ja</p><lb/>
            <p xml:id="ID_426"> die Mark wird sich sehr ernstlich verbitten, Berlin in einer neuen Republik die Stelle<lb/>
von Paris übernehmen zu lassen; die Berliner sind hier eben so beliebt als in<lb/>
Süddeutschland.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_427" next="#ID_428"> Die Freude über dies Resultat wird erhöht durch den Gang der Verhandlung<lb/>
selbst. Es fiel keinem Redner ein, die Fahne des preußischen, (d. h. hohenzoller'-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0138] Herr Jacoby bedauerte es, durch das Ministerium zu einer unpraktischen, blos prinzipiellen Fragestellung gedrungen zu sein, wobei er übrigens zugestand, daß es möglich wäre, daß die Frankfurter Versammlung sich auch in die Privatange¬ legenheiten der einzelnen Staaten mischen könne, daß es aber dennoch tadelns¬ wert!) vom Ministerium sei, auf solche unwahrscheinliche Eventualitäten hin einen vorwitzigen Vorbehalt auszusprechen. Wir können uns im Gegentheil über diese Debatte uur freuen. Es ist die erste, die sowohl ihrem Inhalt als ihrer Durchführung nach einer großen Ver¬ sammlung würdig war. Die Constituante hat bisher ihre zum Theil schönen Kräfte in Kindereien aufgerieben — wir nehmen davon die berühmte Verhandlung Wer Anerkennung der Märzrevolution keineswegs aus, weil es sich auch hier um KaiseM Hart,, handelte, — sie kam dadurch mit Recht in Übeln Ruf, während hier, bei einer ernsten, höchst bedeutenden Frage, sowohl das Talent in der Vertheidi¬ gung der verschiedenen Ansichten, als der im Ganzen herrschende Menschenverstand alle Achtung verdient. Zunächst glauben wir uns über das Resultat freuen zu müssen. Der Antrag Jacoby's ist mit einer imposanten Majorität verworfen worden, einer Majorität, die alle Erwartung übertrifft. Man darf dieselbe nicht dadurch schmälern wollen, daß man meint, bei einer etwaigen Theilung des Antrags wäre das Resultat ein anderes gewesen; abgesehen davon, daß die bedeutendsten Sprecher der Linken selbst sich einer solchen Theilung widersetzten, war die Theilung factisch eingetre¬ ten, denn das Amendement Bloem, welches noch weniger Stimmen erhielt, als der Hauptantrag, enthielt den zweiten Theil des Antrags mit Uebergehung des ersten. Das Resultat der Abstimmung ist also als feststehend anzunehmen und die Constituante hat damit zweierlei ausgesprochen. Einmal, daß sie für den freilich höchst unwahrscheinlichen Fall, die Centralgewalt überschritte den Kreis ihrer Befugnisse, im Verein mit den Regie¬ rungen sich einer solchen Ueberschreitung widersetzen wird. Sodann, daß sie gegen die Einführung .republikanischer Formen in Deutschland ist. Mehrere der Redner, z. B. Herr v. Kirchmann, der sonst stets mit der Linken stimmt und der theoretisch für die Republik ist, motivirten ihre Verwerfung des Jacoby'schen Antrags auf diese Weise. Herr v. Berg erklärte ganz richtig: an dem Königthum hinge die Existenz Preußens, mit einer Republik Berlin würde Rheinland und Westphalen nichts zu thu» habe» wollen. Wir setzen hinzu, die übrigen Provinzen eben so wenig; Preußen, Pommern, Sachsen, Schlesien, ja die Mark wird sich sehr ernstlich verbitten, Berlin in einer neuen Republik die Stelle von Paris übernehmen zu lassen; die Berliner sind hier eben so beliebt als in Süddeutschland. Die Freude über dies Resultat wird erhöht durch den Gang der Verhandlung selbst. Es fiel keinem Redner ein, die Fahne des preußischen, (d. h. hohenzoller'-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/138
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/138>, abgerufen am 16.06.2024.