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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Die Glieder bedurften natürlich deö Hauptes, und das war im Senate der
Akademie gedacht. In ihm sollten nicht allein Architektur, Bildhauerkunst, Malerei
und Mustk, sondern anch die Poesie und innerhalb ihrer die dramatische Kunst
vertreten sein. ES wurde eine Körperschaft beabsichtigt, welche in alleu Kunst-
^ngelegenheiten ein competentes Urtheil fällen konnte, und zugleich bezweckte mau,
dieser verjüngten Körperschaft einen selbstständigcru Einfluß als bisher auf die
Kunstpflege und damit zusammenhängende Verhältnisse einzuräumen. War dann
"tho der akademische Senat, als körperschaftliche Vertretung der Kunst in ihrem Ver¬
hältniß zum Staate, von der allgemeinen Verwaltung des letztem unabhängiger
^stellt als bisher, war ans diese Weise dem künstlerischen Urtheil auf dem ihm
Zugehörigen Gebiete eine freiere Wirksamkeit eröffnet, so sollten zugleich die leben¬
digen Einwirkungen aus dem gesammten freien Kunstleben des Volkes in bestän¬
dige Berührung mit ihm gesetzt werde". Auch die Systeme der Kunst erstarren,
wenn sie immer von denselben, mehr und mehr alternden Personen getragen wer¬
den, und unsrem alten akademischen Senate gegenüber hat nicht selten die Re¬
gierung sich zur Vertreterin jüngerer Richtungen machen müssen. Das konnte
jedoch immer nur sehr behutsam geschehe", und den abgeschnittenen unmittelbaren
Einfluß des Lebens nicht ersetzen. Um einem solchen die Wege zu bereiten, lag
die Bildung von Künstlergenossenschaften in der Absicht, welche dnrch selbstständige
Aufnahme von Mitgliedern sich entwickeln und dann in dem Senate der Akademie
eine auf Zeit zu wählende und in bestimmten Perioden zu erneuernde Vertretung
finden sollten. Es handelte sich darum, eben so das Dauernde in der Kunst und
ihrer Lehre wie das Fortschreitende und Flüssige der sich im Leben entwickelnden
Erscheinungsformen in die neue KuUstbehördc zu bringen, sie vor der Erstarrung
in traditionellen Dogmen oder persönlichen Liebhabereien nicht minder zu behüten,
"is vor principloser Unsicherheit und Schwankung. Im Hinblick auf diesen
Zweck darf man die projectirte Bildung von Künstlergenossenschaften wol als
einen glücklichen Gedanken bezeichnen, zumal sich in den Mitgliedern der drei preu¬
ßischen Kunstakademien, wie in den verschiedenen Künstler-Vereinen, Elemente genng
M solchen Vereinigungen finden, denen dann die selbstständige Weiterbildung über¬
lastn werden konnte/ Mit dem akademischen Senate sollten ferner die Akade-
"nen zu Düsseldorf und Königsberg in ein näheres Verhältniß gesetzt, die Kon¬
servativ" der Denkmäler, welche jetzt in ziemlich engen Grenzen durch einen ein¬
zigen Konservator versehen wird, die Beschäftigung, Unterstützung, Aneiferung und
Belohnung junger Talente unter seinen Einfluß gestellt werden. Dabei wäre
eine Erhöhung der Ansprüche an die Staatskasse zu Gunsten der Kunst allerdings
geboten. Was will es aber sagen, wenn ein Staat wie Preußen zur Anregung
des KuustschasfeuS eine jährliche Summe von dreißig oder vierzigtausend Thalern
aussetzt? An anderen Stellen werden größere Siimmen zu viel geringerem Nutzen
des Volkes verausgabt; ein mäßig erhöhter Aufwand für die Kunst würde zahl-


Die Glieder bedurften natürlich deö Hauptes, und das war im Senate der
Akademie gedacht. In ihm sollten nicht allein Architektur, Bildhauerkunst, Malerei
und Mustk, sondern anch die Poesie und innerhalb ihrer die dramatische Kunst
vertreten sein. ES wurde eine Körperschaft beabsichtigt, welche in alleu Kunst-
^ngelegenheiten ein competentes Urtheil fällen konnte, und zugleich bezweckte mau,
dieser verjüngten Körperschaft einen selbstständigcru Einfluß als bisher auf die
Kunstpflege und damit zusammenhängende Verhältnisse einzuräumen. War dann
"tho der akademische Senat, als körperschaftliche Vertretung der Kunst in ihrem Ver¬
hältniß zum Staate, von der allgemeinen Verwaltung des letztem unabhängiger
^stellt als bisher, war ans diese Weise dem künstlerischen Urtheil auf dem ihm
Zugehörigen Gebiete eine freiere Wirksamkeit eröffnet, so sollten zugleich die leben¬
digen Einwirkungen aus dem gesammten freien Kunstleben des Volkes in bestän¬
dige Berührung mit ihm gesetzt werde». Auch die Systeme der Kunst erstarren,
wenn sie immer von denselben, mehr und mehr alternden Personen getragen wer¬
den, und unsrem alten akademischen Senate gegenüber hat nicht selten die Re¬
gierung sich zur Vertreterin jüngerer Richtungen machen müssen. Das konnte
jedoch immer nur sehr behutsam geschehe», und den abgeschnittenen unmittelbaren
Einfluß des Lebens nicht ersetzen. Um einem solchen die Wege zu bereiten, lag
die Bildung von Künstlergenossenschaften in der Absicht, welche dnrch selbstständige
Aufnahme von Mitgliedern sich entwickeln und dann in dem Senate der Akademie
eine auf Zeit zu wählende und in bestimmten Perioden zu erneuernde Vertretung
finden sollten. Es handelte sich darum, eben so das Dauernde in der Kunst und
ihrer Lehre wie das Fortschreitende und Flüssige der sich im Leben entwickelnden
Erscheinungsformen in die neue KuUstbehördc zu bringen, sie vor der Erstarrung
in traditionellen Dogmen oder persönlichen Liebhabereien nicht minder zu behüten,
"is vor principloser Unsicherheit und Schwankung. Im Hinblick auf diesen
Zweck darf man die projectirte Bildung von Künstlergenossenschaften wol als
einen glücklichen Gedanken bezeichnen, zumal sich in den Mitgliedern der drei preu¬
ßischen Kunstakademien, wie in den verschiedenen Künstler-Vereinen, Elemente genng
M solchen Vereinigungen finden, denen dann die selbstständige Weiterbildung über¬
lastn werden konnte/ Mit dem akademischen Senate sollten ferner die Akade-
"nen zu Düsseldorf und Königsberg in ein näheres Verhältniß gesetzt, die Kon¬
servativ» der Denkmäler, welche jetzt in ziemlich engen Grenzen durch einen ein¬
zigen Konservator versehen wird, die Beschäftigung, Unterstützung, Aneiferung und
Belohnung junger Talente unter seinen Einfluß gestellt werden. Dabei wäre
eine Erhöhung der Ansprüche an die Staatskasse zu Gunsten der Kunst allerdings
geboten. Was will es aber sagen, wenn ein Staat wie Preußen zur Anregung
des KuustschasfeuS eine jährliche Summe von dreißig oder vierzigtausend Thalern
aussetzt? An anderen Stellen werden größere Siimmen zu viel geringerem Nutzen
des Volkes verausgabt; ein mäßig erhöhter Aufwand für die Kunst würde zahl-


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[0409] Die Glieder bedurften natürlich deö Hauptes, und das war im Senate der Akademie gedacht. In ihm sollten nicht allein Architektur, Bildhauerkunst, Malerei und Mustk, sondern anch die Poesie und innerhalb ihrer die dramatische Kunst vertreten sein. ES wurde eine Körperschaft beabsichtigt, welche in alleu Kunst- ^ngelegenheiten ein competentes Urtheil fällen konnte, und zugleich bezweckte mau, dieser verjüngten Körperschaft einen selbstständigcru Einfluß als bisher auf die Kunstpflege und damit zusammenhängende Verhältnisse einzuräumen. War dann "tho der akademische Senat, als körperschaftliche Vertretung der Kunst in ihrem Ver¬ hältniß zum Staate, von der allgemeinen Verwaltung des letztem unabhängiger ^stellt als bisher, war ans diese Weise dem künstlerischen Urtheil auf dem ihm Zugehörigen Gebiete eine freiere Wirksamkeit eröffnet, so sollten zugleich die leben¬ digen Einwirkungen aus dem gesammten freien Kunstleben des Volkes in bestän¬ dige Berührung mit ihm gesetzt werde». Auch die Systeme der Kunst erstarren, wenn sie immer von denselben, mehr und mehr alternden Personen getragen wer¬ den, und unsrem alten akademischen Senate gegenüber hat nicht selten die Re¬ gierung sich zur Vertreterin jüngerer Richtungen machen müssen. Das konnte jedoch immer nur sehr behutsam geschehe», und den abgeschnittenen unmittelbaren Einfluß des Lebens nicht ersetzen. Um einem solchen die Wege zu bereiten, lag die Bildung von Künstlergenossenschaften in der Absicht, welche dnrch selbstständige Aufnahme von Mitgliedern sich entwickeln und dann in dem Senate der Akademie eine auf Zeit zu wählende und in bestimmten Perioden zu erneuernde Vertretung finden sollten. Es handelte sich darum, eben so das Dauernde in der Kunst und ihrer Lehre wie das Fortschreitende und Flüssige der sich im Leben entwickelnden Erscheinungsformen in die neue KuUstbehördc zu bringen, sie vor der Erstarrung in traditionellen Dogmen oder persönlichen Liebhabereien nicht minder zu behüten, "is vor principloser Unsicherheit und Schwankung. Im Hinblick auf diesen Zweck darf man die projectirte Bildung von Künstlergenossenschaften wol als einen glücklichen Gedanken bezeichnen, zumal sich in den Mitgliedern der drei preu¬ ßischen Kunstakademien, wie in den verschiedenen Künstler-Vereinen, Elemente genng M solchen Vereinigungen finden, denen dann die selbstständige Weiterbildung über¬ lastn werden konnte/ Mit dem akademischen Senate sollten ferner die Akade- "nen zu Düsseldorf und Königsberg in ein näheres Verhältniß gesetzt, die Kon¬ servativ» der Denkmäler, welche jetzt in ziemlich engen Grenzen durch einen ein¬ zigen Konservator versehen wird, die Beschäftigung, Unterstützung, Aneiferung und Belohnung junger Talente unter seinen Einfluß gestellt werden. Dabei wäre eine Erhöhung der Ansprüche an die Staatskasse zu Gunsten der Kunst allerdings geboten. Was will es aber sagen, wenn ein Staat wie Preußen zur Anregung des KuustschasfeuS eine jährliche Summe von dreißig oder vierzigtausend Thalern aussetzt? An anderen Stellen werden größere Siimmen zu viel geringerem Nutzen des Volkes verausgabt; ein mäßig erhöhter Aufwand für die Kunst würde zahl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/409>, abgerufen am 12.05.2024.