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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Diese Stärke bestand aber nur auf dem Papiere, in Wirklichkeit hat sie
nach ungefähren Anschlag etwa 5^0,000 Mann betragen und auch von diesen
war ein Theil (wohl 40 -- 50,000 Mann) noch lange nicht fähig, in's Feld, zu
rücken.

Bei dieser schnellen Skizze ist der höchste Vorzug des kaiserlichen Heeres,
der Besitz einiger tüchtiger Oberanführer, welche mehr zu führen verstehn, als
einzelne Corps, und große Feldherrntalente bereits bewährt haben, nicht in An¬
schlag gebracht worden. Dies ist nicht geschehen, weil dieser ungeheure, vielleicht
entscheidende Norzug, welchen dus östreichische Heer vor jedem deutschen hat, wie¬
der unsicher gemacht wird dnrch die verkehrte Administration des Heeres und das
dadurch beförderte Günstlingswesen.

In dem nächsten Artikel über die Eigenthümlichkeiten des östreichischen Offi-
ciercorps und die Organisation des Heeres.




Gin Gespräch.

Wir saßen zusammen, ich und meine Freunde, östreichische Geschäftsleute, und
sprachen über der Weltlauf, die neue Regierung Oestreichs und über die alten
Gegner der Geschäftsleute, die Beamten. Dem vormärzlichen System wurde
mauches Schock Flüche nachgesendet und die Gegenwart gelobt und gescholten,
wie es zu gehen pflegt. Da erhob sich ein Herr mit schalkhafter Miene, um dem
alten Oestreich eine ehrenvolle Nachrede zu halten.

Vor Allem, sagte er, meine Herren, verfahren Sie etwas säuberlicher
mit unsern alten Beamten. Was Sie Feilheit nennen, war häusig nichts als
liebenswürdige Gefälligkeit, die das Leben erträglich machte. Das Beamtenheer
war allmälig wie Sand am Meere geworden; es zählte deshalb Tausende von
Heloten und Proletariern, denen der Staat kaum das trockene Brot geben konnte;
die Butter darauf holten sich die Armen aus der Küche des Volks. In Folge
davon mußten sie auf beiden Achseln tragen, und das war gut. Da sie im Laby¬
rinth der Hofdecrete, Miuisterialverordnungen und Handbillets ziemlich zu Hause
waren, machten sie für ein Paar Banknoten die freundlichsten Wegweiser und
zeigten gerne den Schleichweg zur Umgebung lächerlicher oder barbarischer Gesetze.
Die Bestechung war eine erlaubte Nothwehr und, gleich vielen kostbaren Frei¬
heiten der Engländer, ein ungeschriebenes, aber durch die Sitte geheiligtes Recht
der Besitzenden. Den ordentlichen, das heißt reichen Bürgern verschaffte es den
Himmel auf Erden; es übertrug auf sie eiuen Theil der unumschränkten Willkür
und Herrlichkeit der Krone. Welcher Anerkennung das Bestechungsrecht bei Hoch


Diese Stärke bestand aber nur auf dem Papiere, in Wirklichkeit hat sie
nach ungefähren Anschlag etwa 5^0,000 Mann betragen und auch von diesen
war ein Theil (wohl 40 — 50,000 Mann) noch lange nicht fähig, in's Feld, zu
rücken.

Bei dieser schnellen Skizze ist der höchste Vorzug des kaiserlichen Heeres,
der Besitz einiger tüchtiger Oberanführer, welche mehr zu führen verstehn, als
einzelne Corps, und große Feldherrntalente bereits bewährt haben, nicht in An¬
schlag gebracht worden. Dies ist nicht geschehen, weil dieser ungeheure, vielleicht
entscheidende Norzug, welchen dus östreichische Heer vor jedem deutschen hat, wie¬
der unsicher gemacht wird dnrch die verkehrte Administration des Heeres und das
dadurch beförderte Günstlingswesen.

In dem nächsten Artikel über die Eigenthümlichkeiten des östreichischen Offi-
ciercorps und die Organisation des Heeres.




Gin Gespräch.

Wir saßen zusammen, ich und meine Freunde, östreichische Geschäftsleute, und
sprachen über der Weltlauf, die neue Regierung Oestreichs und über die alten
Gegner der Geschäftsleute, die Beamten. Dem vormärzlichen System wurde
mauches Schock Flüche nachgesendet und die Gegenwart gelobt und gescholten,
wie es zu gehen pflegt. Da erhob sich ein Herr mit schalkhafter Miene, um dem
alten Oestreich eine ehrenvolle Nachrede zu halten.

Vor Allem, sagte er, meine Herren, verfahren Sie etwas säuberlicher
mit unsern alten Beamten. Was Sie Feilheit nennen, war häusig nichts als
liebenswürdige Gefälligkeit, die das Leben erträglich machte. Das Beamtenheer
war allmälig wie Sand am Meere geworden; es zählte deshalb Tausende von
Heloten und Proletariern, denen der Staat kaum das trockene Brot geben konnte;
die Butter darauf holten sich die Armen aus der Küche des Volks. In Folge
davon mußten sie auf beiden Achseln tragen, und das war gut. Da sie im Laby¬
rinth der Hofdecrete, Miuisterialverordnungen und Handbillets ziemlich zu Hause
waren, machten sie für ein Paar Banknoten die freundlichsten Wegweiser und
zeigten gerne den Schleichweg zur Umgebung lächerlicher oder barbarischer Gesetze.
Die Bestechung war eine erlaubte Nothwehr und, gleich vielen kostbaren Frei¬
heiten der Engländer, ein ungeschriebenes, aber durch die Sitte geheiligtes Recht
der Besitzenden. Den ordentlichen, das heißt reichen Bürgern verschaffte es den
Himmel auf Erden; es übertrug auf sie eiuen Theil der unumschränkten Willkür
und Herrlichkeit der Krone. Welcher Anerkennung das Bestechungsrecht bei Hoch


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[0102] Diese Stärke bestand aber nur auf dem Papiere, in Wirklichkeit hat sie nach ungefähren Anschlag etwa 5^0,000 Mann betragen und auch von diesen war ein Theil (wohl 40 — 50,000 Mann) noch lange nicht fähig, in's Feld, zu rücken. Bei dieser schnellen Skizze ist der höchste Vorzug des kaiserlichen Heeres, der Besitz einiger tüchtiger Oberanführer, welche mehr zu führen verstehn, als einzelne Corps, und große Feldherrntalente bereits bewährt haben, nicht in An¬ schlag gebracht worden. Dies ist nicht geschehen, weil dieser ungeheure, vielleicht entscheidende Norzug, welchen dus östreichische Heer vor jedem deutschen hat, wie¬ der unsicher gemacht wird dnrch die verkehrte Administration des Heeres und das dadurch beförderte Günstlingswesen. In dem nächsten Artikel über die Eigenthümlichkeiten des östreichischen Offi- ciercorps und die Organisation des Heeres. Gin Gespräch. Wir saßen zusammen, ich und meine Freunde, östreichische Geschäftsleute, und sprachen über der Weltlauf, die neue Regierung Oestreichs und über die alten Gegner der Geschäftsleute, die Beamten. Dem vormärzlichen System wurde mauches Schock Flüche nachgesendet und die Gegenwart gelobt und gescholten, wie es zu gehen pflegt. Da erhob sich ein Herr mit schalkhafter Miene, um dem alten Oestreich eine ehrenvolle Nachrede zu halten. Vor Allem, sagte er, meine Herren, verfahren Sie etwas säuberlicher mit unsern alten Beamten. Was Sie Feilheit nennen, war häusig nichts als liebenswürdige Gefälligkeit, die das Leben erträglich machte. Das Beamtenheer war allmälig wie Sand am Meere geworden; es zählte deshalb Tausende von Heloten und Proletariern, denen der Staat kaum das trockene Brot geben konnte; die Butter darauf holten sich die Armen aus der Küche des Volks. In Folge davon mußten sie auf beiden Achseln tragen, und das war gut. Da sie im Laby¬ rinth der Hofdecrete, Miuisterialverordnungen und Handbillets ziemlich zu Hause waren, machten sie für ein Paar Banknoten die freundlichsten Wegweiser und zeigten gerne den Schleichweg zur Umgebung lächerlicher oder barbarischer Gesetze. Die Bestechung war eine erlaubte Nothwehr und, gleich vielen kostbaren Frei¬ heiten der Engländer, ein ungeschriebenes, aber durch die Sitte geheiligtes Recht der Besitzenden. Den ordentlichen, das heißt reichen Bürgern verschaffte es den Himmel auf Erden; es übertrug auf sie eiuen Theil der unumschränkten Willkür und Herrlichkeit der Krone. Welcher Anerkennung das Bestechungsrecht bei Hoch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/102>, abgerufen am 16.06.2024.