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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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ungeheuren Zweideckers, der im Monat Mai vollendet sein und sodann als
Schrauber ausgerüstet werden soll, ein falsches System (und über welches ich
mich schon in einem meiner früheren Briefe ausführlich äußerte). Eine Cor-
vette lag dem Dampfer zunächst. Ihre Leser wissen wol nicht sämmtlich, daß
man hierunter ein Kriegsschiff versteht, welches seine Artillerie in einer ein¬
zigen Lage, und zwar entweder nur hinter Brüstung (Accorter) oder unter Deck
führt; wogegen bei einer Fregatte dieses offene, mit Brüstung versehene Deck
wiederum mit Geschütz, und zwar entweder durchlaufend oder nur auf beiden
Enden besetzt ist. Die Takelung ist bei der Corvette, der Fregatte und dem
größten Linienschiff nicht verschieden.

Als' ich bei dem Werft vorüberfuhr, hatte ich vor mir ein mächtiges fran¬
zösisches Naddampfschiff, nach dem Sprachgebrauch eine Dampfsregatte und
rechts von mir die berühmte türkische Fregatte Nusretii (die Siegreiche), welche
im Jahre 1834 vom Schiffbaumeister Rhodes, einem Amerikaner, im hiesigen
Arsenal erbaut wurde und die größte Segelfrcgatte in der Welt ist.

Auch der tief im Mittellande Wohnende, welcher noch nie den graciösen Bau
eines Kriegsschiffs auf der Meeresflut schwimmen sah, wird begreifen, wie ein
nur vom Segel in Bewegung gesetztes und durch einen einfachen Steuerungs¬
apparat gelenktes Fahrzeug in Hinsicht auf die Länge, ohne bedeutende Nach¬
theile, zumal wenn es zum Kriege, also zum Kampf bestimmt ist, bei welchem
die Leichtigkeit der Bewegung den Ausschlag gibt, ein gewisses Maß nicht wird
überschreiten dürfen. In neuester Zeit hat man in Amerika Kauffahrer (Klipper)
über alles sonstige Maß hinaus lang gebaut, aber bei Kriegssegelschiffen hielt
man sich bis dahin an die Regel, in die untere Batterie nicht mehr als höch¬
stens 34 Geschütze zu stellen; ja man that dies überhaupt nur bei Linien¬
schiffen, und überschritt bei der Fregatte nicht die Zahl 32. Dadurch war es
bedingt, daß die größte Fregatte nur 32 bedeckte (unter Deck stehende) und
ebensoviel unbedeckte (auf Deck, hinter Brüstung stehende) Kanonen, im ganzen
mithin 6i Geschütze zählen konnte und daß man ein solches Fahrzeug eine Fre¬
gatte ersten Ranges nannte. Der erwähnte Schiffbauer Rhodes machte indeß
den Versuch, in der Nusretie' eine Fregatte von 72 Kanonen herzustellen, in¬
dem er zwei Batterien von je 36 Feuerschlünden übereinander arrangirte. Wenn
sein Unternehmen nicht in eine Zeit gefallen wäre, wo die Anwendung des
Dampfes als nautisches Bewegungsprincip der Schiffsarchitektur schon neue
Wege wies, so ist nicht zu zweifeln, daß er Nachahmer gefunden haben würde.

Aber mein Kalk ist schon unter dem Stern der großen französischen Dampf¬
fregatte angekommen. Die metallenen Speichen der Schaufelräder sind roth
angestrichen, alles andre am Bord ist schwarz: eine gute Wahl, die mir vor dem
bunten Schildern (Anstreichen) der Segelkriegsfahrzeuge, wonach die Stück¬
pfortenhöhe ein weißer Gürtel umgibt, welcher den feindlichen Kanonieren in


ungeheuren Zweideckers, der im Monat Mai vollendet sein und sodann als
Schrauber ausgerüstet werden soll, ein falsches System (und über welches ich
mich schon in einem meiner früheren Briefe ausführlich äußerte). Eine Cor-
vette lag dem Dampfer zunächst. Ihre Leser wissen wol nicht sämmtlich, daß
man hierunter ein Kriegsschiff versteht, welches seine Artillerie in einer ein¬
zigen Lage, und zwar entweder nur hinter Brüstung (Accorter) oder unter Deck
führt; wogegen bei einer Fregatte dieses offene, mit Brüstung versehene Deck
wiederum mit Geschütz, und zwar entweder durchlaufend oder nur auf beiden
Enden besetzt ist. Die Takelung ist bei der Corvette, der Fregatte und dem
größten Linienschiff nicht verschieden.

Als' ich bei dem Werft vorüberfuhr, hatte ich vor mir ein mächtiges fran¬
zösisches Naddampfschiff, nach dem Sprachgebrauch eine Dampfsregatte und
rechts von mir die berühmte türkische Fregatte Nusretii (die Siegreiche), welche
im Jahre 1834 vom Schiffbaumeister Rhodes, einem Amerikaner, im hiesigen
Arsenal erbaut wurde und die größte Segelfrcgatte in der Welt ist.

Auch der tief im Mittellande Wohnende, welcher noch nie den graciösen Bau
eines Kriegsschiffs auf der Meeresflut schwimmen sah, wird begreifen, wie ein
nur vom Segel in Bewegung gesetztes und durch einen einfachen Steuerungs¬
apparat gelenktes Fahrzeug in Hinsicht auf die Länge, ohne bedeutende Nach¬
theile, zumal wenn es zum Kriege, also zum Kampf bestimmt ist, bei welchem
die Leichtigkeit der Bewegung den Ausschlag gibt, ein gewisses Maß nicht wird
überschreiten dürfen. In neuester Zeit hat man in Amerika Kauffahrer (Klipper)
über alles sonstige Maß hinaus lang gebaut, aber bei Kriegssegelschiffen hielt
man sich bis dahin an die Regel, in die untere Batterie nicht mehr als höch¬
stens 34 Geschütze zu stellen; ja man that dies überhaupt nur bei Linien¬
schiffen, und überschritt bei der Fregatte nicht die Zahl 32. Dadurch war es
bedingt, daß die größte Fregatte nur 32 bedeckte (unter Deck stehende) und
ebensoviel unbedeckte (auf Deck, hinter Brüstung stehende) Kanonen, im ganzen
mithin 6i Geschütze zählen konnte und daß man ein solches Fahrzeug eine Fre¬
gatte ersten Ranges nannte. Der erwähnte Schiffbauer Rhodes machte indeß
den Versuch, in der Nusretie' eine Fregatte von 72 Kanonen herzustellen, in¬
dem er zwei Batterien von je 36 Feuerschlünden übereinander arrangirte. Wenn
sein Unternehmen nicht in eine Zeit gefallen wäre, wo die Anwendung des
Dampfes als nautisches Bewegungsprincip der Schiffsarchitektur schon neue
Wege wies, so ist nicht zu zweifeln, daß er Nachahmer gefunden haben würde.

Aber mein Kalk ist schon unter dem Stern der großen französischen Dampf¬
fregatte angekommen. Die metallenen Speichen der Schaufelräder sind roth
angestrichen, alles andre am Bord ist schwarz: eine gute Wahl, die mir vor dem
bunten Schildern (Anstreichen) der Segelkriegsfahrzeuge, wonach die Stück¬
pfortenhöhe ein weißer Gürtel umgibt, welcher den feindlichen Kanonieren in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/130>, abgerufen am 02.06.2024.