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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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kanntschaft von zwei Männern, welche sozusagen ihren Blick auf den innern
Reichthum ihres Geistes und ihres Herzens richteten. Der eine war Neraud,
genannt Malgache, der andere Jules Sandeau, der in Paris ihr erster Mit¬
arbeiter und inniger Freund werden sollte. Jener gab ihr Unterricht in der
Botanik und sie nannte ihn Malgache wegen seinen langen und feenhaften
Erzählungen von der Insel Madagaskar. Sie schildert ihn in den Briefen
eines Reisenden als einen vortrefflichen Fußgänger voll Späße und kaustischem
Witz, tapfer wie ein französischer Student und verliebt in Rabelais. Seine
Leidenschaft ist zwischen der Politik und der Botanik getheilt. Er verliebte
sich eines Tages in eine erotische Pflanze und diese Liebe führte ihn auf seinen
für einige Tage unternommenen botanischen Wanderungen von Bery bis nach
Madagaskar. Seine Mutter hatte jahrelang keine Nachricht von ihm und er
kam ebenso unermüdet wieder, als er fortgereist war, zu Fuß mit der Botaniker-
büchse über den Schultern. Seitdem hat sich der poetische Malgache sehr ver¬
ändert; denn heute ist Herr Neraud ein BörsesPeculant und ein glücklicher Börse-
speculant. '

Jules Sandeau, der in Nohaut mit Madame Düdevant viel über Literatur
sich unterhielt und manche philosophische Discussion mit ihr hatte, trennte sich
von der jungen Chatelaine, Bewunderung und den Keim einer innigen Neigung
mit sich forttragend. In Paris fand er sie bald wieder.

Die unzureichende Pension nöthigte die junge Mutter, an einen Erwerb
zu denken, der ihre geringen Mittel zu vermehren im Stande wäre. Sie ver¬
suchte zunächst ihr schwaches > Talent in der Malerei nutzbringend zu machen.
Sie malte Porträts für fünf Franken oder sogenannte Boites de Spa. - Ihr Sohn
Moritz bewahrt mit Andacht eine solche von seiner Mutter gemalte Tabaksdose
auf. Jules Sandeau richtete ihre Aufmerksamkeit auf litercirische Arbeiten.
Sie erinnerte sich, daß Latouche, der berühmte Herausgeber des Figaro, ein
Freund ihrer Familie gewesen und sie beschloß, sich an ihn zu wenden. Es
ist falsch, daß sie mit Jules Sandeau sich dem Redacteur des Figaro vor¬
gestellt habe. Latouche verlangte einen Artikel zur Probe. Georges Sand lieferte
mehre, aber der Versuch siel nicht befriedigend aus. Georges Sand hat keinen
Esprit und ihr Talent fühlt sich ehre mächtige Entwicklung des Gedankens
ohnmächtig; Latouche schien dies zu errathen und er wie Felir Pyat riechen
ihr, sich im Roman zu versuchen. Dies Mal bot Sandeau seine Mitarbeiterschaft
an und in sechs Wochen war Rose et Blanche fertig. Latouche verschaffte
einen Verleger für das Buch und dieser bezahlte vierhundert Franken für daS
Erstlingswerk.

Die schriftstellerische Thätigkeit der jungen Frau nöthigten ihren Geist,
Zerstreuungen zu suchen, an welche sie bisher nicht gedacht hatte. Die Leiden¬
schaft zum Theater erwachte in ihr und auch die politische Agitation, welche


kanntschaft von zwei Männern, welche sozusagen ihren Blick auf den innern
Reichthum ihres Geistes und ihres Herzens richteten. Der eine war Neraud,
genannt Malgache, der andere Jules Sandeau, der in Paris ihr erster Mit¬
arbeiter und inniger Freund werden sollte. Jener gab ihr Unterricht in der
Botanik und sie nannte ihn Malgache wegen seinen langen und feenhaften
Erzählungen von der Insel Madagaskar. Sie schildert ihn in den Briefen
eines Reisenden als einen vortrefflichen Fußgänger voll Späße und kaustischem
Witz, tapfer wie ein französischer Student und verliebt in Rabelais. Seine
Leidenschaft ist zwischen der Politik und der Botanik getheilt. Er verliebte
sich eines Tages in eine erotische Pflanze und diese Liebe führte ihn auf seinen
für einige Tage unternommenen botanischen Wanderungen von Bery bis nach
Madagaskar. Seine Mutter hatte jahrelang keine Nachricht von ihm und er
kam ebenso unermüdet wieder, als er fortgereist war, zu Fuß mit der Botaniker-
büchse über den Schultern. Seitdem hat sich der poetische Malgache sehr ver¬
ändert; denn heute ist Herr Neraud ein BörsesPeculant und ein glücklicher Börse-
speculant. '

Jules Sandeau, der in Nohaut mit Madame Düdevant viel über Literatur
sich unterhielt und manche philosophische Discussion mit ihr hatte, trennte sich
von der jungen Chatelaine, Bewunderung und den Keim einer innigen Neigung
mit sich forttragend. In Paris fand er sie bald wieder.

Die unzureichende Pension nöthigte die junge Mutter, an einen Erwerb
zu denken, der ihre geringen Mittel zu vermehren im Stande wäre. Sie ver¬
suchte zunächst ihr schwaches > Talent in der Malerei nutzbringend zu machen.
Sie malte Porträts für fünf Franken oder sogenannte Boites de Spa. - Ihr Sohn
Moritz bewahrt mit Andacht eine solche von seiner Mutter gemalte Tabaksdose
auf. Jules Sandeau richtete ihre Aufmerksamkeit auf litercirische Arbeiten.
Sie erinnerte sich, daß Latouche, der berühmte Herausgeber des Figaro, ein
Freund ihrer Familie gewesen und sie beschloß, sich an ihn zu wenden. Es
ist falsch, daß sie mit Jules Sandeau sich dem Redacteur des Figaro vor¬
gestellt habe. Latouche verlangte einen Artikel zur Probe. Georges Sand lieferte
mehre, aber der Versuch siel nicht befriedigend aus. Georges Sand hat keinen
Esprit und ihr Talent fühlt sich ehre mächtige Entwicklung des Gedankens
ohnmächtig; Latouche schien dies zu errathen und er wie Felir Pyat riechen
ihr, sich im Roman zu versuchen. Dies Mal bot Sandeau seine Mitarbeiterschaft
an und in sechs Wochen war Rose et Blanche fertig. Latouche verschaffte
einen Verleger für das Buch und dieser bezahlte vierhundert Franken für daS
Erstlingswerk.

Die schriftstellerische Thätigkeit der jungen Frau nöthigten ihren Geist,
Zerstreuungen zu suchen, an welche sie bisher nicht gedacht hatte. Die Leiden¬
schaft zum Theater erwachte in ihr und auch die politische Agitation, welche


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[0224] kanntschaft von zwei Männern, welche sozusagen ihren Blick auf den innern Reichthum ihres Geistes und ihres Herzens richteten. Der eine war Neraud, genannt Malgache, der andere Jules Sandeau, der in Paris ihr erster Mit¬ arbeiter und inniger Freund werden sollte. Jener gab ihr Unterricht in der Botanik und sie nannte ihn Malgache wegen seinen langen und feenhaften Erzählungen von der Insel Madagaskar. Sie schildert ihn in den Briefen eines Reisenden als einen vortrefflichen Fußgänger voll Späße und kaustischem Witz, tapfer wie ein französischer Student und verliebt in Rabelais. Seine Leidenschaft ist zwischen der Politik und der Botanik getheilt. Er verliebte sich eines Tages in eine erotische Pflanze und diese Liebe führte ihn auf seinen für einige Tage unternommenen botanischen Wanderungen von Bery bis nach Madagaskar. Seine Mutter hatte jahrelang keine Nachricht von ihm und er kam ebenso unermüdet wieder, als er fortgereist war, zu Fuß mit der Botaniker- büchse über den Schultern. Seitdem hat sich der poetische Malgache sehr ver¬ ändert; denn heute ist Herr Neraud ein BörsesPeculant und ein glücklicher Börse- speculant. ' Jules Sandeau, der in Nohaut mit Madame Düdevant viel über Literatur sich unterhielt und manche philosophische Discussion mit ihr hatte, trennte sich von der jungen Chatelaine, Bewunderung und den Keim einer innigen Neigung mit sich forttragend. In Paris fand er sie bald wieder. Die unzureichende Pension nöthigte die junge Mutter, an einen Erwerb zu denken, der ihre geringen Mittel zu vermehren im Stande wäre. Sie ver¬ suchte zunächst ihr schwaches > Talent in der Malerei nutzbringend zu machen. Sie malte Porträts für fünf Franken oder sogenannte Boites de Spa. - Ihr Sohn Moritz bewahrt mit Andacht eine solche von seiner Mutter gemalte Tabaksdose auf. Jules Sandeau richtete ihre Aufmerksamkeit auf litercirische Arbeiten. Sie erinnerte sich, daß Latouche, der berühmte Herausgeber des Figaro, ein Freund ihrer Familie gewesen und sie beschloß, sich an ihn zu wenden. Es ist falsch, daß sie mit Jules Sandeau sich dem Redacteur des Figaro vor¬ gestellt habe. Latouche verlangte einen Artikel zur Probe. Georges Sand lieferte mehre, aber der Versuch siel nicht befriedigend aus. Georges Sand hat keinen Esprit und ihr Talent fühlt sich ehre mächtige Entwicklung des Gedankens ohnmächtig; Latouche schien dies zu errathen und er wie Felir Pyat riechen ihr, sich im Roman zu versuchen. Dies Mal bot Sandeau seine Mitarbeiterschaft an und in sechs Wochen war Rose et Blanche fertig. Latouche verschaffte einen Verleger für das Buch und dieser bezahlte vierhundert Franken für daS Erstlingswerk. Die schriftstellerische Thätigkeit der jungen Frau nöthigten ihren Geist, Zerstreuungen zu suchen, an welche sie bisher nicht gedacht hatte. Die Leiden¬ schaft zum Theater erwachte in ihr und auch die politische Agitation, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/224>, abgerufen am 17.06.2024.