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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Elegantes, das nicht gerade angenehm ausfällt, um so weniger, da es ans das
Kolorit, ja selbst ans die Zeichnung iufluirt. Man sieht, de Keyser kann vor¬
trefflich zeichnen (so sind z. B. die Hände des Cvlnml'us außerordentlich schön
gemacht); man sieht, er hat die Befähigung zum Coloristen und überhaupt zu
dem, was mau eigentlich "malen" nennt. Aber jenes Streben nach Eleganz hebt
jene Vorzüge zum Theil auf. Es geht etwas Weichliches durch dieses Bild, eS
fehlt Energie und Charakter. --

Witcamv in Antwerpen, Scene aus dem Vlämschcn Gedicht: "die
Geusen" von G. Tollens, 3. Gesang. Das Gedicht ist uns nicht bekannt, das
den Vorwurf lieferte. -- Der Vorgang spricht sich ungefähr, wenn auch nicht in
allem Detail, recht deutlich aus. Es scheint, daß ein Führer der Geusen gefal¬
len: eine Leiche liegt ziemlich mitten im Bilde als Hauptfigur am Boden, über
ihm ein Geistlicher, der eine Leichenrede hält, welche die versammelten Führer
und Krieger zugleich zu weiteren Kampfe anfeuern soll. Es ist manche charak¬
teristische Figur in dem Bilde, es fehlt ihnen auch nicht an Leben; doch sind sie
mehr neben einander gestellt, als durch innere Nothwendigkeit verbunden, sie sind
mehr einzeln erfunden, als aus dem Ganzen herausgeschaffen. Zu einer der am
besten concipirten Figuren gehört der oben erwähnte Geistliche, der freilich in der
Ausführung manchen anderen nachsteht. Was das Bild beachtenswert!) macht, ist
das höchst energische Colorit; dabei ist es tüchtig und ohne Coquetterie gemalt.
Eine zu sehr aufs Charakteristische gerichtete Absicht, welche die Aesthetik ver¬
nachlässigt, macht sich namentlich geltend in der blauen Farbe des gefallenen Füh¬
rers, die geradezu ekelhaft ist; dabei ist sie nicht einmal wahr, ein Todter sieht
bleich, aber nicht blau aus. Freilich ist er nicht so weit gegangen, als Belle¬
mann, der dem nur sterbenden Bischof Remuclius blane Wangen malt.
Dieses Bild sei überhaupt nur als ein schlechter Repräsentant der belgischen
Schule erwähnt, so auch C vom ans in Brüssel, der den letzten Angriff Attila's
auf die vereinigten Westgothen und Römer in der Schlacht bei Chälons malt.
Er ist so klug, in den Katalog eine Menge historischer Notizen zu setzen und die
Namen der mitkämpfenden Fürsten und Führer zu nennen; denn aus dem Bilde
sieht mau Nichts davon, nur ein wüstes, unsinniges Durcheinander. Im Vorder¬
grunde sieht man bei näherer Betrachtung ein Paar einzelne Leute sich zu ihrem
Privatvergnügen herumschlagen, ein Pferd mit einer Lanzenspitze in der Seite
ans einigen Leichen spazieren gehen und dergleichen Blödsinn mehr. Daß aber
Herr Coomans dazu gesetzt (wenn er es selbst gethan): "Auf dieselbe Schlacht
bezieht sich Kaulbach's berühmter Carton" (nämlich die Hnnnenfthlacht), war nicht
klug. -- Noch erwähnen wir schließlich eines zum Theil verdienstvollen belgischen
Bildes von Somers, König Carl I. von England wird im Gefängniß kurz vor
seiner Hinrichtung von seiner Familie besucht; bei dem Eintritte derselben weckt
her Gefängnißwärter den von Erschöpfung eingeschlummerten König. Namentlich


Elegantes, das nicht gerade angenehm ausfällt, um so weniger, da es ans das
Kolorit, ja selbst ans die Zeichnung iufluirt. Man sieht, de Keyser kann vor¬
trefflich zeichnen (so sind z. B. die Hände des Cvlnml'us außerordentlich schön
gemacht); man sieht, er hat die Befähigung zum Coloristen und überhaupt zu
dem, was mau eigentlich „malen" nennt. Aber jenes Streben nach Eleganz hebt
jene Vorzüge zum Theil auf. Es geht etwas Weichliches durch dieses Bild, eS
fehlt Energie und Charakter. —

Witcamv in Antwerpen, Scene aus dem Vlämschcn Gedicht: „die
Geusen" von G. Tollens, 3. Gesang. Das Gedicht ist uns nicht bekannt, das
den Vorwurf lieferte. — Der Vorgang spricht sich ungefähr, wenn auch nicht in
allem Detail, recht deutlich aus. Es scheint, daß ein Führer der Geusen gefal¬
len: eine Leiche liegt ziemlich mitten im Bilde als Hauptfigur am Boden, über
ihm ein Geistlicher, der eine Leichenrede hält, welche die versammelten Führer
und Krieger zugleich zu weiteren Kampfe anfeuern soll. Es ist manche charak¬
teristische Figur in dem Bilde, es fehlt ihnen auch nicht an Leben; doch sind sie
mehr neben einander gestellt, als durch innere Nothwendigkeit verbunden, sie sind
mehr einzeln erfunden, als aus dem Ganzen herausgeschaffen. Zu einer der am
besten concipirten Figuren gehört der oben erwähnte Geistliche, der freilich in der
Ausführung manchen anderen nachsteht. Was das Bild beachtenswert!) macht, ist
das höchst energische Colorit; dabei ist es tüchtig und ohne Coquetterie gemalt.
Eine zu sehr aufs Charakteristische gerichtete Absicht, welche die Aesthetik ver¬
nachlässigt, macht sich namentlich geltend in der blauen Farbe des gefallenen Füh¬
rers, die geradezu ekelhaft ist; dabei ist sie nicht einmal wahr, ein Todter sieht
bleich, aber nicht blau aus. Freilich ist er nicht so weit gegangen, als Belle¬
mann, der dem nur sterbenden Bischof Remuclius blane Wangen malt.
Dieses Bild sei überhaupt nur als ein schlechter Repräsentant der belgischen
Schule erwähnt, so auch C vom ans in Brüssel, der den letzten Angriff Attila's
auf die vereinigten Westgothen und Römer in der Schlacht bei Chälons malt.
Er ist so klug, in den Katalog eine Menge historischer Notizen zu setzen und die
Namen der mitkämpfenden Fürsten und Führer zu nennen; denn aus dem Bilde
sieht mau Nichts davon, nur ein wüstes, unsinniges Durcheinander. Im Vorder¬
grunde sieht man bei näherer Betrachtung ein Paar einzelne Leute sich zu ihrem
Privatvergnügen herumschlagen, ein Pferd mit einer Lanzenspitze in der Seite
ans einigen Leichen spazieren gehen und dergleichen Blödsinn mehr. Daß aber
Herr Coomans dazu gesetzt (wenn er es selbst gethan): „Auf dieselbe Schlacht
bezieht sich Kaulbach's berühmter Carton" (nämlich die Hnnnenfthlacht), war nicht
klug. — Noch erwähnen wir schließlich eines zum Theil verdienstvollen belgischen
Bildes von Somers, König Carl I. von England wird im Gefängniß kurz vor
seiner Hinrichtung von seiner Familie besucht; bei dem Eintritte derselben weckt
her Gefängnißwärter den von Erschöpfung eingeschlummerten König. Namentlich


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[0186] Elegantes, das nicht gerade angenehm ausfällt, um so weniger, da es ans das Kolorit, ja selbst ans die Zeichnung iufluirt. Man sieht, de Keyser kann vor¬ trefflich zeichnen (so sind z. B. die Hände des Cvlnml'us außerordentlich schön gemacht); man sieht, er hat die Befähigung zum Coloristen und überhaupt zu dem, was mau eigentlich „malen" nennt. Aber jenes Streben nach Eleganz hebt jene Vorzüge zum Theil auf. Es geht etwas Weichliches durch dieses Bild, eS fehlt Energie und Charakter. — Witcamv in Antwerpen, Scene aus dem Vlämschcn Gedicht: „die Geusen" von G. Tollens, 3. Gesang. Das Gedicht ist uns nicht bekannt, das den Vorwurf lieferte. — Der Vorgang spricht sich ungefähr, wenn auch nicht in allem Detail, recht deutlich aus. Es scheint, daß ein Führer der Geusen gefal¬ len: eine Leiche liegt ziemlich mitten im Bilde als Hauptfigur am Boden, über ihm ein Geistlicher, der eine Leichenrede hält, welche die versammelten Führer und Krieger zugleich zu weiteren Kampfe anfeuern soll. Es ist manche charak¬ teristische Figur in dem Bilde, es fehlt ihnen auch nicht an Leben; doch sind sie mehr neben einander gestellt, als durch innere Nothwendigkeit verbunden, sie sind mehr einzeln erfunden, als aus dem Ganzen herausgeschaffen. Zu einer der am besten concipirten Figuren gehört der oben erwähnte Geistliche, der freilich in der Ausführung manchen anderen nachsteht. Was das Bild beachtenswert!) macht, ist das höchst energische Colorit; dabei ist es tüchtig und ohne Coquetterie gemalt. Eine zu sehr aufs Charakteristische gerichtete Absicht, welche die Aesthetik ver¬ nachlässigt, macht sich namentlich geltend in der blauen Farbe des gefallenen Füh¬ rers, die geradezu ekelhaft ist; dabei ist sie nicht einmal wahr, ein Todter sieht bleich, aber nicht blau aus. Freilich ist er nicht so weit gegangen, als Belle¬ mann, der dem nur sterbenden Bischof Remuclius blane Wangen malt. Dieses Bild sei überhaupt nur als ein schlechter Repräsentant der belgischen Schule erwähnt, so auch C vom ans in Brüssel, der den letzten Angriff Attila's auf die vereinigten Westgothen und Römer in der Schlacht bei Chälons malt. Er ist so klug, in den Katalog eine Menge historischer Notizen zu setzen und die Namen der mitkämpfenden Fürsten und Führer zu nennen; denn aus dem Bilde sieht mau Nichts davon, nur ein wüstes, unsinniges Durcheinander. Im Vorder¬ grunde sieht man bei näherer Betrachtung ein Paar einzelne Leute sich zu ihrem Privatvergnügen herumschlagen, ein Pferd mit einer Lanzenspitze in der Seite ans einigen Leichen spazieren gehen und dergleichen Blödsinn mehr. Daß aber Herr Coomans dazu gesetzt (wenn er es selbst gethan): „Auf dieselbe Schlacht bezieht sich Kaulbach's berühmter Carton" (nämlich die Hnnnenfthlacht), war nicht klug. — Noch erwähnen wir schließlich eines zum Theil verdienstvollen belgischen Bildes von Somers, König Carl I. von England wird im Gefängniß kurz vor seiner Hinrichtung von seiner Familie besucht; bei dem Eintritte derselben weckt her Gefängnißwärter den von Erschöpfung eingeschlummerten König. Namentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/186>, abgerufen am 15.06.2024.