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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Sundes, ehrenwerthes Journalistenleben, welches zu den schönsten Hoffnungen be¬
rechtigte. Da führt den treuen Mann sein Unstern nach Berlin. Er weiß zu
rechter Zeit Klugheit und Gesinnung zu zeigen, er wird Redacteur der Preußi¬
schen Zeitung, er wird Vorstand des literarischen Cabinets im Ministerium, er
wird der Vertraute, der bescheidene Freund, ja 'wol gar der Rathgeber des Mi¬
nisters. ^ Wer etwas von Herrn v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Herrn
Q-uedl. Und auch wer Nichts von Hrn. v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Hrn.
Quedl. Er wird an ihm ein doa/se interessantes Beispiel von der furchtbaren
Macht jener Krankheit finden, deren schwer auszusprechender Name den Titel
dieses Aufsatzes bildet. Ein so tüchtiges, so hoffnungsvolles Leben! Und
was ist aus ihm geworden? -- Nicht Alles, was er in Berlin gethan, ist ein Sym¬
ptom des contagiöseu Leidens, welches ihn jetzt erfüllt. Daß er einst die mini¬
sterielle Preußische Zeitung nicht so redigirt hat, daß man hätte sagen können,
sie sei erträglich, das war nicht seine Schuld. Es war damals überhaupt nicht
möglich, eine solche Zeitung anders als schlecht zu redigiren, aus Gründen, welche
nicht Hieher gehören. Daß er als Vorstand des literarischen Cabinets nicht ver¬
stände" hat, sich den so wichtigen Einfluß auf die süddeutsche Presse zu erhalten,
war auch nicht seine Schuld. Die ganze Freundschaft der süddeutschen Presse
wurde unnöthig, denn die Leute wollten dort überhaupt Nichts mehr von Preußen
hören. Aber daß er, der Beamte, Privatsecretair und Vertraute eines preußi¬
schen Ministers, die fade Brochure des feilen Schmarotzers Cassagnac übersetzt und
mit Nutzanwendungen auf die preußischen Zustände versehen hat, daß gerade er
den Charakter und die politische Ehrlichkeit seines Gönners-in so eclatanter
Weise compromittiren konnte, das ist ein Zeichen eines herzzerreißenden Anfalls
der grassirenden Krankheit.

Aber es erhebt sich noch ein anderer furchtbarer Verdacht. Das Ministerium
hat den Kammern einen Gesetzentwurf über Besteuerung der Tagespresse vorge¬
legt, welcher das Druckpapier uach dem Quadratfuß besteuern will. Seine
Annahme würde zur Folge haben, daß die sämmtlichen Zeitungen um circa "100°/"
theurer würden, daß wieder in Folge dieser abenteuerlichen Vertheurung drei
Viertheile der gesammten preußischen Tagespresse sofort kopfüber zu Grunde
gingen; daß darauf die uicht preußischen deutschen Zeitungen einen unerhörte" Auf¬
schwung nehmen, und Preuße" erfüllen würden, und daß sich längs der ganzen
preußischen Grenze von Zittau bis uach Rostock eine Tirailleurkette von Zeitungen
aufstellen würde, welche nach Preußen hineinsenerten.

Da es unmöglich ist, daß ein recht gesunder ruhiger Mann, der einige Kennt¬
niß vom Zeitungswesen hat, ein solches Project dem Ministerium vorschlagen
konnte, so bleibt Nichts übrig, als anzunehmen, daß der Urheber dieses Planes
krank war, krank an Constablerismus höchsten Grades. Aber fordert ein solcher
Grad von Krankheit uicht die höchste Sorgfalt der Freunde des Patienten heraus?


Grenzboten. I. 4 40

Sundes, ehrenwerthes Journalistenleben, welches zu den schönsten Hoffnungen be¬
rechtigte. Da führt den treuen Mann sein Unstern nach Berlin. Er weiß zu
rechter Zeit Klugheit und Gesinnung zu zeigen, er wird Redacteur der Preußi¬
schen Zeitung, er wird Vorstand des literarischen Cabinets im Ministerium, er
wird der Vertraute, der bescheidene Freund, ja 'wol gar der Rathgeber des Mi¬
nisters. ^ Wer etwas von Herrn v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Herrn
Q-uedl. Und auch wer Nichts von Hrn. v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Hrn.
Quedl. Er wird an ihm ein doa/se interessantes Beispiel von der furchtbaren
Macht jener Krankheit finden, deren schwer auszusprechender Name den Titel
dieses Aufsatzes bildet. Ein so tüchtiges, so hoffnungsvolles Leben! Und
was ist aus ihm geworden? — Nicht Alles, was er in Berlin gethan, ist ein Sym¬
ptom des contagiöseu Leidens, welches ihn jetzt erfüllt. Daß er einst die mini¬
sterielle Preußische Zeitung nicht so redigirt hat, daß man hätte sagen können,
sie sei erträglich, das war nicht seine Schuld. Es war damals überhaupt nicht
möglich, eine solche Zeitung anders als schlecht zu redigiren, aus Gründen, welche
nicht Hieher gehören. Daß er als Vorstand des literarischen Cabinets nicht ver¬
stände» hat, sich den so wichtigen Einfluß auf die süddeutsche Presse zu erhalten,
war auch nicht seine Schuld. Die ganze Freundschaft der süddeutschen Presse
wurde unnöthig, denn die Leute wollten dort überhaupt Nichts mehr von Preußen
hören. Aber daß er, der Beamte, Privatsecretair und Vertraute eines preußi¬
schen Ministers, die fade Brochure des feilen Schmarotzers Cassagnac übersetzt und
mit Nutzanwendungen auf die preußischen Zustände versehen hat, daß gerade er
den Charakter und die politische Ehrlichkeit seines Gönners-in so eclatanter
Weise compromittiren konnte, das ist ein Zeichen eines herzzerreißenden Anfalls
der grassirenden Krankheit.

Aber es erhebt sich noch ein anderer furchtbarer Verdacht. Das Ministerium
hat den Kammern einen Gesetzentwurf über Besteuerung der Tagespresse vorge¬
legt, welcher das Druckpapier uach dem Quadratfuß besteuern will. Seine
Annahme würde zur Folge haben, daß die sämmtlichen Zeitungen um circa "100°/«
theurer würden, daß wieder in Folge dieser abenteuerlichen Vertheurung drei
Viertheile der gesammten preußischen Tagespresse sofort kopfüber zu Grunde
gingen; daß darauf die uicht preußischen deutschen Zeitungen einen unerhörte» Auf¬
schwung nehmen, und Preuße» erfüllen würden, und daß sich längs der ganzen
preußischen Grenze von Zittau bis uach Rostock eine Tirailleurkette von Zeitungen
aufstellen würde, welche nach Preußen hineinsenerten.

Da es unmöglich ist, daß ein recht gesunder ruhiger Mann, der einige Kennt¬
niß vom Zeitungswesen hat, ein solches Project dem Ministerium vorschlagen
konnte, so bleibt Nichts übrig, als anzunehmen, daß der Urheber dieses Planes
krank war, krank an Constablerismus höchsten Grades. Aber fordert ein solcher
Grad von Krankheit uicht die höchste Sorgfalt der Freunde des Patienten heraus?


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[0323] Sundes, ehrenwerthes Journalistenleben, welches zu den schönsten Hoffnungen be¬ rechtigte. Da führt den treuen Mann sein Unstern nach Berlin. Er weiß zu rechter Zeit Klugheit und Gesinnung zu zeigen, er wird Redacteur der Preußi¬ schen Zeitung, er wird Vorstand des literarischen Cabinets im Ministerium, er wird der Vertraute, der bescheidene Freund, ja 'wol gar der Rathgeber des Mi¬ nisters. ^ Wer etwas von Herrn v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Herrn Q-uedl. Und auch wer Nichts von Hrn. v. Manteuffel wünscht, der wende sich an Hrn. Quedl. Er wird an ihm ein doa/se interessantes Beispiel von der furchtbaren Macht jener Krankheit finden, deren schwer auszusprechender Name den Titel dieses Aufsatzes bildet. Ein so tüchtiges, so hoffnungsvolles Leben! Und was ist aus ihm geworden? — Nicht Alles, was er in Berlin gethan, ist ein Sym¬ ptom des contagiöseu Leidens, welches ihn jetzt erfüllt. Daß er einst die mini¬ sterielle Preußische Zeitung nicht so redigirt hat, daß man hätte sagen können, sie sei erträglich, das war nicht seine Schuld. Es war damals überhaupt nicht möglich, eine solche Zeitung anders als schlecht zu redigiren, aus Gründen, welche nicht Hieher gehören. Daß er als Vorstand des literarischen Cabinets nicht ver¬ stände» hat, sich den so wichtigen Einfluß auf die süddeutsche Presse zu erhalten, war auch nicht seine Schuld. Die ganze Freundschaft der süddeutschen Presse wurde unnöthig, denn die Leute wollten dort überhaupt Nichts mehr von Preußen hören. Aber daß er, der Beamte, Privatsecretair und Vertraute eines preußi¬ schen Ministers, die fade Brochure des feilen Schmarotzers Cassagnac übersetzt und mit Nutzanwendungen auf die preußischen Zustände versehen hat, daß gerade er den Charakter und die politische Ehrlichkeit seines Gönners-in so eclatanter Weise compromittiren konnte, das ist ein Zeichen eines herzzerreißenden Anfalls der grassirenden Krankheit. Aber es erhebt sich noch ein anderer furchtbarer Verdacht. Das Ministerium hat den Kammern einen Gesetzentwurf über Besteuerung der Tagespresse vorge¬ legt, welcher das Druckpapier uach dem Quadratfuß besteuern will. Seine Annahme würde zur Folge haben, daß die sämmtlichen Zeitungen um circa "100°/« theurer würden, daß wieder in Folge dieser abenteuerlichen Vertheurung drei Viertheile der gesammten preußischen Tagespresse sofort kopfüber zu Grunde gingen; daß darauf die uicht preußischen deutschen Zeitungen einen unerhörte» Auf¬ schwung nehmen, und Preuße» erfüllen würden, und daß sich längs der ganzen preußischen Grenze von Zittau bis uach Rostock eine Tirailleurkette von Zeitungen aufstellen würde, welche nach Preußen hineinsenerten. Da es unmöglich ist, daß ein recht gesunder ruhiger Mann, der einige Kennt¬ niß vom Zeitungswesen hat, ein solches Project dem Ministerium vorschlagen konnte, so bleibt Nichts übrig, als anzunehmen, daß der Urheber dieses Planes krank war, krank an Constablerismus höchsten Grades. Aber fordert ein solcher Grad von Krankheit uicht die höchste Sorgfalt der Freunde des Patienten heraus? Grenzboten. I. 4 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/323>, abgerufen am 25.05.2024.