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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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in der Farbe manche Töne harmonischer und graciöser; es sind im Fleisch manche
graue Töne durchgehend, die meist vortrefflich wirken, bisweilen aber doch heraus¬
fallen, und nicht in der Harmonie des Kolorits aufgehn. Diese Bedingung wäre
zur Vollkommenheit des Kolorits zu erfüllen, eine Vollkommenheit, wie sie z. B.
Titian und Paul Veronese erreicht haben.

Dies waren die Mängel, deren Beseitigung wir von einem so großen Künstler, -
wie Gallait, wünschten, um so mehr, da wir glauben, daß sie nicht in seinem Un¬
vermögen, sondern in einer zu sehr auf bloße Wahrheit und Lebendigkeit gerich¬
teten Absicht liege, welche der Schönheit höchstens den zweiten Preis ertheilt,
da er durch Ausdruck in Geberden, Formen, Farben seinen Bildern den
Stempel echter Kunstwerke aufdrückt.

Kolbe, Schlacht bei Antiochia. Der gewaltige Barbarossa
schreckt selbst im Tode noch die Feinde; seine Leiche, von den Fürsten
in die Schlacht getragen, entscheidet den Sieg. Der Gegenstand
scheint gewaltiger cvncipirt zu sein, als er dargestellt ist. Es ist ein gewisser
Zug in manchen Figuren, der aber nicht alle gleich durchweht; wir finden ihn
mehr in der den Trauerzug anführenden Geistlichkeit, als in den geleitenden Fürsten;
, war es die Absicht des Künstlers, sie nicht so leidenschaftlich, mehr in gehaltener
Würde erscheinen zu lassen, so mußte in diesen Mienen mehr tief verhaltener
Schmerz, mehr innere Begeisterung sprechen, die still gelobt, dem Beispiele des
gewaltigen Kaisers zu folgen, seiner.Größe nachzueifern, seinen Willen auszuführen.
Sie erscheinen diesem großen Moment gegenüber verhältnißmäßig gleichgiltig.

Daß Barbarossa die Feinde schreckt (wie der Titel des Bildes besagt), ist
übrigens nicht genügend ausgesprochen, wir mußten in Nebengruppen deutlicher
erkennen, wie sich die Schlacht zum Siege wendet. Unerkennbare Gruppen in
fernster Ferne konnten dies eben so wenig aussprechen, als ein einzelner Mohr,
dem ein, den Trauerzug mitanführender Mönch das siegende Kreuz entgegenhält,
und der sich scheu zurückzieht. Uebrigens ist der Mohr, der in solcher Ruhe des
Feindes einen befreundeten Leichnam fortschleppt, uumotivirt, (er hat etwas von
einer Coulisse) und der Mönch mit dem Krenz ist unschön, mehr fanatisch, als
begeistert. Außer jenem Wunsche, daß die Wendung zum Siege in einigen Neben¬
gruppen ausgesprochen wäre, möchten wir anch die Hauptgruppe, den eigentlichen
Trauerzug bedeutender und geradezu (wie wenig wir sonst für Anhäufung von
Figuren sind) fignrenreicher. An Erfindung von Motiven hatte es jenem so tüch¬
tigen Künstler, wie Kolbe, nie gefehlt; es mußten wenigstens mehr Figuren an¬
gedeutet und die vorhandenen massiver gruppirt werden; der Zug sieht für Bar¬
barossa etwas dürstig aus. Die Ausführung hat viel Rohes, aber dabei ist Etwas
von Mark und Charakter in dem Bilde, das wir manchem sonst besser ausge¬
führten wünschten. ^

De Biefve. Der Herzog v. Alba in Brüssel, im Jahre 1S68. Der Herzog


in der Farbe manche Töne harmonischer und graciöser; es sind im Fleisch manche
graue Töne durchgehend, die meist vortrefflich wirken, bisweilen aber doch heraus¬
fallen, und nicht in der Harmonie des Kolorits aufgehn. Diese Bedingung wäre
zur Vollkommenheit des Kolorits zu erfüllen, eine Vollkommenheit, wie sie z. B.
Titian und Paul Veronese erreicht haben.

Dies waren die Mängel, deren Beseitigung wir von einem so großen Künstler, -
wie Gallait, wünschten, um so mehr, da wir glauben, daß sie nicht in seinem Un¬
vermögen, sondern in einer zu sehr auf bloße Wahrheit und Lebendigkeit gerich¬
teten Absicht liege, welche der Schönheit höchstens den zweiten Preis ertheilt,
da er durch Ausdruck in Geberden, Formen, Farben seinen Bildern den
Stempel echter Kunstwerke aufdrückt.

Kolbe, Schlacht bei Antiochia. Der gewaltige Barbarossa
schreckt selbst im Tode noch die Feinde; seine Leiche, von den Fürsten
in die Schlacht getragen, entscheidet den Sieg. Der Gegenstand
scheint gewaltiger cvncipirt zu sein, als er dargestellt ist. Es ist ein gewisser
Zug in manchen Figuren, der aber nicht alle gleich durchweht; wir finden ihn
mehr in der den Trauerzug anführenden Geistlichkeit, als in den geleitenden Fürsten;
, war es die Absicht des Künstlers, sie nicht so leidenschaftlich, mehr in gehaltener
Würde erscheinen zu lassen, so mußte in diesen Mienen mehr tief verhaltener
Schmerz, mehr innere Begeisterung sprechen, die still gelobt, dem Beispiele des
gewaltigen Kaisers zu folgen, seiner.Größe nachzueifern, seinen Willen auszuführen.
Sie erscheinen diesem großen Moment gegenüber verhältnißmäßig gleichgiltig.

Daß Barbarossa die Feinde schreckt (wie der Titel des Bildes besagt), ist
übrigens nicht genügend ausgesprochen, wir mußten in Nebengruppen deutlicher
erkennen, wie sich die Schlacht zum Siege wendet. Unerkennbare Gruppen in
fernster Ferne konnten dies eben so wenig aussprechen, als ein einzelner Mohr,
dem ein, den Trauerzug mitanführender Mönch das siegende Kreuz entgegenhält,
und der sich scheu zurückzieht. Uebrigens ist der Mohr, der in solcher Ruhe des
Feindes einen befreundeten Leichnam fortschleppt, uumotivirt, (er hat etwas von
einer Coulisse) und der Mönch mit dem Krenz ist unschön, mehr fanatisch, als
begeistert. Außer jenem Wunsche, daß die Wendung zum Siege in einigen Neben¬
gruppen ausgesprochen wäre, möchten wir anch die Hauptgruppe, den eigentlichen
Trauerzug bedeutender und geradezu (wie wenig wir sonst für Anhäufung von
Figuren sind) fignrenreicher. An Erfindung von Motiven hatte es jenem so tüch¬
tigen Künstler, wie Kolbe, nie gefehlt; es mußten wenigstens mehr Figuren an¬
gedeutet und die vorhandenen massiver gruppirt werden; der Zug sieht für Bar¬
barossa etwas dürstig aus. Die Ausführung hat viel Rohes, aber dabei ist Etwas
von Mark und Charakter in dem Bilde, das wir manchem sonst besser ausge¬
führten wünschten. ^

De Biefve. Der Herzog v. Alba in Brüssel, im Jahre 1S68. Der Herzog


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[0184] in der Farbe manche Töne harmonischer und graciöser; es sind im Fleisch manche graue Töne durchgehend, die meist vortrefflich wirken, bisweilen aber doch heraus¬ fallen, und nicht in der Harmonie des Kolorits aufgehn. Diese Bedingung wäre zur Vollkommenheit des Kolorits zu erfüllen, eine Vollkommenheit, wie sie z. B. Titian und Paul Veronese erreicht haben. Dies waren die Mängel, deren Beseitigung wir von einem so großen Künstler, - wie Gallait, wünschten, um so mehr, da wir glauben, daß sie nicht in seinem Un¬ vermögen, sondern in einer zu sehr auf bloße Wahrheit und Lebendigkeit gerich¬ teten Absicht liege, welche der Schönheit höchstens den zweiten Preis ertheilt, da er durch Ausdruck in Geberden, Formen, Farben seinen Bildern den Stempel echter Kunstwerke aufdrückt. Kolbe, Schlacht bei Antiochia. Der gewaltige Barbarossa schreckt selbst im Tode noch die Feinde; seine Leiche, von den Fürsten in die Schlacht getragen, entscheidet den Sieg. Der Gegenstand scheint gewaltiger cvncipirt zu sein, als er dargestellt ist. Es ist ein gewisser Zug in manchen Figuren, der aber nicht alle gleich durchweht; wir finden ihn mehr in der den Trauerzug anführenden Geistlichkeit, als in den geleitenden Fürsten; , war es die Absicht des Künstlers, sie nicht so leidenschaftlich, mehr in gehaltener Würde erscheinen zu lassen, so mußte in diesen Mienen mehr tief verhaltener Schmerz, mehr innere Begeisterung sprechen, die still gelobt, dem Beispiele des gewaltigen Kaisers zu folgen, seiner.Größe nachzueifern, seinen Willen auszuführen. Sie erscheinen diesem großen Moment gegenüber verhältnißmäßig gleichgiltig. Daß Barbarossa die Feinde schreckt (wie der Titel des Bildes besagt), ist übrigens nicht genügend ausgesprochen, wir mußten in Nebengruppen deutlicher erkennen, wie sich die Schlacht zum Siege wendet. Unerkennbare Gruppen in fernster Ferne konnten dies eben so wenig aussprechen, als ein einzelner Mohr, dem ein, den Trauerzug mitanführender Mönch das siegende Kreuz entgegenhält, und der sich scheu zurückzieht. Uebrigens ist der Mohr, der in solcher Ruhe des Feindes einen befreundeten Leichnam fortschleppt, uumotivirt, (er hat etwas von einer Coulisse) und der Mönch mit dem Krenz ist unschön, mehr fanatisch, als begeistert. Außer jenem Wunsche, daß die Wendung zum Siege in einigen Neben¬ gruppen ausgesprochen wäre, möchten wir anch die Hauptgruppe, den eigentlichen Trauerzug bedeutender und geradezu (wie wenig wir sonst für Anhäufung von Figuren sind) fignrenreicher. An Erfindung von Motiven hatte es jenem so tüch¬ tigen Künstler, wie Kolbe, nie gefehlt; es mußten wenigstens mehr Figuren an¬ gedeutet und die vorhandenen massiver gruppirt werden; der Zug sieht für Bar¬ barossa etwas dürstig aus. Die Ausführung hat viel Rohes, aber dabei ist Etwas von Mark und Charakter in dem Bilde, das wir manchem sonst besser ausge¬ führten wünschten. ^ De Biefve. Der Herzog v. Alba in Brüssel, im Jahre 1S68. Der Herzog

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/184>, abgerufen am 16.06.2024.