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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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damals Paris bemeisterte, wirkte mit großer Anziehung auf sie. Vom Parterre¬
platz, der allein ihrem armen Budget zugänglich war, ebenso wie vom Club
war die Frau ausgeschlossen und ihrer Versuche in Nohaut gedenkend schlüpfte
sie ohne großen Widerwillen in einen Mannesrock. Eines Abends wohnte sie
in dieser Verkleidung einer von Gvdefroy Cavaignac präsidirten demokratischen
Versammlung bei. Verschiedene Redner, die mehr guten Willen als gesunden
Menschenverstand an den Tag legten, raubten Georges Sand die Geduld und
sie nahm das Wort. Sie sprach ohne Schmuck, aber mit viel Klarheit und
Verstand. Als sie geendigt hatte, rief der Präsident aus: "to xnmin a pw8
cle von LLns yue vous tous w<zö Kons amis!" Latouche empfahl Georges Sand
an Buloz, den Redacteur der Revue des deur mondes. Er verlangte einen
Roman und bezahlte einige hundert Franken voraus. Die ersten Bogen des
Manuscriptes wurden geliefert, aber Buloz wies sie zurück. So langweiliges
Zeug könne er nicht drucken. Georges Sand ging zum Director der Revue und
gestand erröthend, daß sie schon dreißig Franken ausgegeben habe und daher
nicht die ganze Summe sofort zurückbezahlen könne. Buloz klopfte dem jungen
Schriftsteller auf die Achsel und sagte ihm: "(-Kvrgizs 8a,"et, vous ötvs 1e prvmlur
voriviriii cM ins rapporte Ah - Entmuthigt kehrte der Dichter heim
und warf den angefangenen Roman ins Feuer. Viele Jahre später fand sich
das angefangene Manuscript wieder. Georges Sand hatte ohne es zu wissen
andere Papiere verbrannt. Sie schrieb jenen Roman zu Ende, es war Pauline.
Einige ihrer Freunde behaupten, daß der erwähnte Roman wirklich verbrannt
sei, und daß zwar "Pauline" auf wunderbare Weise dem Feuertode ent¬
gangen war, aber nicht mit dem von Buloz zurückgewiesenen Versuche zu ver¬
wechseln sei.

Die beiden Freunde wollten einen neuen Roman miteinander schreiben,
doch Jules Sandeau war zu sehr mit dem Roman seines eignen Herzens be¬
schäftigt und Georges Sand mußte sich allein an die Arbeit machen. Sie schrieb
mit der Begeisterung, welche das Erwachen des Genius bezeichnet. Als sie
ihrem Freunde und Gönner Latouche die ersten Bogen zur Prüfung vorlegte,
schrieb er ihr: "?rkNW ^in'cle, n"?. veins emportg/ pas, vous taitvs un eust
et'vkuvre." /

Jndiana wurde von einem Pariser Buchhändler Roret um einen Spott-
Preis gekauft. Er behauptet zwar die zweite Auflage mit tausend Franken
bezahlt zu haben, obgleich er daS volle Eigenthumsrecht an sich gebracht habe.
Ich habe mich bei mehren sehr eng mit Georges Sand vertrauten Personen
erkundigt, es hatte aber keiner Kenntniß von diesem Buchhändlerzuge.

Es ist bekannt, welche Revolution Jndiana in den literarischen Kreisen
von Paris hervorgerufen hat. -- Georges Sand war berühmt geworden, das
Geheimniß ihres Namens intriguirte die gebildete Welt und von jener Zeit


Grenzboten. I. 48ö". 28

damals Paris bemeisterte, wirkte mit großer Anziehung auf sie. Vom Parterre¬
platz, der allein ihrem armen Budget zugänglich war, ebenso wie vom Club
war die Frau ausgeschlossen und ihrer Versuche in Nohaut gedenkend schlüpfte
sie ohne großen Widerwillen in einen Mannesrock. Eines Abends wohnte sie
in dieser Verkleidung einer von Gvdefroy Cavaignac präsidirten demokratischen
Versammlung bei. Verschiedene Redner, die mehr guten Willen als gesunden
Menschenverstand an den Tag legten, raubten Georges Sand die Geduld und
sie nahm das Wort. Sie sprach ohne Schmuck, aber mit viel Klarheit und
Verstand. Als sie geendigt hatte, rief der Präsident aus: „to xnmin a pw8
cle von LLns yue vous tous w<zö Kons amis!" Latouche empfahl Georges Sand
an Buloz, den Redacteur der Revue des deur mondes. Er verlangte einen
Roman und bezahlte einige hundert Franken voraus. Die ersten Bogen des
Manuscriptes wurden geliefert, aber Buloz wies sie zurück. So langweiliges
Zeug könne er nicht drucken. Georges Sand ging zum Director der Revue und
gestand erröthend, daß sie schon dreißig Franken ausgegeben habe und daher
nicht die ganze Summe sofort zurückbezahlen könne. Buloz klopfte dem jungen
Schriftsteller auf die Achsel und sagte ihm: „(-Kvrgizs 8a,»et, vous ötvs 1e prvmlur
voriviriii cM ins rapporte Ah - Entmuthigt kehrte der Dichter heim
und warf den angefangenen Roman ins Feuer. Viele Jahre später fand sich
das angefangene Manuscript wieder. Georges Sand hatte ohne es zu wissen
andere Papiere verbrannt. Sie schrieb jenen Roman zu Ende, es war Pauline.
Einige ihrer Freunde behaupten, daß der erwähnte Roman wirklich verbrannt
sei, und daß zwar „Pauline" auf wunderbare Weise dem Feuertode ent¬
gangen war, aber nicht mit dem von Buloz zurückgewiesenen Versuche zu ver¬
wechseln sei.

Die beiden Freunde wollten einen neuen Roman miteinander schreiben,
doch Jules Sandeau war zu sehr mit dem Roman seines eignen Herzens be¬
schäftigt und Georges Sand mußte sich allein an die Arbeit machen. Sie schrieb
mit der Begeisterung, welche das Erwachen des Genius bezeichnet. Als sie
ihrem Freunde und Gönner Latouche die ersten Bogen zur Prüfung vorlegte,
schrieb er ihr: „?rkNW ^in'cle, n«?. veins emportg/ pas, vous taitvs un eust
et'vkuvre." /

Jndiana wurde von einem Pariser Buchhändler Roret um einen Spott-
Preis gekauft. Er behauptet zwar die zweite Auflage mit tausend Franken
bezahlt zu haben, obgleich er daS volle Eigenthumsrecht an sich gebracht habe.
Ich habe mich bei mehren sehr eng mit Georges Sand vertrauten Personen
erkundigt, es hatte aber keiner Kenntniß von diesem Buchhändlerzuge.

Es ist bekannt, welche Revolution Jndiana in den literarischen Kreisen
von Paris hervorgerufen hat. — Georges Sand war berühmt geworden, das
Geheimniß ihres Namens intriguirte die gebildete Welt und von jener Zeit


Grenzboten. I. 48ö». 28
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[0225] damals Paris bemeisterte, wirkte mit großer Anziehung auf sie. Vom Parterre¬ platz, der allein ihrem armen Budget zugänglich war, ebenso wie vom Club war die Frau ausgeschlossen und ihrer Versuche in Nohaut gedenkend schlüpfte sie ohne großen Widerwillen in einen Mannesrock. Eines Abends wohnte sie in dieser Verkleidung einer von Gvdefroy Cavaignac präsidirten demokratischen Versammlung bei. Verschiedene Redner, die mehr guten Willen als gesunden Menschenverstand an den Tag legten, raubten Georges Sand die Geduld und sie nahm das Wort. Sie sprach ohne Schmuck, aber mit viel Klarheit und Verstand. Als sie geendigt hatte, rief der Präsident aus: „to xnmin a pw8 cle von LLns yue vous tous w<zö Kons amis!" Latouche empfahl Georges Sand an Buloz, den Redacteur der Revue des deur mondes. Er verlangte einen Roman und bezahlte einige hundert Franken voraus. Die ersten Bogen des Manuscriptes wurden geliefert, aber Buloz wies sie zurück. So langweiliges Zeug könne er nicht drucken. Georges Sand ging zum Director der Revue und gestand erröthend, daß sie schon dreißig Franken ausgegeben habe und daher nicht die ganze Summe sofort zurückbezahlen könne. Buloz klopfte dem jungen Schriftsteller auf die Achsel und sagte ihm: „(-Kvrgizs 8a,»et, vous ötvs 1e prvmlur voriviriii cM ins rapporte Ah - Entmuthigt kehrte der Dichter heim und warf den angefangenen Roman ins Feuer. Viele Jahre später fand sich das angefangene Manuscript wieder. Georges Sand hatte ohne es zu wissen andere Papiere verbrannt. Sie schrieb jenen Roman zu Ende, es war Pauline. Einige ihrer Freunde behaupten, daß der erwähnte Roman wirklich verbrannt sei, und daß zwar „Pauline" auf wunderbare Weise dem Feuertode ent¬ gangen war, aber nicht mit dem von Buloz zurückgewiesenen Versuche zu ver¬ wechseln sei. Die beiden Freunde wollten einen neuen Roman miteinander schreiben, doch Jules Sandeau war zu sehr mit dem Roman seines eignen Herzens be¬ schäftigt und Georges Sand mußte sich allein an die Arbeit machen. Sie schrieb mit der Begeisterung, welche das Erwachen des Genius bezeichnet. Als sie ihrem Freunde und Gönner Latouche die ersten Bogen zur Prüfung vorlegte, schrieb er ihr: „?rkNW ^in'cle, n«?. veins emportg/ pas, vous taitvs un eust et'vkuvre." / Jndiana wurde von einem Pariser Buchhändler Roret um einen Spott- Preis gekauft. Er behauptet zwar die zweite Auflage mit tausend Franken bezahlt zu haben, obgleich er daS volle Eigenthumsrecht an sich gebracht habe. Ich habe mich bei mehren sehr eng mit Georges Sand vertrauten Personen erkundigt, es hatte aber keiner Kenntniß von diesem Buchhändlerzuge. Es ist bekannt, welche Revolution Jndiana in den literarischen Kreisen von Paris hervorgerufen hat. — Georges Sand war berühmt geworden, das Geheimniß ihres Namens intriguirte die gebildete Welt und von jener Zeit Grenzboten. I. 48ö». 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/225>, abgerufen am 17.06.2024.