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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Stadt verändert und die Gemüthlichkeit mich nach einer andern Richtung hin ge¬
pflegt werden. Zwar sehen die Bäume, die man an die Seite gepflanzt hat,
immer nnr noch wie schüchterne Wünsche ans, aber bei dem unglaublich rüstigen
Fortschreiten Berlins werden diese Gegenden bald einen gehaltener", bestimmtem
Charakter annehmen. Die städtische Verbindungsbahn hat schon einige Male mit
ihrem eisernen Finger an die Stadtmauer geklopft und sich Thore geöffnet, man
wird allmählich für die Erhaltung der Schlacht- und Mahlsteuer sich nach anderen
Mitteln und Wegen umsehen müssen, und wenn die Mauer erst gefallen sein
wird, so zählt Berlin eine Reihe prächtiger und heiterer Straßen mehr. Dem
berüchtigten Stande ist schon ein Terrain nach dem andern abgewonnen; die mit
ihm verbündeten militärischen Uebungen ziehen sich immer weiter zurück; der
Wilhelmsvlätz hat sich in einen anmuthigen Garten verwandelt, und der
ehemalige Exercirplatz entwickelt sich zu einem Gemälde im größten Styl. Das
Kroll'sche Etablissement, das diesen Platz verziert, wäre allein hinreichend, den
weltstädtischen Charakter Berlins auszudrücken. Wenn es schon in seiner frühern
Form gerechte Bewunderung erregte, so ist diese Erinnerung nach dem neuen Auf¬
bau zu etwas Unbedeutenden und Dürftigen herabgesetzt. Diese großartigen
Säle, in denen sich jetzt das muntere Völkchen von Berlin allabendlich versammelt,
zeichnen sich nicht nur durch einen wahrhaft heerartigen Glanz und Reichthum,
sondern auch, was mehr sagen will, durch einen correcten Geschmack aus. Die
Form des Hauses, seine Verzierungen mit einbegriffen, ist durch seine Bestim¬
mung, und durch seine Lage mitten in einem Park indicirt, und die Pracht der
innern Ausrüstung ist so harmonisch geordnet, daß sie nirgend beleidigt. Wenn
Kroll öfters abbrennen und jedesmal in einer neuen höhern Entwickelung aus
der Asche hervorgehen sollte, so werden nächstens den Berlinern die Märchen
aus Tausend und einer Nacht schal und abgeschmackt vorkommen.

Die eigentlichen Verschönerungen Berlins, die in den letzten Jahren unter¬
nommen und von Künstlerhand ausgeführt sind, beschränken sich fast ausschließlich
auf den kleinen Raum, der sich als Kern der Stadt wol immer erhalten wird.
Es sind Ihnen darüber von kundiger Hand von Zeit zu Zeit Berichte zugekom¬
men, die mit anerkennenswerther Pietät das Gute und Bedeutende, das sich in
diesen Unternehmungen so reichlich vorfindet, ans einander setzen. Man darf aber
doch nicht die Kehrseite übersehen. Unzweifelhaft gewährt der Platz vom Schloß
an bis zu den Linden einen malerischen Anblick, der sich selten in einer großen
Stadt wiederfinden wird. Es lag freilich schon früher etwas Bedenkliches in der
Zusammenstellung der entgegengesetztesten Kunstformen, die einzeln auf das Vor¬
trefflichste und zum Theil Großartigste ausgeführt waren, die aber dnrch ihre Zu¬
sammenstellung verwirrten und beunruhigten; indeß konnte man darüber hinweg¬
sehen , da sie in der That zu verschiedenen Zeiten entstanden waren und den
Charakter ihrer Zeit auf eine würdige Weise ausdrückten. Denn auch der antiki-


Stadt verändert und die Gemüthlichkeit mich nach einer andern Richtung hin ge¬
pflegt werden. Zwar sehen die Bäume, die man an die Seite gepflanzt hat,
immer nnr noch wie schüchterne Wünsche ans, aber bei dem unglaublich rüstigen
Fortschreiten Berlins werden diese Gegenden bald einen gehaltener», bestimmtem
Charakter annehmen. Die städtische Verbindungsbahn hat schon einige Male mit
ihrem eisernen Finger an die Stadtmauer geklopft und sich Thore geöffnet, man
wird allmählich für die Erhaltung der Schlacht- und Mahlsteuer sich nach anderen
Mitteln und Wegen umsehen müssen, und wenn die Mauer erst gefallen sein
wird, so zählt Berlin eine Reihe prächtiger und heiterer Straßen mehr. Dem
berüchtigten Stande ist schon ein Terrain nach dem andern abgewonnen; die mit
ihm verbündeten militärischen Uebungen ziehen sich immer weiter zurück; der
Wilhelmsvlätz hat sich in einen anmuthigen Garten verwandelt, und der
ehemalige Exercirplatz entwickelt sich zu einem Gemälde im größten Styl. Das
Kroll'sche Etablissement, das diesen Platz verziert, wäre allein hinreichend, den
weltstädtischen Charakter Berlins auszudrücken. Wenn es schon in seiner frühern
Form gerechte Bewunderung erregte, so ist diese Erinnerung nach dem neuen Auf¬
bau zu etwas Unbedeutenden und Dürftigen herabgesetzt. Diese großartigen
Säle, in denen sich jetzt das muntere Völkchen von Berlin allabendlich versammelt,
zeichnen sich nicht nur durch einen wahrhaft heerartigen Glanz und Reichthum,
sondern auch, was mehr sagen will, durch einen correcten Geschmack aus. Die
Form des Hauses, seine Verzierungen mit einbegriffen, ist durch seine Bestim¬
mung, und durch seine Lage mitten in einem Park indicirt, und die Pracht der
innern Ausrüstung ist so harmonisch geordnet, daß sie nirgend beleidigt. Wenn
Kroll öfters abbrennen und jedesmal in einer neuen höhern Entwickelung aus
der Asche hervorgehen sollte, so werden nächstens den Berlinern die Märchen
aus Tausend und einer Nacht schal und abgeschmackt vorkommen.

Die eigentlichen Verschönerungen Berlins, die in den letzten Jahren unter¬
nommen und von Künstlerhand ausgeführt sind, beschränken sich fast ausschließlich
auf den kleinen Raum, der sich als Kern der Stadt wol immer erhalten wird.
Es sind Ihnen darüber von kundiger Hand von Zeit zu Zeit Berichte zugekom¬
men, die mit anerkennenswerther Pietät das Gute und Bedeutende, das sich in
diesen Unternehmungen so reichlich vorfindet, ans einander setzen. Man darf aber
doch nicht die Kehrseite übersehen. Unzweifelhaft gewährt der Platz vom Schloß
an bis zu den Linden einen malerischen Anblick, der sich selten in einer großen
Stadt wiederfinden wird. Es lag freilich schon früher etwas Bedenkliches in der
Zusammenstellung der entgegengesetztesten Kunstformen, die einzeln auf das Vor¬
trefflichste und zum Theil Großartigste ausgeführt waren, die aber dnrch ihre Zu¬
sammenstellung verwirrten und beunruhigten; indeß konnte man darüber hinweg¬
sehen , da sie in der That zu verschiedenen Zeiten entstanden waren und den
Charakter ihrer Zeit auf eine würdige Weise ausdrückten. Denn auch der antiki-


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[0104] Stadt verändert und die Gemüthlichkeit mich nach einer andern Richtung hin ge¬ pflegt werden. Zwar sehen die Bäume, die man an die Seite gepflanzt hat, immer nnr noch wie schüchterne Wünsche ans, aber bei dem unglaublich rüstigen Fortschreiten Berlins werden diese Gegenden bald einen gehaltener», bestimmtem Charakter annehmen. Die städtische Verbindungsbahn hat schon einige Male mit ihrem eisernen Finger an die Stadtmauer geklopft und sich Thore geöffnet, man wird allmählich für die Erhaltung der Schlacht- und Mahlsteuer sich nach anderen Mitteln und Wegen umsehen müssen, und wenn die Mauer erst gefallen sein wird, so zählt Berlin eine Reihe prächtiger und heiterer Straßen mehr. Dem berüchtigten Stande ist schon ein Terrain nach dem andern abgewonnen; die mit ihm verbündeten militärischen Uebungen ziehen sich immer weiter zurück; der Wilhelmsvlätz hat sich in einen anmuthigen Garten verwandelt, und der ehemalige Exercirplatz entwickelt sich zu einem Gemälde im größten Styl. Das Kroll'sche Etablissement, das diesen Platz verziert, wäre allein hinreichend, den weltstädtischen Charakter Berlins auszudrücken. Wenn es schon in seiner frühern Form gerechte Bewunderung erregte, so ist diese Erinnerung nach dem neuen Auf¬ bau zu etwas Unbedeutenden und Dürftigen herabgesetzt. Diese großartigen Säle, in denen sich jetzt das muntere Völkchen von Berlin allabendlich versammelt, zeichnen sich nicht nur durch einen wahrhaft heerartigen Glanz und Reichthum, sondern auch, was mehr sagen will, durch einen correcten Geschmack aus. Die Form des Hauses, seine Verzierungen mit einbegriffen, ist durch seine Bestim¬ mung, und durch seine Lage mitten in einem Park indicirt, und die Pracht der innern Ausrüstung ist so harmonisch geordnet, daß sie nirgend beleidigt. Wenn Kroll öfters abbrennen und jedesmal in einer neuen höhern Entwickelung aus der Asche hervorgehen sollte, so werden nächstens den Berlinern die Märchen aus Tausend und einer Nacht schal und abgeschmackt vorkommen. Die eigentlichen Verschönerungen Berlins, die in den letzten Jahren unter¬ nommen und von Künstlerhand ausgeführt sind, beschränken sich fast ausschließlich auf den kleinen Raum, der sich als Kern der Stadt wol immer erhalten wird. Es sind Ihnen darüber von kundiger Hand von Zeit zu Zeit Berichte zugekom¬ men, die mit anerkennenswerther Pietät das Gute und Bedeutende, das sich in diesen Unternehmungen so reichlich vorfindet, ans einander setzen. Man darf aber doch nicht die Kehrseite übersehen. Unzweifelhaft gewährt der Platz vom Schloß an bis zu den Linden einen malerischen Anblick, der sich selten in einer großen Stadt wiederfinden wird. Es lag freilich schon früher etwas Bedenkliches in der Zusammenstellung der entgegengesetztesten Kunstformen, die einzeln auf das Vor¬ trefflichste und zum Theil Großartigste ausgeführt waren, die aber dnrch ihre Zu¬ sammenstellung verwirrten und beunruhigten; indeß konnte man darüber hinweg¬ sehen , da sie in der That zu verschiedenen Zeiten entstanden waren und den Charakter ihrer Zeit auf eine würdige Weise ausdrückten. Denn auch der antiki-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/104>, abgerufen am 16.06.2024.