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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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errichtet wurden. Nichts Geringres wäre ihre Aufgabe, als den Verkehr
zwischen Asien und Europa auf dem kürzesten Wege zu vermitteln.

Die Mühe und vielseitige Thätigkeit des Herrn von Brück ist, wie ich
höre, diesen Verhältnissen nicht fremd, und wenn irgendein Staatsmann be¬
müht gewesen ist, die Mittel ausfindig zu machen, durch welche die Türkei
demnächst Europa als ein organisches Glied anzufügen sein wird, so ist er es.
Lord Stratford, als englischer Vertreter, nimmt, seiner Individualität folgend,
mehr eine politische als den materiellen Interessen zugewendete Stellung ein.
Das Verhältniß, in welchem künftig die verschiednen Konfessionen in diesem
Lande zueinander stehen werden, scheint sein Steckenpferd zu sein. Wenn ich
recht unterrichtet bin, so vertritt das englische Interesse in Bezug auf die dem-
nächstigen Eisenbahnen ausschließlich Oberst Siemers, der bekannte, auch von
mir mehrfach erwähnte, zu Omer Paschas Verfügung gestellte englische Jnge-
nieuroffizier.

Frankreich seinerseits weiß, daß es aus neuen Wegverbindungen im osma-
nischen Reich, namentlich in dessen europäischen Provinzen, keine directen Vor¬
theile für sich ziehen kann, und beschränkt aus diesem Grunde seine Thätigkeit
auf die Vermehrung und Beschleunigung seiner Schiffahrtscommunication mit
Konstantinopel und den Haupthafen des Orients. Man muß anerkennen, daß
es in dieser Hinsicht viel geleistet und namentlich den östreichischen Lloyd weit,
weit überflügelt hat. Ein französischer Postdampfer legt den Weg von hier
bis Marseille in der Regel innerhalb sechs Tagen zurück und neuerdings ist
die Strecke, in vielen Fällen, in nur fünf Tagen durchschifft worden. So
kurze Fahrten hat der Loyd, auf einem weit weniger langen Wege, noch nicht
gemacht, und wenn die Briefbesörderung in Frankreich, namentlich im südlichen,
nicht manches in Hinsicht auf Pünktlichkeit zu wünschen übrigließ, würde es
in Frage kommen: ob man nicht besser thäte, Briefe über Marseille, anstatt
über Trieft gehen zu lassen.

Darin dürften der englische und französische Einfluß in der Türkei einander
begegnen, daß beide mehr bemüht sind, den Bau von Eisenbahnen in den
astatischen Landestheilen, wie in den europäischen zu fördern. Um dem Handel
von Marseille und der französischen Südstädte aufzuhelfen, würde namentlich
eine Bahn, welche quer durch Kleinasien liefe und bei Smyrna münden könnte,
ersprießlich sein. Derartige transversale Linien vermöchte Oestreich nur über
Triest auszubeuten und es hätte dabei wenig Vortheile vor seinen beiden
Rivalen voraus: dagegen die aus der Herstellung von Longitudinallinien
fließenden ihm zumeist allein und ausschließlich in den Schoß fallen werden.

Oestreich ist von jeher bemüht gewesen, England zu überreden, wie beider
commerctelle Zutreffen im Orient identisch seien. Sie sind dies indeß nur zum
Theil und mit vieler Voraussicht erkennt man in London, Leeds, Birmingham


errichtet wurden. Nichts Geringres wäre ihre Aufgabe, als den Verkehr
zwischen Asien und Europa auf dem kürzesten Wege zu vermitteln.

Die Mühe und vielseitige Thätigkeit des Herrn von Brück ist, wie ich
höre, diesen Verhältnissen nicht fremd, und wenn irgendein Staatsmann be¬
müht gewesen ist, die Mittel ausfindig zu machen, durch welche die Türkei
demnächst Europa als ein organisches Glied anzufügen sein wird, so ist er es.
Lord Stratford, als englischer Vertreter, nimmt, seiner Individualität folgend,
mehr eine politische als den materiellen Interessen zugewendete Stellung ein.
Das Verhältniß, in welchem künftig die verschiednen Konfessionen in diesem
Lande zueinander stehen werden, scheint sein Steckenpferd zu sein. Wenn ich
recht unterrichtet bin, so vertritt das englische Interesse in Bezug auf die dem-
nächstigen Eisenbahnen ausschließlich Oberst Siemers, der bekannte, auch von
mir mehrfach erwähnte, zu Omer Paschas Verfügung gestellte englische Jnge-
nieuroffizier.

Frankreich seinerseits weiß, daß es aus neuen Wegverbindungen im osma-
nischen Reich, namentlich in dessen europäischen Provinzen, keine directen Vor¬
theile für sich ziehen kann, und beschränkt aus diesem Grunde seine Thätigkeit
auf die Vermehrung und Beschleunigung seiner Schiffahrtscommunication mit
Konstantinopel und den Haupthafen des Orients. Man muß anerkennen, daß
es in dieser Hinsicht viel geleistet und namentlich den östreichischen Lloyd weit,
weit überflügelt hat. Ein französischer Postdampfer legt den Weg von hier
bis Marseille in der Regel innerhalb sechs Tagen zurück und neuerdings ist
die Strecke, in vielen Fällen, in nur fünf Tagen durchschifft worden. So
kurze Fahrten hat der Loyd, auf einem weit weniger langen Wege, noch nicht
gemacht, und wenn die Briefbesörderung in Frankreich, namentlich im südlichen,
nicht manches in Hinsicht auf Pünktlichkeit zu wünschen übrigließ, würde es
in Frage kommen: ob man nicht besser thäte, Briefe über Marseille, anstatt
über Trieft gehen zu lassen.

Darin dürften der englische und französische Einfluß in der Türkei einander
begegnen, daß beide mehr bemüht sind, den Bau von Eisenbahnen in den
astatischen Landestheilen, wie in den europäischen zu fördern. Um dem Handel
von Marseille und der französischen Südstädte aufzuhelfen, würde namentlich
eine Bahn, welche quer durch Kleinasien liefe und bei Smyrna münden könnte,
ersprießlich sein. Derartige transversale Linien vermöchte Oestreich nur über
Triest auszubeuten und es hätte dabei wenig Vortheile vor seinen beiden
Rivalen voraus: dagegen die aus der Herstellung von Longitudinallinien
fließenden ihm zumeist allein und ausschließlich in den Schoß fallen werden.

Oestreich ist von jeher bemüht gewesen, England zu überreden, wie beider
commerctelle Zutreffen im Orient identisch seien. Sie sind dies indeß nur zum
Theil und mit vieler Voraussicht erkennt man in London, Leeds, Birmingham


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/234>, abgerufen am 17.06.2024.