Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in Schweden die Besetzung Stockholms, mindestens die Einmischung des Zaren
in die innern Angelegenheiten des Landes; man mußte nothgedrungen unter¬
handeln. Alles, wozu sich Alexander verstand, war, daß er das Land zwischen
dem Kalir und Torrea Schweden ließ. Letzteres mußte sich fügen. Am
17. September -1809 wurde der Friede von Frederiksham unterzeichnet, wel¬
cher die Grenze Rußlands bis zum nordwestlichsten Ende der Ostsee ausdehnte,
seine Marine befestigte, Schweden ruinirte. Der schwedische Gesandte Stedingk
schrieb über diese Verstümmlung seines Landes: "Die göttliche Rache wird einst,
ich hoffe es fest, diese Seite unsrer Annalen auslöschen. Ich hätte lieber mein
Todesurtheil, als diesen Frieden unterzeichnet." Sköldebrand, der andre Ge¬
sandte Schwedens, ließ auf dem Petschaft, mit dem er den Frieden besiegelt
hatte, das Wort eingraben: "Cxorliirö", den Anfang des virgilischen Verses:
llxoriare aliquis nogtris ex ossibus ultor (möge aus unsern Gebeinen ein
Rächer erstehen!)! Mit der Ernennung des Prinzen von Augustenburg zum
Kronprinzen von Schweden war Alexander nicht ein-verstanden. Schweden
hatte durch dieselbe die Vereinigung Norwegens und Schwedens erzielen wollen.
Rußland aber war damals der Alliirte Dänemarks; als solcher mußte es dieser
Vereinigung sich widersetzen. Ueberdies versprach der neue Kronprinz Nor¬
wegen eine liberale Verfassung und er nahm in Schweden die Verfassung an,
welche der Reichstag und Karl Xlil. proclamirt hatten. Die Nachbarschaft
eines constitutionellen Staates mußte Nußland höchst unangenehm sein.

Unter diesen Umständen ging die alte schwedische Aristokratie, die Nuuth,
Uglas, La Gardie, Fersen, welche durch die Proclamcition in ihrem Credit, in
ihren Privilegien und Reichthümern bedroht war, damit um, die neue Ver¬
fassung zu stürzen und die alte Dynastie wiederherzustellen. Nachdem es ihnen
mißlungen war, den Prinzen Wasa, Sohn Gustavs lV., zum Kronprinzen er¬
nennen zu lassen, sollte der neue Kronprinz, der Prinz von Augustenburg, den
Prinzen Wasa zu seinem Nachfolger bestimmen. Ihnen widersetzte sich die
Regierungspartei, an ihrer Spitze der General Adlersparre. Er begab sich
Anfang December 1809 nach Norwegen, um den Kronprinzen, der Schweden
noch nicht besucht hatte, nach Stockholm zu führen, auf diese Weise ihn den
feindlichen Einflüssen zu entziehen und wenn Karl Xlil. sterben sollte, ihn so¬
fort als König zu proclamiren. Hier nun beginnt ein Drama, welches mit
dem Tode des Prinzen von Augustenburg endigte. Schon vor seinem Eintritt
in Schweden verbreiteten sich überall Gerüchte von seinem bevorstehenden Tode.
Anonyme Placate und Briefe sagten, er sei von Mördern bedroht. Auf dem
Schlosse Drottningholm, wo er einige Tage verweilen sollte, bevor er seinen
feierlichen Einzug in Stockholm hielt, sah er sich von verdächtigen Personen
umgeben, von den beiden Brüdern Fersen, Häuptern der alten Aristokratie,
von ihrem Werkzeuge, dem Arzte Rossi. Nach dem Einzug und der Eides-


17*

in Schweden die Besetzung Stockholms, mindestens die Einmischung des Zaren
in die innern Angelegenheiten des Landes; man mußte nothgedrungen unter¬
handeln. Alles, wozu sich Alexander verstand, war, daß er das Land zwischen
dem Kalir und Torrea Schweden ließ. Letzteres mußte sich fügen. Am
17. September -1809 wurde der Friede von Frederiksham unterzeichnet, wel¬
cher die Grenze Rußlands bis zum nordwestlichsten Ende der Ostsee ausdehnte,
seine Marine befestigte, Schweden ruinirte. Der schwedische Gesandte Stedingk
schrieb über diese Verstümmlung seines Landes: „Die göttliche Rache wird einst,
ich hoffe es fest, diese Seite unsrer Annalen auslöschen. Ich hätte lieber mein
Todesurtheil, als diesen Frieden unterzeichnet." Sköldebrand, der andre Ge¬
sandte Schwedens, ließ auf dem Petschaft, mit dem er den Frieden besiegelt
hatte, das Wort eingraben: „Cxorliirö", den Anfang des virgilischen Verses:
llxoriare aliquis nogtris ex ossibus ultor (möge aus unsern Gebeinen ein
Rächer erstehen!)! Mit der Ernennung des Prinzen von Augustenburg zum
Kronprinzen von Schweden war Alexander nicht ein-verstanden. Schweden
hatte durch dieselbe die Vereinigung Norwegens und Schwedens erzielen wollen.
Rußland aber war damals der Alliirte Dänemarks; als solcher mußte es dieser
Vereinigung sich widersetzen. Ueberdies versprach der neue Kronprinz Nor¬
wegen eine liberale Verfassung und er nahm in Schweden die Verfassung an,
welche der Reichstag und Karl Xlil. proclamirt hatten. Die Nachbarschaft
eines constitutionellen Staates mußte Nußland höchst unangenehm sein.

Unter diesen Umständen ging die alte schwedische Aristokratie, die Nuuth,
Uglas, La Gardie, Fersen, welche durch die Proclamcition in ihrem Credit, in
ihren Privilegien und Reichthümern bedroht war, damit um, die neue Ver¬
fassung zu stürzen und die alte Dynastie wiederherzustellen. Nachdem es ihnen
mißlungen war, den Prinzen Wasa, Sohn Gustavs lV., zum Kronprinzen er¬
nennen zu lassen, sollte der neue Kronprinz, der Prinz von Augustenburg, den
Prinzen Wasa zu seinem Nachfolger bestimmen. Ihnen widersetzte sich die
Regierungspartei, an ihrer Spitze der General Adlersparre. Er begab sich
Anfang December 1809 nach Norwegen, um den Kronprinzen, der Schweden
noch nicht besucht hatte, nach Stockholm zu führen, auf diese Weise ihn den
feindlichen Einflüssen zu entziehen und wenn Karl Xlil. sterben sollte, ihn so¬
fort als König zu proclamiren. Hier nun beginnt ein Drama, welches mit
dem Tode des Prinzen von Augustenburg endigte. Schon vor seinem Eintritt
in Schweden verbreiteten sich überall Gerüchte von seinem bevorstehenden Tode.
Anonyme Placate und Briefe sagten, er sei von Mördern bedroht. Auf dem
Schlosse Drottningholm, wo er einige Tage verweilen sollte, bevor er seinen
feierlichen Einzug in Stockholm hielt, sah er sich von verdächtigen Personen
umgeben, von den beiden Brüdern Fersen, Häuptern der alten Aristokratie,
von ihrem Werkzeuge, dem Arzte Rossi. Nach dem Einzug und der Eides-


17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100593"/>
          <p xml:id="ID_408" prev="#ID_407"> in Schweden die Besetzung Stockholms, mindestens die Einmischung des Zaren<lb/>
in die innern Angelegenheiten des Landes; man mußte nothgedrungen unter¬<lb/>
handeln. Alles, wozu sich Alexander verstand, war, daß er das Land zwischen<lb/>
dem Kalir und Torrea Schweden ließ. Letzteres mußte sich fügen. Am<lb/>
17. September -1809 wurde der Friede von Frederiksham unterzeichnet, wel¬<lb/>
cher die Grenze Rußlands bis zum nordwestlichsten Ende der Ostsee ausdehnte,<lb/>
seine Marine befestigte, Schweden ruinirte. Der schwedische Gesandte Stedingk<lb/>
schrieb über diese Verstümmlung seines Landes: &#x201E;Die göttliche Rache wird einst,<lb/>
ich hoffe es fest, diese Seite unsrer Annalen auslöschen. Ich hätte lieber mein<lb/>
Todesurtheil, als diesen Frieden unterzeichnet." Sköldebrand, der andre Ge¬<lb/>
sandte Schwedens, ließ auf dem Petschaft, mit dem er den Frieden besiegelt<lb/>
hatte, das Wort eingraben: &#x201E;Cxorliirö", den Anfang des virgilischen Verses:<lb/>
llxoriare aliquis nogtris ex ossibus ultor (möge aus unsern Gebeinen ein<lb/>
Rächer erstehen!)! Mit der Ernennung des Prinzen von Augustenburg zum<lb/>
Kronprinzen von Schweden war Alexander nicht ein-verstanden. Schweden<lb/>
hatte durch dieselbe die Vereinigung Norwegens und Schwedens erzielen wollen.<lb/>
Rußland aber war damals der Alliirte Dänemarks; als solcher mußte es dieser<lb/>
Vereinigung sich widersetzen. Ueberdies versprach der neue Kronprinz Nor¬<lb/>
wegen eine liberale Verfassung und er nahm in Schweden die Verfassung an,<lb/>
welche der Reichstag und Karl Xlil. proclamirt hatten. Die Nachbarschaft<lb/>
eines constitutionellen Staates mußte Nußland höchst unangenehm sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_409" next="#ID_410"> Unter diesen Umständen ging die alte schwedische Aristokratie, die Nuuth,<lb/>
Uglas, La Gardie, Fersen, welche durch die Proclamcition in ihrem Credit, in<lb/>
ihren Privilegien und Reichthümern bedroht war, damit um, die neue Ver¬<lb/>
fassung zu stürzen und die alte Dynastie wiederherzustellen. Nachdem es ihnen<lb/>
mißlungen war, den Prinzen Wasa, Sohn Gustavs lV., zum Kronprinzen er¬<lb/>
nennen zu lassen, sollte der neue Kronprinz, der Prinz von Augustenburg, den<lb/>
Prinzen Wasa zu seinem Nachfolger bestimmen. Ihnen widersetzte sich die<lb/>
Regierungspartei, an ihrer Spitze der General Adlersparre. Er begab sich<lb/>
Anfang December 1809 nach Norwegen, um den Kronprinzen, der Schweden<lb/>
noch nicht besucht hatte, nach Stockholm zu führen, auf diese Weise ihn den<lb/>
feindlichen Einflüssen zu entziehen und wenn Karl Xlil. sterben sollte, ihn so¬<lb/>
fort als König zu proclamiren. Hier nun beginnt ein Drama, welches mit<lb/>
dem Tode des Prinzen von Augustenburg endigte. Schon vor seinem Eintritt<lb/>
in Schweden verbreiteten sich überall Gerüchte von seinem bevorstehenden Tode.<lb/>
Anonyme Placate und Briefe sagten, er sei von Mördern bedroht. Auf dem<lb/>
Schlosse Drottningholm, wo er einige Tage verweilen sollte, bevor er seinen<lb/>
feierlichen Einzug in Stockholm hielt, sah er sich von verdächtigen Personen<lb/>
umgeben, von den beiden Brüdern Fersen, Häuptern der alten Aristokratie,<lb/>
von ihrem Werkzeuge, dem Arzte Rossi.  Nach dem Einzug und der Eides-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] in Schweden die Besetzung Stockholms, mindestens die Einmischung des Zaren in die innern Angelegenheiten des Landes; man mußte nothgedrungen unter¬ handeln. Alles, wozu sich Alexander verstand, war, daß er das Land zwischen dem Kalir und Torrea Schweden ließ. Letzteres mußte sich fügen. Am 17. September -1809 wurde der Friede von Frederiksham unterzeichnet, wel¬ cher die Grenze Rußlands bis zum nordwestlichsten Ende der Ostsee ausdehnte, seine Marine befestigte, Schweden ruinirte. Der schwedische Gesandte Stedingk schrieb über diese Verstümmlung seines Landes: „Die göttliche Rache wird einst, ich hoffe es fest, diese Seite unsrer Annalen auslöschen. Ich hätte lieber mein Todesurtheil, als diesen Frieden unterzeichnet." Sköldebrand, der andre Ge¬ sandte Schwedens, ließ auf dem Petschaft, mit dem er den Frieden besiegelt hatte, das Wort eingraben: „Cxorliirö", den Anfang des virgilischen Verses: llxoriare aliquis nogtris ex ossibus ultor (möge aus unsern Gebeinen ein Rächer erstehen!)! Mit der Ernennung des Prinzen von Augustenburg zum Kronprinzen von Schweden war Alexander nicht ein-verstanden. Schweden hatte durch dieselbe die Vereinigung Norwegens und Schwedens erzielen wollen. Rußland aber war damals der Alliirte Dänemarks; als solcher mußte es dieser Vereinigung sich widersetzen. Ueberdies versprach der neue Kronprinz Nor¬ wegen eine liberale Verfassung und er nahm in Schweden die Verfassung an, welche der Reichstag und Karl Xlil. proclamirt hatten. Die Nachbarschaft eines constitutionellen Staates mußte Nußland höchst unangenehm sein. Unter diesen Umständen ging die alte schwedische Aristokratie, die Nuuth, Uglas, La Gardie, Fersen, welche durch die Proclamcition in ihrem Credit, in ihren Privilegien und Reichthümern bedroht war, damit um, die neue Ver¬ fassung zu stürzen und die alte Dynastie wiederherzustellen. Nachdem es ihnen mißlungen war, den Prinzen Wasa, Sohn Gustavs lV., zum Kronprinzen er¬ nennen zu lassen, sollte der neue Kronprinz, der Prinz von Augustenburg, den Prinzen Wasa zu seinem Nachfolger bestimmen. Ihnen widersetzte sich die Regierungspartei, an ihrer Spitze der General Adlersparre. Er begab sich Anfang December 1809 nach Norwegen, um den Kronprinzen, der Schweden noch nicht besucht hatte, nach Stockholm zu führen, auf diese Weise ihn den feindlichen Einflüssen zu entziehen und wenn Karl Xlil. sterben sollte, ihn so¬ fort als König zu proclamiren. Hier nun beginnt ein Drama, welches mit dem Tode des Prinzen von Augustenburg endigte. Schon vor seinem Eintritt in Schweden verbreiteten sich überall Gerüchte von seinem bevorstehenden Tode. Anonyme Placate und Briefe sagten, er sei von Mördern bedroht. Auf dem Schlosse Drottningholm, wo er einige Tage verweilen sollte, bevor er seinen feierlichen Einzug in Stockholm hielt, sah er sich von verdächtigen Personen umgeben, von den beiden Brüdern Fersen, Häuptern der alten Aristokratie, von ihrem Werkzeuge, dem Arzte Rossi. Nach dem Einzug und der Eides- 17*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/139>, abgerufen am 26.05.2024.