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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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und oft sah sie sich heftig gereizt und tief gekränkt dadurch; was aber jetzt in
Ungarn geschieht, dies Befriedigen einer unversöhnlichen Rache durch unaufhörliche
Executionen, dies brutale Assentiren fast der gesammten Jugend, diese herzlose
'Methode, durch Kontributionen und. erpreßte Strafgelder die eroberte Provinz zu
züchtigen; Alles was das jetzige Regiment in Ungarn verhaßt und gefährlich,
macht -- das war unter der einheimischen Regierung des Landes, die leider das
Unglück hatte, uicht loyal zu sein, unmöglich, und der kommandirende General
von. Ungarn müht sich vergebeus, sein Verfahren durch herbeigeführte Analogien
aus der Revolutionszeit in ein vortheilhaftes Licht zu stellen. -- Hätte Haynau
selbst das Schicksal gehabt, im Jahre 1849 vor einem ungarischen Tribunal zu
stehen, er hätte Richter gefunden, welche mehr ritterlichen Sinn und weniger
Neigung zu Executionen. gehabt hätten, als . er; Zeugniß dafür sind die Generäle
Roth und Philipowicz, Hunderte von k. k. Officieren und Tausende von Gemeinen,
welche an sich selbst erfahren haben, wie der Magyar die Gefangenen seines Sä¬
bels behandelt.




Kleine Correspondenzen und Notizen.



Cin deutscher Part in Rußland.

Sie haben in früheren Nummern Ihres Blattes Mittheilungen über die
russische Polizei gemacht, gestatten Sie mir, einen kleinen Beitrag dazu zu liefern,
der freilich nichts Tragisches hat, außer etwa für mich selbst, aber vielleicht an¬
dern Reisenden zur Lehre oder doch zum Trost dienen kann. -- Als ich den ersten
Schritt über die Grenze des Königreichs Polen gethan und über die Schwelle
eines deutschen Gasthauses geschritten war, frug mich der Wirth: "Sind Sie aus
dem Königreiche, oder kommen Sie erst herein?" "Ich komme herein," antwortete
ich. "Zum erfreu Male?" -- "Allerdings zum ersten Male." "Dann," versetzte
der Wirth, "erlaube ich mir Ihnen einen Rath zu ertheilen: hüten Sie sich,
über politische Dinge zu sprechen, und thun Sie es um Gotteswillen dann nie¬
mals, wenn irgend eine fremde Person gegenwärtig ist." Ich zog lachend weiter.
Als ich in dem elenden Gasthause in Turek äußerte, ich habe mir zwar Polen so
patriarchalisch, als ich es beim ersten Anblick gesunden, nicht gedacht, aber es ge¬
falle mir doch ganz gut, bemerkte lächelnd der Wirth, ein Pole: "nehmen Sie
sich nur ja in Acht, Ihr Gefallen und Mißfallen zu ungemrt zu äußern." Wieder
zog ich unbesorgt weiter. Der alte Schweizerbäcker in Kutno, ein treuherziges


Grenzbote". 13SV. 65

und oft sah sie sich heftig gereizt und tief gekränkt dadurch; was aber jetzt in
Ungarn geschieht, dies Befriedigen einer unversöhnlichen Rache durch unaufhörliche
Executionen, dies brutale Assentiren fast der gesammten Jugend, diese herzlose
'Methode, durch Kontributionen und. erpreßte Strafgelder die eroberte Provinz zu
züchtigen; Alles was das jetzige Regiment in Ungarn verhaßt und gefährlich,
macht — das war unter der einheimischen Regierung des Landes, die leider das
Unglück hatte, uicht loyal zu sein, unmöglich, und der kommandirende General
von. Ungarn müht sich vergebeus, sein Verfahren durch herbeigeführte Analogien
aus der Revolutionszeit in ein vortheilhaftes Licht zu stellen. — Hätte Haynau
selbst das Schicksal gehabt, im Jahre 1849 vor einem ungarischen Tribunal zu
stehen, er hätte Richter gefunden, welche mehr ritterlichen Sinn und weniger
Neigung zu Executionen. gehabt hätten, als . er; Zeugniß dafür sind die Generäle
Roth und Philipowicz, Hunderte von k. k. Officieren und Tausende von Gemeinen,
welche an sich selbst erfahren haben, wie der Magyar die Gefangenen seines Sä¬
bels behandelt.




Kleine Correspondenzen und Notizen.



Cin deutscher Part in Rußland.

Sie haben in früheren Nummern Ihres Blattes Mittheilungen über die
russische Polizei gemacht, gestatten Sie mir, einen kleinen Beitrag dazu zu liefern,
der freilich nichts Tragisches hat, außer etwa für mich selbst, aber vielleicht an¬
dern Reisenden zur Lehre oder doch zum Trost dienen kann. — Als ich den ersten
Schritt über die Grenze des Königreichs Polen gethan und über die Schwelle
eines deutschen Gasthauses geschritten war, frug mich der Wirth: „Sind Sie aus
dem Königreiche, oder kommen Sie erst herein?" „Ich komme herein," antwortete
ich. „Zum erfreu Male?" — „Allerdings zum ersten Male." „Dann," versetzte
der Wirth, „erlaube ich mir Ihnen einen Rath zu ertheilen: hüten Sie sich,
über politische Dinge zu sprechen, und thun Sie es um Gotteswillen dann nie¬
mals, wenn irgend eine fremde Person gegenwärtig ist." Ich zog lachend weiter.
Als ich in dem elenden Gasthause in Turek äußerte, ich habe mir zwar Polen so
patriarchalisch, als ich es beim ersten Anblick gesunden, nicht gedacht, aber es ge¬
falle mir doch ganz gut, bemerkte lächelnd der Wirth, ein Pole: „nehmen Sie
sich nur ja in Acht, Ihr Gefallen und Mißfallen zu ungemrt zu äußern." Wieder
zog ich unbesorgt weiter. Der alte Schweizerbäcker in Kutno, ein treuherziges


Grenzbote». 13SV. 65
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/521>, abgerufen am 16.06.2024.