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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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und ihre Geschichte; daraus Geschichte und Beschreibung der Indianer,
indianische Alterthümer u^ s. w. -- Sehr zweckmäßig ist in der Behand¬
lung des massenhaften und verschiedenartigen Stoffes der rechte Grad von
Ordnung beobachtet worden. Der Verfasser wandert von Europa über Is-
land und den Norden allmälig nach dem Süden herab und nimmt sich
die Freiheit, wo es ihm passend scheint, einen behaglichen Excurs zu machen.
In dem Abschnitt über die Jndianer Amerika's hat er vorzugsweise die Werke
Schoolcraft's benützt, der keineswegs immer genau beobachtete, daher sind in die
Schilderungen indianischen Lebens manche Lücken und Ungenauigkeiten gekommen,
z. B. in den Stellen über die Medicinbeutel, die Brüderschaften, die religiösen
Tänze ze. war aus Catlin und dem Prinzen Max von Neuwied mehr
und Genaueres zu holen. Möge eine spätere Auflage diese UnVollkommenheit
beseitigen. -- Um unsern Lesern das Werk selbst lieb zu macheu und eine Probe
vou dem Talent zu geben, mit welchem der Verfasser populär zu sein versteht,
lassen wir ihn hier von dem Eise Grönland's erzählen. Jetzt, wo es in mehr¬
facher Hinsicht kalt und unfreundlich auch bei uns in Deutschland ist, wird
einiges Mitgefühl zu hoffen sein für jene märchenhaften Gegenden, in denen es
noch viel kälter und unfreundlicher ist, daß die Temperatur Deutschlands damit
verglichen Backofenwärme genannt werden muß.

"Grönland erscheint als eine Masse von großen Inseln, "die durch ein Meer
von Sunden" vielfach zerschnitten sind. Es besteht ans Bergen, Felsen und Eis¬
massen, es ist ein Bild des Chaos und des ewigen Winters. Vom amerikanischen
Festlande wird es durch die Davisstraße und die Baffinsbay getrennt, die östliche
Küste wird vom Eismeer bespült. Unbekannt ist die Ausdehnung nach Norden
und nach Westen. Das Innere des ganzen großen Dreiecks ist völlig unbekannt;
die europäischen Ansiedelungen liegen an der Westküste zerstreut und zählen zwischen
sechs- bis siebentausend Bewohner. Ueberall trägt Grönland einen georgischen
Charakter, flache Stellen sind auch an der Küste nur selten, vielmehr erheben sich
hohe Berge und steile Klippen oft unmittelbar aus der See, namentlich aus den
Landzungen und Vorgebirgen. Auf diesen nnr von Eis und Schnee bedeckten
schwarzen Mauern zeigt sich auch uicht eine Spur vou Pflanzenwuchs, uicht ein¬
mal das kärglichste Moos. Häufig ist kein lebendes Wesen zu sehen, keine Möwe,
kein Seehund, höchstens ein einsam fliegender Rabe. Die Höhen reichen insge¬
mein nicht über dreitausend Fuß hinaus, siud aber doch mit ewigem Eis und
Schnee bedeckt. Die Hjörtetakkeu (die Hirschhörner) bei Godhaab auf der
Westküste erheben sich vielleicht bis nahe an 5000 Fuß, und der über -4000 Fuß
ansteigende Kunnak ist an seinen Abhängen gleichsam mit Eis überzogen.

Das ganze innere Land ist zerrissen und wegen der in den riefen Spalten
lagernden Gletscher, in welche nie ein Sonnenstrahl dringt, vollkommen unzugängig.
Alle Versuche, von der Westküste nach Osten hinüber zu dringen, sind gescheitert;


und ihre Geschichte; daraus Geschichte und Beschreibung der Indianer,
indianische Alterthümer u^ s. w. — Sehr zweckmäßig ist in der Behand¬
lung des massenhaften und verschiedenartigen Stoffes der rechte Grad von
Ordnung beobachtet worden. Der Verfasser wandert von Europa über Is-
land und den Norden allmälig nach dem Süden herab und nimmt sich
die Freiheit, wo es ihm passend scheint, einen behaglichen Excurs zu machen.
In dem Abschnitt über die Jndianer Amerika's hat er vorzugsweise die Werke
Schoolcraft's benützt, der keineswegs immer genau beobachtete, daher sind in die
Schilderungen indianischen Lebens manche Lücken und Ungenauigkeiten gekommen,
z. B. in den Stellen über die Medicinbeutel, die Brüderschaften, die religiösen
Tänze ze. war aus Catlin und dem Prinzen Max von Neuwied mehr
und Genaueres zu holen. Möge eine spätere Auflage diese UnVollkommenheit
beseitigen. — Um unsern Lesern das Werk selbst lieb zu macheu und eine Probe
vou dem Talent zu geben, mit welchem der Verfasser populär zu sein versteht,
lassen wir ihn hier von dem Eise Grönland's erzählen. Jetzt, wo es in mehr¬
facher Hinsicht kalt und unfreundlich auch bei uns in Deutschland ist, wird
einiges Mitgefühl zu hoffen sein für jene märchenhaften Gegenden, in denen es
noch viel kälter und unfreundlicher ist, daß die Temperatur Deutschlands damit
verglichen Backofenwärme genannt werden muß.

„Grönland erscheint als eine Masse von großen Inseln, „die durch ein Meer
von Sunden" vielfach zerschnitten sind. Es besteht ans Bergen, Felsen und Eis¬
massen, es ist ein Bild des Chaos und des ewigen Winters. Vom amerikanischen
Festlande wird es durch die Davisstraße und die Baffinsbay getrennt, die östliche
Küste wird vom Eismeer bespült. Unbekannt ist die Ausdehnung nach Norden
und nach Westen. Das Innere des ganzen großen Dreiecks ist völlig unbekannt;
die europäischen Ansiedelungen liegen an der Westküste zerstreut und zählen zwischen
sechs- bis siebentausend Bewohner. Ueberall trägt Grönland einen georgischen
Charakter, flache Stellen sind auch an der Küste nur selten, vielmehr erheben sich
hohe Berge und steile Klippen oft unmittelbar aus der See, namentlich aus den
Landzungen und Vorgebirgen. Auf diesen nnr von Eis und Schnee bedeckten
schwarzen Mauern zeigt sich auch uicht eine Spur vou Pflanzenwuchs, uicht ein¬
mal das kärglichste Moos. Häufig ist kein lebendes Wesen zu sehen, keine Möwe,
kein Seehund, höchstens ein einsam fliegender Rabe. Die Höhen reichen insge¬
mein nicht über dreitausend Fuß hinaus, siud aber doch mit ewigem Eis und
Schnee bedeckt. Die Hjörtetakkeu (die Hirschhörner) bei Godhaab auf der
Westküste erheben sich vielleicht bis nahe an 5000 Fuß, und der über -4000 Fuß
ansteigende Kunnak ist an seinen Abhängen gleichsam mit Eis überzogen.

Das ganze innere Land ist zerrissen und wegen der in den riefen Spalten
lagernden Gletscher, in welche nie ein Sonnenstrahl dringt, vollkommen unzugängig.
Alle Versuche, von der Westküste nach Osten hinüber zu dringen, sind gescheitert;


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[0112] und ihre Geschichte; daraus Geschichte und Beschreibung der Indianer, indianische Alterthümer u^ s. w. — Sehr zweckmäßig ist in der Behand¬ lung des massenhaften und verschiedenartigen Stoffes der rechte Grad von Ordnung beobachtet worden. Der Verfasser wandert von Europa über Is- land und den Norden allmälig nach dem Süden herab und nimmt sich die Freiheit, wo es ihm passend scheint, einen behaglichen Excurs zu machen. In dem Abschnitt über die Jndianer Amerika's hat er vorzugsweise die Werke Schoolcraft's benützt, der keineswegs immer genau beobachtete, daher sind in die Schilderungen indianischen Lebens manche Lücken und Ungenauigkeiten gekommen, z. B. in den Stellen über die Medicinbeutel, die Brüderschaften, die religiösen Tänze ze. war aus Catlin und dem Prinzen Max von Neuwied mehr und Genaueres zu holen. Möge eine spätere Auflage diese UnVollkommenheit beseitigen. — Um unsern Lesern das Werk selbst lieb zu macheu und eine Probe vou dem Talent zu geben, mit welchem der Verfasser populär zu sein versteht, lassen wir ihn hier von dem Eise Grönland's erzählen. Jetzt, wo es in mehr¬ facher Hinsicht kalt und unfreundlich auch bei uns in Deutschland ist, wird einiges Mitgefühl zu hoffen sein für jene märchenhaften Gegenden, in denen es noch viel kälter und unfreundlicher ist, daß die Temperatur Deutschlands damit verglichen Backofenwärme genannt werden muß. „Grönland erscheint als eine Masse von großen Inseln, „die durch ein Meer von Sunden" vielfach zerschnitten sind. Es besteht ans Bergen, Felsen und Eis¬ massen, es ist ein Bild des Chaos und des ewigen Winters. Vom amerikanischen Festlande wird es durch die Davisstraße und die Baffinsbay getrennt, die östliche Küste wird vom Eismeer bespült. Unbekannt ist die Ausdehnung nach Norden und nach Westen. Das Innere des ganzen großen Dreiecks ist völlig unbekannt; die europäischen Ansiedelungen liegen an der Westküste zerstreut und zählen zwischen sechs- bis siebentausend Bewohner. Ueberall trägt Grönland einen georgischen Charakter, flache Stellen sind auch an der Küste nur selten, vielmehr erheben sich hohe Berge und steile Klippen oft unmittelbar aus der See, namentlich aus den Landzungen und Vorgebirgen. Auf diesen nnr von Eis und Schnee bedeckten schwarzen Mauern zeigt sich auch uicht eine Spur vou Pflanzenwuchs, uicht ein¬ mal das kärglichste Moos. Häufig ist kein lebendes Wesen zu sehen, keine Möwe, kein Seehund, höchstens ein einsam fliegender Rabe. Die Höhen reichen insge¬ mein nicht über dreitausend Fuß hinaus, siud aber doch mit ewigem Eis und Schnee bedeckt. Die Hjörtetakkeu (die Hirschhörner) bei Godhaab auf der Westküste erheben sich vielleicht bis nahe an 5000 Fuß, und der über -4000 Fuß ansteigende Kunnak ist an seinen Abhängen gleichsam mit Eis überzogen. Das ganze innere Land ist zerrissen und wegen der in den riefen Spalten lagernden Gletscher, in welche nie ein Sonnenstrahl dringt, vollkommen unzugängig. Alle Versuche, von der Westküste nach Osten hinüber zu dringen, sind gescheitert;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/112>, abgerufen am 16.06.2024.