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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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sogar zwei Mordversuche auf ihn gemacht. Napoleon war niedrig genug, den
Urheber des einen derselben, Cantillon, in seinem Testamente zu bedenken. Nach
der Räumung Frankreichs wohnte der Herzog als Bevollmächtigter Englands dem
Congreß von Verona bei, wo die Propaganda des Absolutismus durch den Be¬
schluß, in Spanien zu Gunsten Ferdinand's VII. zu interveuircn, zuerst eine
active Haltung annahm. Die englische Opposition griff damals Wellington mit
großer Heftigkeit an, weil er entweder diese Verletzung nationaler Unabhängigkeit
thätig unterstützt, oder ihr unthätig zugesehen habe, aber er bewies, daß er seinen
ihm von Canning gegebenen Jnstructionen streng nachgekommen sei und von der
Intervention abgerathen habe. Mit dem Congreß von Verona schloß seine di¬
plomatische Laufbahn, auf der er, dem systematischen Absolutismus der Continen-
taldiplomatie gegenüber, als kluger praktischer Politiker stets zur Mäßigung und
zur Berücksichtigung der gerechten Wünsche der Völker rieth, weil nur auf diese
Weise die Ordnung dauernd zu erhalten sei.

'.In England, wo der Zündstoff nicht minder reichlich aufgehäuft lag, war der
Kampf der Parteien nicht weniger lebhaft als aus dem Festlande. Obgleich der
Zustand des Landes gebieterisch Reformen forderte, kannte doch das Toryministe-
riiim nnr eine reine ReprcsfiUolitik. Während die Verbreitung politischer Bil¬
dung und die immer stärker werdende Ueberzeugung, schlecht regiert zu werden,
neue Ideen im Volke gähren machte, war die Politik des Cabinets noch ganz
wie vor zwanzig Jahren auf das Princip entschiedensten Widerstandes und strenger
Härte gegründet. Die natürliche Folge davon war, daß das Volk, alles Ver¬
trauen in die Regierung verlierend, arglistigen Demagogen zur Beute fiel, und
sich zu chimärischen Aufstandsplänen und offener Gewaltthat verleiten ließ, denen
die Negierung mit Militairgewalt und mit dem Galgen begegnete. Der Herzog
vou Wellington, der als Feldzeugmeister Mitglied des Liverpool'schen Cabinets
war, trug seinen vollen Antheil an der Uupopularität des Cabinets, denn man
wußte, daß er der alten Toryschule angehörte, und sein Charakter als Militair
vermehrte nnr den Verdacht, daß er die Gewaltmaßregeln der Regierung dnrch
seine Billigung begünstige. Dennoch war er gerade dazu bestimmt, deu Ueber-
gang zu veränderten politische" Zuständen anzubahnen.

Der Eintritt Canning's und Huskisson's in das Cabinet hatte den unbe¬
dingten Toryismus desselben schon mit einer liberalem Beimischung modificirt,
und als Canning 1822 Staatssecretair des Auswärtigen wurde, sagte sich Eng¬
land allmählich ganz von der absolutistische" Solidarität der Continentalhvfe los.
Aber Lord Liverpool und Lord Eldon prägten doch der ganzen Politik des Ca¬
binets eine vorwiegend antiliberale und bigotprotestantische Tendenz auf. Eine
die Zeichen der Zeit sorgsam beobachtende, der Ueberzeugung zugängliche, obgleich
noch keineswegs zu Reformen entschlossene Gruppe bildete der Herzog von Wel¬
lington und Mr. Peel, der spätere Sir Robert Peel. Lord Liverpool's plötz-


sogar zwei Mordversuche auf ihn gemacht. Napoleon war niedrig genug, den
Urheber des einen derselben, Cantillon, in seinem Testamente zu bedenken. Nach
der Räumung Frankreichs wohnte der Herzog als Bevollmächtigter Englands dem
Congreß von Verona bei, wo die Propaganda des Absolutismus durch den Be¬
schluß, in Spanien zu Gunsten Ferdinand's VII. zu interveuircn, zuerst eine
active Haltung annahm. Die englische Opposition griff damals Wellington mit
großer Heftigkeit an, weil er entweder diese Verletzung nationaler Unabhängigkeit
thätig unterstützt, oder ihr unthätig zugesehen habe, aber er bewies, daß er seinen
ihm von Canning gegebenen Jnstructionen streng nachgekommen sei und von der
Intervention abgerathen habe. Mit dem Congreß von Verona schloß seine di¬
plomatische Laufbahn, auf der er, dem systematischen Absolutismus der Continen-
taldiplomatie gegenüber, als kluger praktischer Politiker stets zur Mäßigung und
zur Berücksichtigung der gerechten Wünsche der Völker rieth, weil nur auf diese
Weise die Ordnung dauernd zu erhalten sei.

'.In England, wo der Zündstoff nicht minder reichlich aufgehäuft lag, war der
Kampf der Parteien nicht weniger lebhaft als aus dem Festlande. Obgleich der
Zustand des Landes gebieterisch Reformen forderte, kannte doch das Toryministe-
riiim nnr eine reine ReprcsfiUolitik. Während die Verbreitung politischer Bil¬
dung und die immer stärker werdende Ueberzeugung, schlecht regiert zu werden,
neue Ideen im Volke gähren machte, war die Politik des Cabinets noch ganz
wie vor zwanzig Jahren auf das Princip entschiedensten Widerstandes und strenger
Härte gegründet. Die natürliche Folge davon war, daß das Volk, alles Ver¬
trauen in die Regierung verlierend, arglistigen Demagogen zur Beute fiel, und
sich zu chimärischen Aufstandsplänen und offener Gewaltthat verleiten ließ, denen
die Negierung mit Militairgewalt und mit dem Galgen begegnete. Der Herzog
vou Wellington, der als Feldzeugmeister Mitglied des Liverpool'schen Cabinets
war, trug seinen vollen Antheil an der Uupopularität des Cabinets, denn man
wußte, daß er der alten Toryschule angehörte, und sein Charakter als Militair
vermehrte nnr den Verdacht, daß er die Gewaltmaßregeln der Regierung dnrch
seine Billigung begünstige. Dennoch war er gerade dazu bestimmt, deu Ueber-
gang zu veränderten politische» Zuständen anzubahnen.

Der Eintritt Canning's und Huskisson's in das Cabinet hatte den unbe¬
dingten Toryismus desselben schon mit einer liberalem Beimischung modificirt,
und als Canning 1822 Staatssecretair des Auswärtigen wurde, sagte sich Eng¬
land allmählich ganz von der absolutistische» Solidarität der Continentalhvfe los.
Aber Lord Liverpool und Lord Eldon prägten doch der ganzen Politik des Ca¬
binets eine vorwiegend antiliberale und bigotprotestantische Tendenz auf. Eine
die Zeichen der Zeit sorgsam beobachtende, der Ueberzeugung zugängliche, obgleich
noch keineswegs zu Reformen entschlossene Gruppe bildete der Herzog von Wel¬
lington und Mr. Peel, der spätere Sir Robert Peel. Lord Liverpool's plötz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/226>, abgerufen am 05.06.2024.