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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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einer Höhe von drei Ellen über der Erde und einem verhältnißmäßigen Durch¬
messer; ihre Anzahl ist aus iminchem Feldstücke ungeheuer, auf keinem fehlen sie
ganz. Der Pflug muß sich naturlich bequemen, den steinernen Klumpen höflich
auszuweichen, und zieht daher seiue Furchen in Linien, welche den Windungen
eines Flusses nicht nachstehen. Viele dieser Steinblöcke siud aber nicht größer
als die Prellsteine all den Häusern unserer Städte, und wären sehr leicht weg
zu schaffen. Manche Fcldfläche könnte durch zwei bis drei Handarbeiter und
einige Fuhrgeschirre in wenigen Tagen völlig von den Blöcken gereinigt werden.
Aber wozu das wieder? Die Blöcke thun ja keinem Menschen etwas, und die
sröhuenden Bauern werden sich scholl mit dem Pfluge durch sie hinzuwindcn
wissen; und bleibt auch hier und da ein Streifen Land ungepflügt, so kommen die
Gräser, die darauf sprossen, nach der Ernte doch dem weidenden Vieh zu Nutzen;
aus den Flächenraum aber, welchen die Blöcke an sich wegnehmen, ist auch nichts
zu geben, denn auf dem übrigen Raum wächst immer noch Getreide genug! Sie
sehen, die Philosophie des polnischen Grundherrn, der fast durchweg seine Güter
selbst bewirthschaftet, bleibt consequent.

Die Baumstümpfe ferner, welche man zahlreich auf dem Ackerland erblickt,
kommen von der Gewohnheit, von Zeit zu Zeit das Feld mit dem Wald zu ver¬
tauschen. Man läßt dann eben so viel Feld bewalden, als man Wald zu Feld
machen will. Letzteres könnte leicht dergestalt geschehen, daß kein Baumstumpf
stehen bliebe. Allein die Bäume mit der Wurzel aufzuheben, ist hier zu Lande
zu mühselig, die Klötze auszuroden ist noch viel mühseliger. Es bleibt also nichts
weiter übrig, als die Stümpfe der Verwesung zu überlassen. Diese aber erfordert
bei kienigem Holz eine sehr lange Zeit, und oft sind die Stümpfe kaum von der
Fäulniß angegriffen, wenn die Zeit da ist, das Feldstück aufs Neue zu bewalden.
Bisweilen kommen die Bauern der Fäulnis) zu Hilfe, indem sie Feuer an die
Stümpfe legen. Sie richten zwar damit nicht viel aus, ein Sturz bleibt doch
übrig und der Klotz in der Erde, diese Thätigkeit aber macht ihnen eine kleine
Freude und Aufregung.

Noch mehr fallen dem Fremdling ans den polnischen Feldern die Schleheu-
gebüsche und wilden Apfel- und Birnbäume aus. Ost findet man sie in großen
Gruppen stehen und so zahlreich, daß das Feld einem weitläufig bepflanzten
Obstgarten nicht unähnlich sieht. Wer den ersten Tritt auf den Boden des Polen¬
reichs thut, begreift diese wilden Obstbäume im Fruchtfelde durchaus uicht, da er
nicht ihren Nutzen, sondern nur den Schaden keunt. Unter dem Schatten eines
Baumes wächst bekanntlich nie ein kräftiges Getreide, der Halm wird dünner und
die Aehre kümmerlich und meist taub. Der Sonnenstrahl ist die segenspendende
Göttin aller Früchte. Warum verhüllt der Pole seine Früchte vor dem Antlitz
der Göttin?

Man muß wissen, daß dies Buschwerk die Obstpflanzuug des polnischen


11*

einer Höhe von drei Ellen über der Erde und einem verhältnißmäßigen Durch¬
messer; ihre Anzahl ist aus iminchem Feldstücke ungeheuer, auf keinem fehlen sie
ganz. Der Pflug muß sich naturlich bequemen, den steinernen Klumpen höflich
auszuweichen, und zieht daher seiue Furchen in Linien, welche den Windungen
eines Flusses nicht nachstehen. Viele dieser Steinblöcke siud aber nicht größer
als die Prellsteine all den Häusern unserer Städte, und wären sehr leicht weg
zu schaffen. Manche Fcldfläche könnte durch zwei bis drei Handarbeiter und
einige Fuhrgeschirre in wenigen Tagen völlig von den Blöcken gereinigt werden.
Aber wozu das wieder? Die Blöcke thun ja keinem Menschen etwas, und die
sröhuenden Bauern werden sich scholl mit dem Pfluge durch sie hinzuwindcn
wissen; und bleibt auch hier und da ein Streifen Land ungepflügt, so kommen die
Gräser, die darauf sprossen, nach der Ernte doch dem weidenden Vieh zu Nutzen;
aus den Flächenraum aber, welchen die Blöcke an sich wegnehmen, ist auch nichts
zu geben, denn auf dem übrigen Raum wächst immer noch Getreide genug! Sie
sehen, die Philosophie des polnischen Grundherrn, der fast durchweg seine Güter
selbst bewirthschaftet, bleibt consequent.

Die Baumstümpfe ferner, welche man zahlreich auf dem Ackerland erblickt,
kommen von der Gewohnheit, von Zeit zu Zeit das Feld mit dem Wald zu ver¬
tauschen. Man läßt dann eben so viel Feld bewalden, als man Wald zu Feld
machen will. Letzteres könnte leicht dergestalt geschehen, daß kein Baumstumpf
stehen bliebe. Allein die Bäume mit der Wurzel aufzuheben, ist hier zu Lande
zu mühselig, die Klötze auszuroden ist noch viel mühseliger. Es bleibt also nichts
weiter übrig, als die Stümpfe der Verwesung zu überlassen. Diese aber erfordert
bei kienigem Holz eine sehr lange Zeit, und oft sind die Stümpfe kaum von der
Fäulniß angegriffen, wenn die Zeit da ist, das Feldstück aufs Neue zu bewalden.
Bisweilen kommen die Bauern der Fäulnis) zu Hilfe, indem sie Feuer an die
Stümpfe legen. Sie richten zwar damit nicht viel aus, ein Sturz bleibt doch
übrig und der Klotz in der Erde, diese Thätigkeit aber macht ihnen eine kleine
Freude und Aufregung.

Noch mehr fallen dem Fremdling ans den polnischen Feldern die Schleheu-
gebüsche und wilden Apfel- und Birnbäume aus. Ost findet man sie in großen
Gruppen stehen und so zahlreich, daß das Feld einem weitläufig bepflanzten
Obstgarten nicht unähnlich sieht. Wer den ersten Tritt auf den Boden des Polen¬
reichs thut, begreift diese wilden Obstbäume im Fruchtfelde durchaus uicht, da er
nicht ihren Nutzen, sondern nur den Schaden keunt. Unter dem Schatten eines
Baumes wächst bekanntlich nie ein kräftiges Getreide, der Halm wird dünner und
die Aehre kümmerlich und meist taub. Der Sonnenstrahl ist die segenspendende
Göttin aller Früchte. Warum verhüllt der Pole seine Früchte vor dem Antlitz
der Göttin?

Man muß wissen, daß dies Buschwerk die Obstpflanzuug des polnischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/95>, abgerufen am 29.05.2024.