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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Glück durch ihre unheilige Berührung! Nach Jndiana erschien Valentine, hieraus
Jaques und nach diesem Lelia.

Wer wagte zu bestimmen, wieweit das eigne Schicksalen diesen Büchern
geschildert ist. Soviel ist gewiß, es ist ein Schmerzensschrei in diesen Werken,
wie ihn nur selbstgefühltes Leiden ausstoßen kann.

Jndiana schildert das unglückliche Weib in der Gewalt eines brutalen
Mannes, Valentine das Weib im Kampfe mit dem kalthöflichen Egoismus
eines seinen Weltmannes ^-- das Unglück der Ehe, wo nicht das Herz zum
Herzen sich findet, ist ein Vorwurf, der eine Frau wie Georges Sand kurz vor
und nach ihrem Scheidungsproceß mit Herrn Düdevant lebhaft beschäftigen
mußte. Sie schrieb nicht gegen die Ehe -- nicht einmal gegen die Männer,
wie Jaques beweist. Es mochte eine Zeit bitterer Enttäuschung, großer Muth-
losigkeit gewesen sein, die in dem großartigen, aber schauerigen psychologischen
Chaos Lelia genannt ihren höchsten Ausdruck gefunden hat. Kritiker wie Capo
de Feuillide griffen die Schriftstellerin an, als ob sie die Familie, die Moral
aller Zeiten untergraben wollte -- Gustave Planche, damals in der vollen
Blüte seines glänzenden Talentes, übernahm die Vertheidigung der genialen
Schriftstellerin und schrieb einige Blätter, die vielleicht ebenso lange dauern
werden als die Werke des Dichters selbst. Mit diesen Romanen schließt sich
die erste Periode von Sands Thätigkeit ab.

Sie war von ihrer Reise mit Musset aus Venedig zurückgekommen und
schrieb le tzoeretiüre intime. Die Freundschaft mit Alfred de Musset hatte der
vielgeprüften Frau neue Leiden, neue Enttäuschungen zugezogen, aber sie hatte
auch gelernt, das Leben zu verstehen und manches Problem in ihrem Herzen zu
lösen. Die Wanderjahre waren vorüber, der Kreis ihrer Anschauung hatte sich
erweitert, ihre Kunstwerke fingen an, sich selbst zum Zwecke zu haben. Andre,
La Marquise, Lavinia Metella und Mattea erschienen schnell nacheinander.
Die Ruhe war in ihr Herz zurückgekehrt und mit ihr wuchs die Fruchtbarkeit
ihres Genies in erstaunlichem Maße. Andre ist ein reizender Roman, ein
Seitenstück zu Paul und Virginie, wenn nicht jene unangenhme Ueberraschung
in der endlichen Entwicklung des Helden, die eine psychologische Unmöglichkeit,
diesem Buche seinen ursprünglichen Charakter raubte. Metella ist vielleicht die
erste Frucht der mit dem Blute ihres Herzens bezahlten Erfahrung unsrer Dich¬
terin. 8im"n Naupiat, l.eure l.coul, In, äermörs ^läini, les Uaitreg IVlv-
saistss, l'uuline, vn'divor ü, NiiM-que erschienen von 1833 bis -1837. Eines
der merkwürdigsten Bücher ist wol les maitres Nosaistes. Georges Sand sah
den großen Eindruck, den Paul und Virginie auf das kindliche Gemüth ihres
Sohnes machte und sie wollte ihm einen Roman ohne Liebesintrigue und mit
einem glücklichen.Ausgange zur Lectüre bieten. Die stilistische Meisterschaft


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Glück durch ihre unheilige Berührung! Nach Jndiana erschien Valentine, hieraus
Jaques und nach diesem Lelia.

Wer wagte zu bestimmen, wieweit das eigne Schicksalen diesen Büchern
geschildert ist. Soviel ist gewiß, es ist ein Schmerzensschrei in diesen Werken,
wie ihn nur selbstgefühltes Leiden ausstoßen kann.

Jndiana schildert das unglückliche Weib in der Gewalt eines brutalen
Mannes, Valentine das Weib im Kampfe mit dem kalthöflichen Egoismus
eines seinen Weltmannes ^— das Unglück der Ehe, wo nicht das Herz zum
Herzen sich findet, ist ein Vorwurf, der eine Frau wie Georges Sand kurz vor
und nach ihrem Scheidungsproceß mit Herrn Düdevant lebhaft beschäftigen
mußte. Sie schrieb nicht gegen die Ehe — nicht einmal gegen die Männer,
wie Jaques beweist. Es mochte eine Zeit bitterer Enttäuschung, großer Muth-
losigkeit gewesen sein, die in dem großartigen, aber schauerigen psychologischen
Chaos Lelia genannt ihren höchsten Ausdruck gefunden hat. Kritiker wie Capo
de Feuillide griffen die Schriftstellerin an, als ob sie die Familie, die Moral
aller Zeiten untergraben wollte — Gustave Planche, damals in der vollen
Blüte seines glänzenden Talentes, übernahm die Vertheidigung der genialen
Schriftstellerin und schrieb einige Blätter, die vielleicht ebenso lange dauern
werden als die Werke des Dichters selbst. Mit diesen Romanen schließt sich
die erste Periode von Sands Thätigkeit ab.

Sie war von ihrer Reise mit Musset aus Venedig zurückgekommen und
schrieb le tzoeretiüre intime. Die Freundschaft mit Alfred de Musset hatte der
vielgeprüften Frau neue Leiden, neue Enttäuschungen zugezogen, aber sie hatte
auch gelernt, das Leben zu verstehen und manches Problem in ihrem Herzen zu
lösen. Die Wanderjahre waren vorüber, der Kreis ihrer Anschauung hatte sich
erweitert, ihre Kunstwerke fingen an, sich selbst zum Zwecke zu haben. Andre,
La Marquise, Lavinia Metella und Mattea erschienen schnell nacheinander.
Die Ruhe war in ihr Herz zurückgekehrt und mit ihr wuchs die Fruchtbarkeit
ihres Genies in erstaunlichem Maße. Andre ist ein reizender Roman, ein
Seitenstück zu Paul und Virginie, wenn nicht jene unangenhme Ueberraschung
in der endlichen Entwicklung des Helden, die eine psychologische Unmöglichkeit,
diesem Buche seinen ursprünglichen Charakter raubte. Metella ist vielleicht die
erste Frucht der mit dem Blute ihres Herzens bezahlten Erfahrung unsrer Dich¬
terin. 8im«n Naupiat, l.eure l.coul, In, äermörs ^läini, les Uaitreg IVlv-
saistss, l'uuline, vn'divor ü, NiiM-que erschienen von 1833 bis -1837. Eines
der merkwürdigsten Bücher ist wol les maitres Nosaistes. Georges Sand sah
den großen Eindruck, den Paul und Virginie auf das kindliche Gemüth ihres
Sohnes machte und sie wollte ihm einen Roman ohne Liebesintrigue und mit
einem glücklichen.Ausgange zur Lectüre bieten. Die stilistische Meisterschaft


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[0227] ils n'vlaierit pas mores; 1o more>«Z u taut FlUv. Die Welt verdirbt manches Glück durch ihre unheilige Berührung! Nach Jndiana erschien Valentine, hieraus Jaques und nach diesem Lelia. Wer wagte zu bestimmen, wieweit das eigne Schicksalen diesen Büchern geschildert ist. Soviel ist gewiß, es ist ein Schmerzensschrei in diesen Werken, wie ihn nur selbstgefühltes Leiden ausstoßen kann. Jndiana schildert das unglückliche Weib in der Gewalt eines brutalen Mannes, Valentine das Weib im Kampfe mit dem kalthöflichen Egoismus eines seinen Weltmannes ^— das Unglück der Ehe, wo nicht das Herz zum Herzen sich findet, ist ein Vorwurf, der eine Frau wie Georges Sand kurz vor und nach ihrem Scheidungsproceß mit Herrn Düdevant lebhaft beschäftigen mußte. Sie schrieb nicht gegen die Ehe — nicht einmal gegen die Männer, wie Jaques beweist. Es mochte eine Zeit bitterer Enttäuschung, großer Muth- losigkeit gewesen sein, die in dem großartigen, aber schauerigen psychologischen Chaos Lelia genannt ihren höchsten Ausdruck gefunden hat. Kritiker wie Capo de Feuillide griffen die Schriftstellerin an, als ob sie die Familie, die Moral aller Zeiten untergraben wollte — Gustave Planche, damals in der vollen Blüte seines glänzenden Talentes, übernahm die Vertheidigung der genialen Schriftstellerin und schrieb einige Blätter, die vielleicht ebenso lange dauern werden als die Werke des Dichters selbst. Mit diesen Romanen schließt sich die erste Periode von Sands Thätigkeit ab. Sie war von ihrer Reise mit Musset aus Venedig zurückgekommen und schrieb le tzoeretiüre intime. Die Freundschaft mit Alfred de Musset hatte der vielgeprüften Frau neue Leiden, neue Enttäuschungen zugezogen, aber sie hatte auch gelernt, das Leben zu verstehen und manches Problem in ihrem Herzen zu lösen. Die Wanderjahre waren vorüber, der Kreis ihrer Anschauung hatte sich erweitert, ihre Kunstwerke fingen an, sich selbst zum Zwecke zu haben. Andre, La Marquise, Lavinia Metella und Mattea erschienen schnell nacheinander. Die Ruhe war in ihr Herz zurückgekehrt und mit ihr wuchs die Fruchtbarkeit ihres Genies in erstaunlichem Maße. Andre ist ein reizender Roman, ein Seitenstück zu Paul und Virginie, wenn nicht jene unangenhme Ueberraschung in der endlichen Entwicklung des Helden, die eine psychologische Unmöglichkeit, diesem Buche seinen ursprünglichen Charakter raubte. Metella ist vielleicht die erste Frucht der mit dem Blute ihres Herzens bezahlten Erfahrung unsrer Dich¬ terin. 8im«n Naupiat, l.eure l.coul, In, äermörs ^läini, les Uaitreg IVlv- saistss, l'uuline, vn'divor ü, NiiM-que erschienen von 1833 bis -1837. Eines der merkwürdigsten Bücher ist wol les maitres Nosaistes. Georges Sand sah den großen Eindruck, den Paul und Virginie auf das kindliche Gemüth ihres Sohnes machte und sie wollte ihm einen Roman ohne Liebesintrigue und mit einem glücklichen.Ausgange zur Lectüre bieten. Die stilistische Meisterschaft 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/227>, abgerufen am 17.06.2024.