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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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und die ganze Einrichtung ist ein sehr mäßiger Ansatz zu einem Konservatorium.
Daß ein derartiges Institut, wie es der würdigen Kunstpflege eines großen
Staates entsprechen würde, hier noch nicht besteht, ist eine alte und gerechte Klage.
Es sollte daher neben der erweiterten Schule sür bildende Kunst eine umfas¬
sende Musikschule begründet werden. Man verstand jedoch darunter nicht ein Kon¬
servatorium im gewöhnlichen Sinne, eine Drcssiranstall für Virtuosen, sondern die
bisher vereinzelten Anstalten für Unterricht in der Musik ^ anch das von Bach
geleitete Institut für Kirchenmusik -- sollten zu einem großen Musikinstitnte
für edle und würdige Pflege der Kunst in deutschem Nationalgeiste vereinigt
Werden. Die bei uns allgemein verbreitete Neigung für Musik würde einer
solchen Anstalt lebhaft entgegengekommen sein, weil hier, wie neuerdings auch
das Gedeihen des Stern'schen Vereins für Chorgesang beweist, viel Sinn für den
Ernst und die Schönheit der Musik vorhanden ist. Aber es fehlt am Mittel¬
punkte, an einer durchgreifende" Leitung des Geschmacks, der sich selbst über¬
essen in einen oberflächlichen Dilettantismus sich verflüchtigt. Die Soireen für
Kammermusik, welche die vortreffliche königliche Kapelle alljährlich veranstaltet,
und die jüngeren talentvollen Nachfolger derselben bilden hier leicht eine" Kreis
"°n Hörern um die Werke unsrer Meister der Tonkunst; aber alle diese Bestrebun¬
gen würden erst ihren sichern Boden empfangen, wenn sie in einem zugleich ans
die Künstler und auf das Publicum wirkenden, nach Grundsätzen geleiteten In¬
stitute centralisirt würden, das alle edlen Elemente um sich sammeln müßte. Und
"U solchen Elementen sind wir wahrlich gar nicht arm. Es würde serner unsrer
Abhängigkeit vom Auslande in der Composition wie in der GesangSt'ruft eine ent¬
schiedene Kraft entgegentreten. Wir würden nicht mehr "ölhig habe", zur Aus¬
führung eines Kunstwerks die Mittel so oder,anders ans allen Weltgegenden
6U empfangen, oder eine bei uns auftauchende Naturanlage in das Pariser
Evnservatvrinm zu schicken, um sie französirt zurückzuerhalteu. Wollen wir es
'M Gegensatze zu dem Dilettantismus, zu der Verwirrung der Manieren, wieder
5" einem Styl in der Musik bringen, so muß ein Institut in das Leben
^eden, wie es die Pläne des Ladenberg'scheu Ministeriums vor Augen hatten.

Eine dritte Anstalt sollte die Gruppe der Kunstschulen zu einer Trias ver¬
vollständigen, und zwar die Theaterschule. Die Errichtung einer Bildungsanstalt
sür Schauspieler wurde bereits unter früheren Ministerien, sogar unter dem Mini¬
sterium Eichhorn, projectirt. Hr. v. Ladenberg nahm den Gedanken lebhaft auf,
und wahrscheinlich wäre die Verwirklichung desselben auf praktisch bewährten
Grundlagen nahe gewesen, wenn nicht die persönliche Veränderung in der Ver¬
waltung die ganze Reform in Angelegenheiten der Kunst sür lange Zeit zurück-
gedrängt hätte. Wer das Theater unsrer Zeit ans eigener Beobachtung an ver¬
schiedenen Orten kennen lernte, weiß, wie häufig sich Bildnugslosigieit und Unge-
schmack auf deu Bretern spreizen, welche die Welt im idealen Spiegel bedeuten


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und die ganze Einrichtung ist ein sehr mäßiger Ansatz zu einem Konservatorium.
Daß ein derartiges Institut, wie es der würdigen Kunstpflege eines großen
Staates entsprechen würde, hier noch nicht besteht, ist eine alte und gerechte Klage.
Es sollte daher neben der erweiterten Schule sür bildende Kunst eine umfas¬
sende Musikschule begründet werden. Man verstand jedoch darunter nicht ein Kon¬
servatorium im gewöhnlichen Sinne, eine Drcssiranstall für Virtuosen, sondern die
bisher vereinzelten Anstalten für Unterricht in der Musik ^ anch das von Bach
geleitete Institut für Kirchenmusik — sollten zu einem großen Musikinstitnte
für edle und würdige Pflege der Kunst in deutschem Nationalgeiste vereinigt
Werden. Die bei uns allgemein verbreitete Neigung für Musik würde einer
solchen Anstalt lebhaft entgegengekommen sein, weil hier, wie neuerdings auch
das Gedeihen des Stern'schen Vereins für Chorgesang beweist, viel Sinn für den
Ernst und die Schönheit der Musik vorhanden ist. Aber es fehlt am Mittel¬
punkte, an einer durchgreifende» Leitung des Geschmacks, der sich selbst über¬
essen in einen oberflächlichen Dilettantismus sich verflüchtigt. Die Soireen für
Kammermusik, welche die vortreffliche königliche Kapelle alljährlich veranstaltet,
und die jüngeren talentvollen Nachfolger derselben bilden hier leicht eine» Kreis
"°n Hörern um die Werke unsrer Meister der Tonkunst; aber alle diese Bestrebun¬
gen würden erst ihren sichern Boden empfangen, wenn sie in einem zugleich ans
die Künstler und auf das Publicum wirkenden, nach Grundsätzen geleiteten In¬
stitute centralisirt würden, das alle edlen Elemente um sich sammeln müßte. Und
"U solchen Elementen sind wir wahrlich gar nicht arm. Es würde serner unsrer
Abhängigkeit vom Auslande in der Composition wie in der GesangSt'ruft eine ent¬
schiedene Kraft entgegentreten. Wir würden nicht mehr »ölhig habe«, zur Aus¬
führung eines Kunstwerks die Mittel so oder,anders ans allen Weltgegenden
6U empfangen, oder eine bei uns auftauchende Naturanlage in das Pariser
Evnservatvrinm zu schicken, um sie französirt zurückzuerhalteu. Wollen wir es
'M Gegensatze zu dem Dilettantismus, zu der Verwirrung der Manieren, wieder
5" einem Styl in der Musik bringen, so muß ein Institut in das Leben
^eden, wie es die Pläne des Ladenberg'scheu Ministeriums vor Augen hatten.

Eine dritte Anstalt sollte die Gruppe der Kunstschulen zu einer Trias ver¬
vollständigen, und zwar die Theaterschule. Die Errichtung einer Bildungsanstalt
sür Schauspieler wurde bereits unter früheren Ministerien, sogar unter dem Mini¬
sterium Eichhorn, projectirt. Hr. v. Ladenberg nahm den Gedanken lebhaft auf,
und wahrscheinlich wäre die Verwirklichung desselben auf praktisch bewährten
Grundlagen nahe gewesen, wenn nicht die persönliche Veränderung in der Ver¬
waltung die ganze Reform in Angelegenheiten der Kunst sür lange Zeit zurück-
gedrängt hätte. Wer das Theater unsrer Zeit ans eigener Beobachtung an ver¬
schiedenen Orten kennen lernte, weiß, wie häufig sich Bildnugslosigieit und Unge-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/407>, abgerufen am 16.05.2024.