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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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lade eine schwere Verantwortung auf sich, wenn sie diesen drei Menschen und
allen andern gestatte, dergleichen Documente in belgischen Journalen zu ver¬
öffentlichen. Hoffentlich wären die Gesetze des Landes mächtig genug, um
Journalisten zu bestrafen, die als Werkzeug zur Verkündigung von Principien
dienten, welche die wahre Freiheit in Europa zerstörten. Wenn die belgische
Regierung nicht in dieser Frage einschreite, so würden Frankreich, England
und, andere Staaten das Recht haben, Maßregeln zu nehmen, und andere
entschiedenere, als es höfliche diplomatische Noten sind. Seit dem Beginn des
Krieges sei Belgien der Herd gewesen, von wo alle Pamphlete, Manifeste und
Artikel ausgegangen, die gegen Frankreich und England, und besonders gegen
Frankreich und den großen Mann, der seinen Geschicken vorstehe, gerichtet ge¬
wesen seien. Wenn die belgische Regierung wünsche, eine Stellung ehren-
werther Neutralität zu behalten, so würde sie klug handeln, die Heftigkeit der
Presse, die jetzt nicht allein für Belgien, sondern auch für den Nest von Europa
gefährlich wäre, in schickliche Grenzen einzuschränken.

Dieser ungerechte und leidenschaftliche Angriff des palmcrstonschen Organs
ist deswegen von Bedeutung, weil er nicht allein steht, sondern weil auch die
französische Negierung sich bei der belgischen über unsre Presse ernstlich beklagt
hat. Eine Presse von der Freiheit und Unabhängigkeit, wie sie bei uns vor¬
handen ist, so ganz in seiner Nähe zu haben und noch dazu in französischem
Idiom, muß freilich für Frankreich, wo die öffentliche Meinung sich weder in
der Presse noch auf der Tribüne äußern darf, sehr .störend und unbequem sein.'
Doch ich will Frankreich vorläufig bei Seite lassen und nur von der Morning-
Post sprechen. In welchem Sinne sollen denn diese Maßregeln gegen die
Presse genommen werden? Belgien hat strenge.Gesetze gegen Injurien, Ver-
leumdungen, Dissomationen, welches auch die Personen sein mögen, die von den
Angriffen der Presse getroffen werden. Wir haben ein specielles Gesetz, ein Ge¬
setz, wie es in England nicht vorhanden ist, welches die Beleidigungen der
Oberhäupter fremder Regierungen und die Piovocationen zum Umsturz dieser
Regierungen bestraft. Ist es die Anwendung dieser Gesetze, welche das Organ
des englischen Cabinets reclnmirt? Die belgische Regierung hat derselben nie¬
mals Hindernisse entgegengestellt. Belgien hat Tribunale, eine unabhängige,
aufgeklärte und geachtete Magistratur, die stets die Verbrechen und Vergehen
strafen wird, sobald diese vor ihren Richterstuhl gebracht werden. Es sind also
andre Maßregeln, worauf die Morning-Post anspielt und frage ich, welche? so
kenne ich keine andern, als tiefeingreifende Veränderungen, welche die belgische
Constitution erleiden soll. Ist es das, was das Organ des Ministeriums
eines Landes wünscht, wo die Preßfreiheit die fundamentale Institution ist?
So leicht wären aber solche Veränderungen nicht auszuführen und der Versuch
allein würde das Land in die gefährlichste Aufregung bringen. Ich will ein-


lade eine schwere Verantwortung auf sich, wenn sie diesen drei Menschen und
allen andern gestatte, dergleichen Documente in belgischen Journalen zu ver¬
öffentlichen. Hoffentlich wären die Gesetze des Landes mächtig genug, um
Journalisten zu bestrafen, die als Werkzeug zur Verkündigung von Principien
dienten, welche die wahre Freiheit in Europa zerstörten. Wenn die belgische
Regierung nicht in dieser Frage einschreite, so würden Frankreich, England
und, andere Staaten das Recht haben, Maßregeln zu nehmen, und andere
entschiedenere, als es höfliche diplomatische Noten sind. Seit dem Beginn des
Krieges sei Belgien der Herd gewesen, von wo alle Pamphlete, Manifeste und
Artikel ausgegangen, die gegen Frankreich und England, und besonders gegen
Frankreich und den großen Mann, der seinen Geschicken vorstehe, gerichtet ge¬
wesen seien. Wenn die belgische Regierung wünsche, eine Stellung ehren-
werther Neutralität zu behalten, so würde sie klug handeln, die Heftigkeit der
Presse, die jetzt nicht allein für Belgien, sondern auch für den Nest von Europa
gefährlich wäre, in schickliche Grenzen einzuschränken.

Dieser ungerechte und leidenschaftliche Angriff des palmcrstonschen Organs
ist deswegen von Bedeutung, weil er nicht allein steht, sondern weil auch die
französische Negierung sich bei der belgischen über unsre Presse ernstlich beklagt
hat. Eine Presse von der Freiheit und Unabhängigkeit, wie sie bei uns vor¬
handen ist, so ganz in seiner Nähe zu haben und noch dazu in französischem
Idiom, muß freilich für Frankreich, wo die öffentliche Meinung sich weder in
der Presse noch auf der Tribüne äußern darf, sehr .störend und unbequem sein.'
Doch ich will Frankreich vorläufig bei Seite lassen und nur von der Morning-
Post sprechen. In welchem Sinne sollen denn diese Maßregeln gegen die
Presse genommen werden? Belgien hat strenge.Gesetze gegen Injurien, Ver-
leumdungen, Dissomationen, welches auch die Personen sein mögen, die von den
Angriffen der Presse getroffen werden. Wir haben ein specielles Gesetz, ein Ge¬
setz, wie es in England nicht vorhanden ist, welches die Beleidigungen der
Oberhäupter fremder Regierungen und die Piovocationen zum Umsturz dieser
Regierungen bestraft. Ist es die Anwendung dieser Gesetze, welche das Organ
des englischen Cabinets reclnmirt? Die belgische Regierung hat derselben nie¬
mals Hindernisse entgegengestellt. Belgien hat Tribunale, eine unabhängige,
aufgeklärte und geachtete Magistratur, die stets die Verbrechen und Vergehen
strafen wird, sobald diese vor ihren Richterstuhl gebracht werden. Es sind also
andre Maßregeln, worauf die Morning-Post anspielt und frage ich, welche? so
kenne ich keine andern, als tiefeingreifende Veränderungen, welche die belgische
Constitution erleiden soll. Ist es das, was das Organ des Ministeriums
eines Landes wünscht, wo die Preßfreiheit die fundamentale Institution ist?
So leicht wären aber solche Veränderungen nicht auszuführen und der Versuch
allein würde das Land in die gefährlichste Aufregung bringen. Ich will ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/316>, abgerufen am 05.06.2024.