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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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mater Herr Horace Vernet, ein seinem neuesten Bilde ,,die Belagerung von Rom"
arbeitet. Dahaben wir den Schlüssel zum Räthsel, Montalembert, Falloux und
der gesammte Klerus von Frankreich predigen für Louis Buonaparte, die Be¬
lagerung von Rom ist seine That und der neue Marsch all von Frankreich Vaillant
wird von Horace Vernet als französischer Hannibal gemalt, während Oudinot, der
eigentliche Held dieses traurigen Drama's, kaum aus dem Gefängnisse gekommen.
General Oudinot hat das Verbrechen begangen, kein Prätorianer sein zu wollen,
er begnügte sich mit dem Stücke Heldenthat in Rom. Die Expedition von Rom
nach außen hin genügte ihm, er folgte der Expedition von Rom nach innen
nicht bis an ihr abenteuerliches Ende; er wurde in den Kerker geworfen mit den
anderen Anarchisten. Da hätten wir es also gefunden, was wir gesucht, denn in
den anderen Sälen ziehen wol die Lamoriciere, die Bedean, die Cavaignac, die
Changarnier, an uns vorüber, die Se. Arnaud, die Fleury, die Ney, die Vau-
dry spielen da keine Rolle. Wol tritt uns mancher Name unter den gegenwärtigen
Koryphäen entgegen, aber es ist eben nur der Name, und sie verhalten sich zu den
Generalen des Kaiserreichs, wie der Neffe zum Onkel. Ihre Heldenthaten müssen
wir im Processe von Boulogne und Straßburg aufsuchen. Frankreichs Schmach ist
ein Name, und es ist eben der einzige Trost für dieses Land, daß seine Schande
nicht namenlos sei. Deu Hof Louis XI V., die Maitressen Ludwigs XV., die Deca-
dence Ludwigs XVI. durchfliegen wir mit raschen Blicken, wir gehen stumm an
den Bildern der großen Revolution vorüber, der 18. Brumaire entlockt uns ein
bitteres Lächeln, und das Krönungsgemälde Napoleon's, gemalt vom Republikaner
David, gemahnt uns an die Proscription des Bildhauers David (d'Angers) der seine
republikanischen Grundsätze ernster genommen als sein Namensbruder. Das Ge¬
mälde des 18. Brumaire erinnert uns an den Fortschritt, welchen die buonapar-
tistische Kunst seither gemacht. Weil uns das Marengo fehlt, müssen wir zu
Danton's Recept "l'-vaclaeo cle I'-nrÄaeo" unsre Zuflucht nehmen. Man kann
nicht erobern, man stiehlt bei Nacht, man verjagt die Versammlung nicht, man
überfällt sie nächtlich, und steckt in den Sack, was in irgend einer Weise unbequem
werden könnte. Schriftsteller, Künstler, Generale, Staatsmänner, Alles nutz den
neuen Siegern Platz machen, denen Frankreich zu enge wird, und wenn wir den
Fanfaronnaden des neuen buonapartistischen Generalstabes Vertrauen schenken, wird
der Rhein wieder französische Rosse über seine Brücken ziehen sehen. Die Leute
wollen die Komödie ganz durchspielen, so lange sie im Zuge sind, und man geht
so weit, zu behaupten, Louis Buonaparte habe in einem Anfluge guter Laune
den Kaisermantel aus der Kirche von Notredame holen lassen, um im Elhfte
eine Generalprobe abzuhalten. Vive 1'empereurl

Sie sehen, trotz meines guten Vorsatzes, der Politik aus dem Wege gehen
zu wollen, zieht sie mich doch immer wieder in ihren brennenden Kreis. Wie
könnte dem auch anders sein? Je weniger die Presse spricht, je stiller die


mater Herr Horace Vernet, ein seinem neuesten Bilde ,,die Belagerung von Rom"
arbeitet. Dahaben wir den Schlüssel zum Räthsel, Montalembert, Falloux und
der gesammte Klerus von Frankreich predigen für Louis Buonaparte, die Be¬
lagerung von Rom ist seine That und der neue Marsch all von Frankreich Vaillant
wird von Horace Vernet als französischer Hannibal gemalt, während Oudinot, der
eigentliche Held dieses traurigen Drama's, kaum aus dem Gefängnisse gekommen.
General Oudinot hat das Verbrechen begangen, kein Prätorianer sein zu wollen,
er begnügte sich mit dem Stücke Heldenthat in Rom. Die Expedition von Rom
nach außen hin genügte ihm, er folgte der Expedition von Rom nach innen
nicht bis an ihr abenteuerliches Ende; er wurde in den Kerker geworfen mit den
anderen Anarchisten. Da hätten wir es also gefunden, was wir gesucht, denn in
den anderen Sälen ziehen wol die Lamoriciere, die Bedean, die Cavaignac, die
Changarnier, an uns vorüber, die Se. Arnaud, die Fleury, die Ney, die Vau-
dry spielen da keine Rolle. Wol tritt uns mancher Name unter den gegenwärtigen
Koryphäen entgegen, aber es ist eben nur der Name, und sie verhalten sich zu den
Generalen des Kaiserreichs, wie der Neffe zum Onkel. Ihre Heldenthaten müssen
wir im Processe von Boulogne und Straßburg aufsuchen. Frankreichs Schmach ist
ein Name, und es ist eben der einzige Trost für dieses Land, daß seine Schande
nicht namenlos sei. Deu Hof Louis XI V., die Maitressen Ludwigs XV., die Deca-
dence Ludwigs XVI. durchfliegen wir mit raschen Blicken, wir gehen stumm an
den Bildern der großen Revolution vorüber, der 18. Brumaire entlockt uns ein
bitteres Lächeln, und das Krönungsgemälde Napoleon's, gemalt vom Republikaner
David, gemahnt uns an die Proscription des Bildhauers David (d'Angers) der seine
republikanischen Grundsätze ernster genommen als sein Namensbruder. Das Ge¬
mälde des 18. Brumaire erinnert uns an den Fortschritt, welchen die buonapar-
tistische Kunst seither gemacht. Weil uns das Marengo fehlt, müssen wir zu
Danton's Recept „l'-vaclaeo cle I'-nrÄaeo" unsre Zuflucht nehmen. Man kann
nicht erobern, man stiehlt bei Nacht, man verjagt die Versammlung nicht, man
überfällt sie nächtlich, und steckt in den Sack, was in irgend einer Weise unbequem
werden könnte. Schriftsteller, Künstler, Generale, Staatsmänner, Alles nutz den
neuen Siegern Platz machen, denen Frankreich zu enge wird, und wenn wir den
Fanfaronnaden des neuen buonapartistischen Generalstabes Vertrauen schenken, wird
der Rhein wieder französische Rosse über seine Brücken ziehen sehen. Die Leute
wollen die Komödie ganz durchspielen, so lange sie im Zuge sind, und man geht
so weit, zu behaupten, Louis Buonaparte habe in einem Anfluge guter Laune
den Kaisermantel aus der Kirche von Notredame holen lassen, um im Elhfte
eine Generalprobe abzuhalten. Vive 1'empereurl

Sie sehen, trotz meines guten Vorsatzes, der Politik aus dem Wege gehen
zu wollen, zieht sie mich doch immer wieder in ihren brennenden Kreis. Wie
könnte dem auch anders sein? Je weniger die Presse spricht, je stiller die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/82>, abgerufen am 27.05.2024.