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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Sprache hinausgehen, und wenn wir auch zugeben wollen, daß in unsren Gesell¬
schaften kein besonders feiner Ton, oder eigentlich gar kein Ton herrscht, so ist
doch immer noch mehr Bildung darin, als man uach Bcnedix' Lustspielen schließen
sollte. Das hat einen doppelten Nachtheil. Einmal verkümmert es bereits im
gegcttwa'rtigeu Augenblick die Wirkung der vortrefflichsten Erfindungen, wie z. B.
eben in der Hochzeitreisc, wo. der Einfall ganz charmant ist, wo aber die Plump¬
heit und Dürftigkeit der Sprache alles Maß überschreitet -- was freilich für das
gewöhnliche Publicum wol ganz bequem sein mag --; sodann wird es seinem
spätern Ruf schaden, denn sobald in Deutschland ein Lustspieldichter auftritt, der
Feinheit und Eleganz der Form mit erträglicher Erfindung verbindet, ist Benedix
absolut vergessen, wie Kotzebue und Jffland vergessen sind. Denn wir mögen
uns jetzt in die Verdienste dieser Männer hinein reflectiren, so viel wir wollen,
lesen oder scheu kann man ihre Stücke doch kaum mehr, obgleich der eine an
Reichthum der Einfälle, der andere an Solidität der Komposition unsre heutigen
Dichter bei weitem übertrifft, aber diese Sprache kaun kein Mensch mehr er¬
tragen, und es wäre zu bedauern, wenn Beuedix diesem Schicksale gleichfalls ver¬
siele, was bei ihm schneller eintreten würde, denn das Mißverhältnis) zwischen
dem Ton der Gesellschaft und dem Ton des Lustspiels ist heute viel größer, als
zu den Zeiten Kotzebue's.




Der Herzog von Wellington.
i.

Selten sind ausnehmende Verdienste von ansdauerudcrem Glücke begleitet
worden, als .beim Herzog von Wellington. Kaum in das Mannesalter einge¬
treten, vernichtet er die gefährlichsten Feinde der englischen Macht in Ostindien,
wendet dann sein nur im Kampfe gegen Halbbarbaren geübtes Schwert gegen
das gefürchtetste Heer Europa's, besiegt in sieben ruhmreichen Feldzügen uach der
Reihe die besten MarsclMe des Kaisers, und schlägt endlich, 46 Jahr alt, den
ersten Feldherrn und Kriegsfürsten der neuern Zeit in einer Schlacht, die der
Herrschaft desselben nach kurzem Wiederaufleben aus immer ein Ende macht.
Nachdem er für Europa so ausgezeichnete Thaten verrichtet, häugt er sein Schwert
ruhig über seinem Herde auf, und leistet seinem Vaterlande nun im Frieden uicht
minder ruhmwürdige Dienste. Obgleich ein Kind der alten Zeit, deren Einrich¬
tungen seinem Herzen theuer geworden, säumt er doch nicht, den Forderungen
der neuen Zeit nachzugeben, und zwar aufrichtig und mit voller Hand nachzugeben,
wenn sein klarer Blick ihm die Nothwendigkeit zeigt, denn er hat nie sich, nie


Sprache hinausgehen, und wenn wir auch zugeben wollen, daß in unsren Gesell¬
schaften kein besonders feiner Ton, oder eigentlich gar kein Ton herrscht, so ist
doch immer noch mehr Bildung darin, als man uach Bcnedix' Lustspielen schließen
sollte. Das hat einen doppelten Nachtheil. Einmal verkümmert es bereits im
gegcttwa'rtigeu Augenblick die Wirkung der vortrefflichsten Erfindungen, wie z. B.
eben in der Hochzeitreisc, wo. der Einfall ganz charmant ist, wo aber die Plump¬
heit und Dürftigkeit der Sprache alles Maß überschreitet — was freilich für das
gewöhnliche Publicum wol ganz bequem sein mag —; sodann wird es seinem
spätern Ruf schaden, denn sobald in Deutschland ein Lustspieldichter auftritt, der
Feinheit und Eleganz der Form mit erträglicher Erfindung verbindet, ist Benedix
absolut vergessen, wie Kotzebue und Jffland vergessen sind. Denn wir mögen
uns jetzt in die Verdienste dieser Männer hinein reflectiren, so viel wir wollen,
lesen oder scheu kann man ihre Stücke doch kaum mehr, obgleich der eine an
Reichthum der Einfälle, der andere an Solidität der Komposition unsre heutigen
Dichter bei weitem übertrifft, aber diese Sprache kaun kein Mensch mehr er¬
tragen, und es wäre zu bedauern, wenn Beuedix diesem Schicksale gleichfalls ver¬
siele, was bei ihm schneller eintreten würde, denn das Mißverhältnis) zwischen
dem Ton der Gesellschaft und dem Ton des Lustspiels ist heute viel größer, als
zu den Zeiten Kotzebue's.




Der Herzog von Wellington.
i.

Selten sind ausnehmende Verdienste von ansdauerudcrem Glücke begleitet
worden, als .beim Herzog von Wellington. Kaum in das Mannesalter einge¬
treten, vernichtet er die gefährlichsten Feinde der englischen Macht in Ostindien,
wendet dann sein nur im Kampfe gegen Halbbarbaren geübtes Schwert gegen
das gefürchtetste Heer Europa's, besiegt in sieben ruhmreichen Feldzügen uach der
Reihe die besten MarsclMe des Kaisers, und schlägt endlich, 46 Jahr alt, den
ersten Feldherrn und Kriegsfürsten der neuern Zeit in einer Schlacht, die der
Herrschaft desselben nach kurzem Wiederaufleben aus immer ein Ende macht.
Nachdem er für Europa so ausgezeichnete Thaten verrichtet, häugt er sein Schwert
ruhig über seinem Herde auf, und leistet seinem Vaterlande nun im Frieden uicht
minder ruhmwürdige Dienste. Obgleich ein Kind der alten Zeit, deren Einrich¬
tungen seinem Herzen theuer geworden, säumt er doch nicht, den Forderungen
der neuen Zeit nachzugeben, und zwar aufrichtig und mit voller Hand nachzugeben,
wenn sein klarer Blick ihm die Nothwendigkeit zeigt, denn er hat nie sich, nie


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[0148] Sprache hinausgehen, und wenn wir auch zugeben wollen, daß in unsren Gesell¬ schaften kein besonders feiner Ton, oder eigentlich gar kein Ton herrscht, so ist doch immer noch mehr Bildung darin, als man uach Bcnedix' Lustspielen schließen sollte. Das hat einen doppelten Nachtheil. Einmal verkümmert es bereits im gegcttwa'rtigeu Augenblick die Wirkung der vortrefflichsten Erfindungen, wie z. B. eben in der Hochzeitreisc, wo. der Einfall ganz charmant ist, wo aber die Plump¬ heit und Dürftigkeit der Sprache alles Maß überschreitet — was freilich für das gewöhnliche Publicum wol ganz bequem sein mag —; sodann wird es seinem spätern Ruf schaden, denn sobald in Deutschland ein Lustspieldichter auftritt, der Feinheit und Eleganz der Form mit erträglicher Erfindung verbindet, ist Benedix absolut vergessen, wie Kotzebue und Jffland vergessen sind. Denn wir mögen uns jetzt in die Verdienste dieser Männer hinein reflectiren, so viel wir wollen, lesen oder scheu kann man ihre Stücke doch kaum mehr, obgleich der eine an Reichthum der Einfälle, der andere an Solidität der Komposition unsre heutigen Dichter bei weitem übertrifft, aber diese Sprache kaun kein Mensch mehr er¬ tragen, und es wäre zu bedauern, wenn Beuedix diesem Schicksale gleichfalls ver¬ siele, was bei ihm schneller eintreten würde, denn das Mißverhältnis) zwischen dem Ton der Gesellschaft und dem Ton des Lustspiels ist heute viel größer, als zu den Zeiten Kotzebue's. Der Herzog von Wellington. i. Selten sind ausnehmende Verdienste von ansdauerudcrem Glücke begleitet worden, als .beim Herzog von Wellington. Kaum in das Mannesalter einge¬ treten, vernichtet er die gefährlichsten Feinde der englischen Macht in Ostindien, wendet dann sein nur im Kampfe gegen Halbbarbaren geübtes Schwert gegen das gefürchtetste Heer Europa's, besiegt in sieben ruhmreichen Feldzügen uach der Reihe die besten MarsclMe des Kaisers, und schlägt endlich, 46 Jahr alt, den ersten Feldherrn und Kriegsfürsten der neuern Zeit in einer Schlacht, die der Herrschaft desselben nach kurzem Wiederaufleben aus immer ein Ende macht. Nachdem er für Europa so ausgezeichnete Thaten verrichtet, häugt er sein Schwert ruhig über seinem Herde auf, und leistet seinem Vaterlande nun im Frieden uicht minder ruhmwürdige Dienste. Obgleich ein Kind der alten Zeit, deren Einrich¬ tungen seinem Herzen theuer geworden, säumt er doch nicht, den Forderungen der neuen Zeit nachzugeben, und zwar aufrichtig und mit voller Hand nachzugeben, wenn sein klarer Blick ihm die Nothwendigkeit zeigt, denn er hat nie sich, nie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/148>, abgerufen am 15.06.2024.