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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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so hält im grönländischen Meere der Eskimo sein Unter an, und giebt keinen
Laut von sich, wenn er den wunderbaren Eisbergen sich nahet.

Das Land erhebt sich fast Unmittelbar von der Küste zu einer Höhe
von zwei- bis dreitausend Fuß, und die feuchte Seeluft ist auf dasselbe ohne
günstige Einwirkung. Die große Aequiuoctialströmung liegt den grönländischen
Küsten fern, während dagegen die Polarströmnng, welche Eisfelder und Eisberge
herabtreibt, diese Gestade berührt. Gerade in der sehr kurzen Sommerzeit
erscheint dieses Eis in großen Massen; im Winter verschwindet es theilweise.
In Upvernavik (72° 48') stieg die Kälte schon oft ans -- 36" ja auf -- 48"
Fahrenheit. Dann bersten sogar Felsen, das Eis dringt den Rauchfang hinab
bis in den heißen Ofen, und bildet über demselben eine Wölbung, in welcher
für den abziehenden Rauch nur eine kleine Oeffnung bleibt. Kocht man Fleisch,
so sind die äußeren Theile desselben schon längst gar, wenn die inneren noch so
steinhart gefroren sind, daß man sie mit scharfen Messern nicht zerschneiden kann.
Branntwein und selbst Spiritus gefrieren zu einer öl- und gallertartigen Masse.
Von der See steigt ein rauchartiger Dampf empor, den der !kalte Wind zu
kleinen Eisnadeln umgestaltet. Das Klima der östlichen Küste ist noch weit
strenger, als jenes der westlichen Seite. Der Sommer beginnt im Juni', und
bald stellt sich eine so drückende Hitze ein, daß manchmal das Thermometer bis
auf 86" F. im Schatten steigt. Aber vom April bis August sind die Nebel
häufig, und die über das Eis streichenden Winde machen anch im .Sommer
Pelzkleider zu einer Nothwendigkeit. Im August beginnen die Nachtfröste,
auch fällt bereits wieder Schnee, der indessen vor October nicht liegen bleibt.
Sehr häufig sind die Nordlichter, welche vor 1716 in Island, Schweden,
England, überhaupt in Europa fast unbekannt waren. Die eigenthümlichen
Wirkungen der ungleichen Strahlenbrechung, welche durch die verschiedene
Temperatur und Dichtigkeit der verschiedenen Luftschichten hervorgebracht wird,
bringen merkwürdige Erscheinungen hervor. Die nordische Spiegelung oder
Kimmung hebt Oertlichkeiten über ihre wirkliche Lage empor, indem sie unter
dem Gesichtskreise liegende Gegenstände sichtbar macht, und oft dieselben gebrochen
oder verkehrt erscheinen läßt; sie zaubert Thürme, Burgen und Städte herauf,
ganz so wie die Fata Morgana im Süden.

Es ergibt sich von selbst aus der Beschaffenheit dieses Landes, daß seine
Pflanzen- und Thierwelt dürftig sein müssen; beide kommen im Allgemeinen mir
jener des benachbarten Island überein. Die Wohnplätze der Menschen sind an der
Küste zerstreut und gleichen einander; europäische Niederlassungen liegen nur auf
der Westseite, meist auf kleinen Inseln. Eskimos sollen bis zum 78" hinauf
wohnen, also bis dahin, wo die Baffinsbay endet. John Roß fand unter 76"
Eingeborene, die noch vom Norden hergekommen waren.

Die Grönländer gehören entschieden dem Eskimo-Stamme an; ihre Körper-


so hält im grönländischen Meere der Eskimo sein Unter an, und giebt keinen
Laut von sich, wenn er den wunderbaren Eisbergen sich nahet.

Das Land erhebt sich fast Unmittelbar von der Küste zu einer Höhe
von zwei- bis dreitausend Fuß, und die feuchte Seeluft ist auf dasselbe ohne
günstige Einwirkung. Die große Aequiuoctialströmung liegt den grönländischen
Küsten fern, während dagegen die Polarströmnng, welche Eisfelder und Eisberge
herabtreibt, diese Gestade berührt. Gerade in der sehr kurzen Sommerzeit
erscheint dieses Eis in großen Massen; im Winter verschwindet es theilweise.
In Upvernavik (72° 48') stieg die Kälte schon oft ans — 36" ja auf — 48"
Fahrenheit. Dann bersten sogar Felsen, das Eis dringt den Rauchfang hinab
bis in den heißen Ofen, und bildet über demselben eine Wölbung, in welcher
für den abziehenden Rauch nur eine kleine Oeffnung bleibt. Kocht man Fleisch,
so sind die äußeren Theile desselben schon längst gar, wenn die inneren noch so
steinhart gefroren sind, daß man sie mit scharfen Messern nicht zerschneiden kann.
Branntwein und selbst Spiritus gefrieren zu einer öl- und gallertartigen Masse.
Von der See steigt ein rauchartiger Dampf empor, den der !kalte Wind zu
kleinen Eisnadeln umgestaltet. Das Klima der östlichen Küste ist noch weit
strenger, als jenes der westlichen Seite. Der Sommer beginnt im Juni', und
bald stellt sich eine so drückende Hitze ein, daß manchmal das Thermometer bis
auf 86" F. im Schatten steigt. Aber vom April bis August sind die Nebel
häufig, und die über das Eis streichenden Winde machen anch im .Sommer
Pelzkleider zu einer Nothwendigkeit. Im August beginnen die Nachtfröste,
auch fällt bereits wieder Schnee, der indessen vor October nicht liegen bleibt.
Sehr häufig sind die Nordlichter, welche vor 1716 in Island, Schweden,
England, überhaupt in Europa fast unbekannt waren. Die eigenthümlichen
Wirkungen der ungleichen Strahlenbrechung, welche durch die verschiedene
Temperatur und Dichtigkeit der verschiedenen Luftschichten hervorgebracht wird,
bringen merkwürdige Erscheinungen hervor. Die nordische Spiegelung oder
Kimmung hebt Oertlichkeiten über ihre wirkliche Lage empor, indem sie unter
dem Gesichtskreise liegende Gegenstände sichtbar macht, und oft dieselben gebrochen
oder verkehrt erscheinen läßt; sie zaubert Thürme, Burgen und Städte herauf,
ganz so wie die Fata Morgana im Süden.

Es ergibt sich von selbst aus der Beschaffenheit dieses Landes, daß seine
Pflanzen- und Thierwelt dürftig sein müssen; beide kommen im Allgemeinen mir
jener des benachbarten Island überein. Die Wohnplätze der Menschen sind an der
Küste zerstreut und gleichen einander; europäische Niederlassungen liegen nur auf
der Westseite, meist auf kleinen Inseln. Eskimos sollen bis zum 78" hinauf
wohnen, also bis dahin, wo die Baffinsbay endet. John Roß fand unter 76«
Eingeborene, die noch vom Norden hergekommen waren.

Die Grönländer gehören entschieden dem Eskimo-Stamme an; ihre Körper-


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[0114] so hält im grönländischen Meere der Eskimo sein Unter an, und giebt keinen Laut von sich, wenn er den wunderbaren Eisbergen sich nahet. Das Land erhebt sich fast Unmittelbar von der Küste zu einer Höhe von zwei- bis dreitausend Fuß, und die feuchte Seeluft ist auf dasselbe ohne günstige Einwirkung. Die große Aequiuoctialströmung liegt den grönländischen Küsten fern, während dagegen die Polarströmnng, welche Eisfelder und Eisberge herabtreibt, diese Gestade berührt. Gerade in der sehr kurzen Sommerzeit erscheint dieses Eis in großen Massen; im Winter verschwindet es theilweise. In Upvernavik (72° 48') stieg die Kälte schon oft ans — 36" ja auf — 48" Fahrenheit. Dann bersten sogar Felsen, das Eis dringt den Rauchfang hinab bis in den heißen Ofen, und bildet über demselben eine Wölbung, in welcher für den abziehenden Rauch nur eine kleine Oeffnung bleibt. Kocht man Fleisch, so sind die äußeren Theile desselben schon längst gar, wenn die inneren noch so steinhart gefroren sind, daß man sie mit scharfen Messern nicht zerschneiden kann. Branntwein und selbst Spiritus gefrieren zu einer öl- und gallertartigen Masse. Von der See steigt ein rauchartiger Dampf empor, den der !kalte Wind zu kleinen Eisnadeln umgestaltet. Das Klima der östlichen Küste ist noch weit strenger, als jenes der westlichen Seite. Der Sommer beginnt im Juni', und bald stellt sich eine so drückende Hitze ein, daß manchmal das Thermometer bis auf 86" F. im Schatten steigt. Aber vom April bis August sind die Nebel häufig, und die über das Eis streichenden Winde machen anch im .Sommer Pelzkleider zu einer Nothwendigkeit. Im August beginnen die Nachtfröste, auch fällt bereits wieder Schnee, der indessen vor October nicht liegen bleibt. Sehr häufig sind die Nordlichter, welche vor 1716 in Island, Schweden, England, überhaupt in Europa fast unbekannt waren. Die eigenthümlichen Wirkungen der ungleichen Strahlenbrechung, welche durch die verschiedene Temperatur und Dichtigkeit der verschiedenen Luftschichten hervorgebracht wird, bringen merkwürdige Erscheinungen hervor. Die nordische Spiegelung oder Kimmung hebt Oertlichkeiten über ihre wirkliche Lage empor, indem sie unter dem Gesichtskreise liegende Gegenstände sichtbar macht, und oft dieselben gebrochen oder verkehrt erscheinen läßt; sie zaubert Thürme, Burgen und Städte herauf, ganz so wie die Fata Morgana im Süden. Es ergibt sich von selbst aus der Beschaffenheit dieses Landes, daß seine Pflanzen- und Thierwelt dürftig sein müssen; beide kommen im Allgemeinen mir jener des benachbarten Island überein. Die Wohnplätze der Menschen sind an der Küste zerstreut und gleichen einander; europäische Niederlassungen liegen nur auf der Westseite, meist auf kleinen Inseln. Eskimos sollen bis zum 78" hinauf wohnen, also bis dahin, wo die Baffinsbay endet. John Roß fand unter 76« Eingeborene, die noch vom Norden hergekommen waren. Die Grönländer gehören entschieden dem Eskimo-Stamme an; ihre Körper-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/114>, abgerufen am 15.06.2024.