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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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der Scheren, deren Hauptmasse freilich schon am Cap Hang"' ihr östliches Ende
gefunden hat, Und während die Mövenbänke beim Näherkommen weit aus-
einanderweichen, tauchen jene größeren Inseln auf, deren halbkreisförmige
Stellung vor einer tiefeinschneidender Bucht zur Anlage von Sweaborg benutzt
worden ist.

Wenn wir draußen einigen jener Wohnsitze der Möven nahekamen, so er¬
kannten wir sie als durchaus nackte Felsplatten, kaum über das Niveau der
Meeresfläche hervorragend, von jedem etwas stärkeren Wogenschwall über¬
waschen, von der nachfolgenden Höhlung bloßgelegt. Man glaubt sich auf
irgendeinem seichten Wasser zu befinden, in welches ein wilder Gebirgsstrom die
Verwitterungstrümmer der Gletscherhöhen zusammenschwemmte. Unwillkürlich ge¬
denken wir auch der "Buttersteine des baltischen Festlandes", jener oft hauS-
großen Granitblocke, die ziemlich bis zum Harz hinunter als "erratisches Ge¬
stein" den Scharfsinn des Geologen in Anspruch genommen haben und ihre
nordsüdliche Strömung nicht verleugnen können. Aber das Meer ist keineswegs
seicht. Der Mann am Schnabel ruft dem rings auslugenden Capitän fortwährend
20, 17, 16, 12, 10 und kaum an einer einzigen Stelle weniger als 7 Faden
Tiefe zu, die er mit seinem Senkblei gefunden, während die Räder doch nur
langsam eingreifen, weil die geringste Abweichung vom richtigen Fahrwasser ein
unabwendbar todesgefährliches Auslaufen des Schiffes zur Folge haben könnte.
Für größere Fahrzeuge gibt es aber nur zwei schmale Einfahrten in das Becken
von Sweaborg, die eine westlich, die andere östlich um das Kronwerk der See¬
feste herum, beide im unmittelbaren Bereiche ihrer Batterien.

Wargöe heißt jene größte Insel, worauf das Kronwerk sich terassenförmig
in Etagen erhebt, und die Commandantenwohnung, das Zeughaus, bombenfeste
Magazine nebst in Felsen gehauenen Schiffsdvcks umschließt. Von diesem ganzen
Inhalt steht man wenig. Grau wie das Granitfundament ziehen sich die Festungs¬
bauten herum, die natürlich blos mit drohenden Geschützluken nach außen blicken.
Ein Denkmal für Ehrenswärd, der 1749 dies nordische Gibraltar gegen Nu߬
land aufführte, schwebt ziemlich kleinlich vor dem Schlosse. Rechts- und linkshin
lagern dann im Halbbögen die weiteren sieben Werke auf lauter einzelnen Felsen
und meistens in derselben Weise anzusehen, wie die schwimmenden Forts im
Revaler oder Kronstädter Hasen. Unmittelbar hinter dem Kronwerk findet sich
die Hafenanlage für die Linienschiffe, weiter hinein in den Fjord ein anderer
Hasen für die Scherenflotte.-

Oed und traurig ist der Anblick des felsenumkränzteu Beckens. Rückwärts
der verderbensprühende Festungsgürtel, vorwärts farbloses Gestade, in dessen
felsige Säume sich düstere Schluchten reißen. Hier und da klebt auf halber
Höhe ein langgestrecktes rothes Haus. Aber kein Baum und Strauch über¬
schattet seine nackten Wände oder das mattschimmernde Dach. Die eingeschlos-


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der Scheren, deren Hauptmasse freilich schon am Cap Hang»' ihr östliches Ende
gefunden hat, Und während die Mövenbänke beim Näherkommen weit aus-
einanderweichen, tauchen jene größeren Inseln auf, deren halbkreisförmige
Stellung vor einer tiefeinschneidender Bucht zur Anlage von Sweaborg benutzt
worden ist.

Wenn wir draußen einigen jener Wohnsitze der Möven nahekamen, so er¬
kannten wir sie als durchaus nackte Felsplatten, kaum über das Niveau der
Meeresfläche hervorragend, von jedem etwas stärkeren Wogenschwall über¬
waschen, von der nachfolgenden Höhlung bloßgelegt. Man glaubt sich auf
irgendeinem seichten Wasser zu befinden, in welches ein wilder Gebirgsstrom die
Verwitterungstrümmer der Gletscherhöhen zusammenschwemmte. Unwillkürlich ge¬
denken wir auch der „Buttersteine des baltischen Festlandes", jener oft hauS-
großen Granitblocke, die ziemlich bis zum Harz hinunter als „erratisches Ge¬
stein" den Scharfsinn des Geologen in Anspruch genommen haben und ihre
nordsüdliche Strömung nicht verleugnen können. Aber das Meer ist keineswegs
seicht. Der Mann am Schnabel ruft dem rings auslugenden Capitän fortwährend
20, 17, 16, 12, 10 und kaum an einer einzigen Stelle weniger als 7 Faden
Tiefe zu, die er mit seinem Senkblei gefunden, während die Räder doch nur
langsam eingreifen, weil die geringste Abweichung vom richtigen Fahrwasser ein
unabwendbar todesgefährliches Auslaufen des Schiffes zur Folge haben könnte.
Für größere Fahrzeuge gibt es aber nur zwei schmale Einfahrten in das Becken
von Sweaborg, die eine westlich, die andere östlich um das Kronwerk der See¬
feste herum, beide im unmittelbaren Bereiche ihrer Batterien.

Wargöe heißt jene größte Insel, worauf das Kronwerk sich terassenförmig
in Etagen erhebt, und die Commandantenwohnung, das Zeughaus, bombenfeste
Magazine nebst in Felsen gehauenen Schiffsdvcks umschließt. Von diesem ganzen
Inhalt steht man wenig. Grau wie das Granitfundament ziehen sich die Festungs¬
bauten herum, die natürlich blos mit drohenden Geschützluken nach außen blicken.
Ein Denkmal für Ehrenswärd, der 1749 dies nordische Gibraltar gegen Nu߬
land aufführte, schwebt ziemlich kleinlich vor dem Schlosse. Rechts- und linkshin
lagern dann im Halbbögen die weiteren sieben Werke auf lauter einzelnen Felsen
und meistens in derselben Weise anzusehen, wie die schwimmenden Forts im
Revaler oder Kronstädter Hasen. Unmittelbar hinter dem Kronwerk findet sich
die Hafenanlage für die Linienschiffe, weiter hinein in den Fjord ein anderer
Hasen für die Scherenflotte.-

Oed und traurig ist der Anblick des felsenumkränzteu Beckens. Rückwärts
der verderbensprühende Festungsgürtel, vorwärts farbloses Gestade, in dessen
felsige Säume sich düstere Schluchten reißen. Hier und da klebt auf halber
Höhe ein langgestrecktes rothes Haus. Aber kein Baum und Strauch über¬
schattet seine nackten Wände oder das mattschimmernde Dach. Die eingeschlos-


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[0211] der Scheren, deren Hauptmasse freilich schon am Cap Hang»' ihr östliches Ende gefunden hat, Und während die Mövenbänke beim Näherkommen weit aus- einanderweichen, tauchen jene größeren Inseln auf, deren halbkreisförmige Stellung vor einer tiefeinschneidender Bucht zur Anlage von Sweaborg benutzt worden ist. Wenn wir draußen einigen jener Wohnsitze der Möven nahekamen, so er¬ kannten wir sie als durchaus nackte Felsplatten, kaum über das Niveau der Meeresfläche hervorragend, von jedem etwas stärkeren Wogenschwall über¬ waschen, von der nachfolgenden Höhlung bloßgelegt. Man glaubt sich auf irgendeinem seichten Wasser zu befinden, in welches ein wilder Gebirgsstrom die Verwitterungstrümmer der Gletscherhöhen zusammenschwemmte. Unwillkürlich ge¬ denken wir auch der „Buttersteine des baltischen Festlandes", jener oft hauS- großen Granitblocke, die ziemlich bis zum Harz hinunter als „erratisches Ge¬ stein" den Scharfsinn des Geologen in Anspruch genommen haben und ihre nordsüdliche Strömung nicht verleugnen können. Aber das Meer ist keineswegs seicht. Der Mann am Schnabel ruft dem rings auslugenden Capitän fortwährend 20, 17, 16, 12, 10 und kaum an einer einzigen Stelle weniger als 7 Faden Tiefe zu, die er mit seinem Senkblei gefunden, während die Räder doch nur langsam eingreifen, weil die geringste Abweichung vom richtigen Fahrwasser ein unabwendbar todesgefährliches Auslaufen des Schiffes zur Folge haben könnte. Für größere Fahrzeuge gibt es aber nur zwei schmale Einfahrten in das Becken von Sweaborg, die eine westlich, die andere östlich um das Kronwerk der See¬ feste herum, beide im unmittelbaren Bereiche ihrer Batterien. Wargöe heißt jene größte Insel, worauf das Kronwerk sich terassenförmig in Etagen erhebt, und die Commandantenwohnung, das Zeughaus, bombenfeste Magazine nebst in Felsen gehauenen Schiffsdvcks umschließt. Von diesem ganzen Inhalt steht man wenig. Grau wie das Granitfundament ziehen sich die Festungs¬ bauten herum, die natürlich blos mit drohenden Geschützluken nach außen blicken. Ein Denkmal für Ehrenswärd, der 1749 dies nordische Gibraltar gegen Nu߬ land aufführte, schwebt ziemlich kleinlich vor dem Schlosse. Rechts- und linkshin lagern dann im Halbbögen die weiteren sieben Werke auf lauter einzelnen Felsen und meistens in derselben Weise anzusehen, wie die schwimmenden Forts im Revaler oder Kronstädter Hasen. Unmittelbar hinter dem Kronwerk findet sich die Hafenanlage für die Linienschiffe, weiter hinein in den Fjord ein anderer Hasen für die Scherenflotte.- Oed und traurig ist der Anblick des felsenumkränzteu Beckens. Rückwärts der verderbensprühende Festungsgürtel, vorwärts farbloses Gestade, in dessen felsige Säume sich düstere Schluchten reißen. Hier und da klebt auf halber Höhe ein langgestrecktes rothes Haus. Aber kein Baum und Strauch über¬ schattet seine nackten Wände oder das mattschimmernde Dach. Die eingeschlos- 26"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/211>, abgerufen am 17.06.2024.