Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Deutschland hierher geführt. Unter letzteren schienen Hermann Orgcs (jetzt Mit¬
glied der Redaction der Allgemeinen Zeitung), Otto v. Wenkstern (Korrespondent
der Daily News), und Moritz Hartmann (Berichterstatter der Kölnischen
Zeitung) die bedeutendsten zu sein. Letzterer weilt, von einer sich jetzt zur Ge¬
nesung neigenden Krankheit zurückgehalten, noch hier; auf den ersteren aber
glaube ich Sie als auf ein reiches publicistisches Talent aufmerksam machen
zu müssen, welches zu einer späteren weitgreifenden Wirksamkeit bestimmt zu
sein scheint. Die Ir-Artikel in der Augsburgerin, denen man oft begegnet, rühren
von H. Orges her. Als seine größte Leistung erschienen mir indeß bis dahin
die von der französischen Hauptstadt aus im Jahre-1832 geschriebenen "Pariser
Briefe".

Otto v. Wenkstern darf nur bedingungsweise noch ein Deutscher genannt
werden; seit etwa fünfzehn Jahren betrachtet er England als seine Heimat,
und als Autor gehört er der britischen Literatur an, deren Sprache ihm ge¬
läufiger geworden ist, wie seine vaterländische. Gegenwärtig befindet er sich
in der Krim und hat seine Behausung auf einem in der Bucht von Balaklava
vor Anker liegenden Kriegsschiff aufgeschlagen. So ist er im Stande, seine
Berichte an Däily News aus unmittelbarer Anschauung gleich dem Timeö-
correspondenten zu schreiben, mit dem er zusammen am Tage die Velagerungö-
arbeiten, die Lager und Kampfplätze besucht. Wenn ich recht unterrichtet
bin, ist sein Feld mehr die Belletristik wie die Publicistik im engern Sinne.
Von feiner und zarter Constitution hat er viel Energie und eine so reiche
Productionskraft, daß er zu jeder Stunde zum Schreiben aufgelegt nach acht
bis zehnstündigem Ritt vom Pferde steigend oft sechs Stunden lang unmittelbar
darnach am Schreibtisch zubringt.




Der Fechter von Ravenna, Trauerspiel in fünf Aufzügen.

Das vielbesprochne Stück ist nach seiner Aufführung an der Burg in d. Bl-
von dem Wiener Korrespondenten bereits beurtheilt. Seit der Zeit macht
es seinen glänzenden Bühnenlauf aus ca. 25 großen und 50 kleinen Souffleur¬
kasten, fast überall dem Publicum willkommen, an vielen Orten durch die
Tagespresse mit großer Strenge kritistrt. In der That sind die Vorzüge und
Schwächen dieses Dramas so oft richtig dargestellt werden, daß die hier folgende
Kritik dasselbe zumeist als eine Gelegenheit benutzt, wieder an einzelne Gesetze
des dramatischen Schaffens zu erinnern.

Welche Gründe Fr. Halm auch gehabt haben mag, seine Autorschaft


Deutschland hierher geführt. Unter letzteren schienen Hermann Orgcs (jetzt Mit¬
glied der Redaction der Allgemeinen Zeitung), Otto v. Wenkstern (Korrespondent
der Daily News), und Moritz Hartmann (Berichterstatter der Kölnischen
Zeitung) die bedeutendsten zu sein. Letzterer weilt, von einer sich jetzt zur Ge¬
nesung neigenden Krankheit zurückgehalten, noch hier; auf den ersteren aber
glaube ich Sie als auf ein reiches publicistisches Talent aufmerksam machen
zu müssen, welches zu einer späteren weitgreifenden Wirksamkeit bestimmt zu
sein scheint. Die Ir-Artikel in der Augsburgerin, denen man oft begegnet, rühren
von H. Orges her. Als seine größte Leistung erschienen mir indeß bis dahin
die von der französischen Hauptstadt aus im Jahre-1832 geschriebenen „Pariser
Briefe".

Otto v. Wenkstern darf nur bedingungsweise noch ein Deutscher genannt
werden; seit etwa fünfzehn Jahren betrachtet er England als seine Heimat,
und als Autor gehört er der britischen Literatur an, deren Sprache ihm ge¬
läufiger geworden ist, wie seine vaterländische. Gegenwärtig befindet er sich
in der Krim und hat seine Behausung auf einem in der Bucht von Balaklava
vor Anker liegenden Kriegsschiff aufgeschlagen. So ist er im Stande, seine
Berichte an Däily News aus unmittelbarer Anschauung gleich dem Timeö-
correspondenten zu schreiben, mit dem er zusammen am Tage die Velagerungö-
arbeiten, die Lager und Kampfplätze besucht. Wenn ich recht unterrichtet
bin, ist sein Feld mehr die Belletristik wie die Publicistik im engern Sinne.
Von feiner und zarter Constitution hat er viel Energie und eine so reiche
Productionskraft, daß er zu jeder Stunde zum Schreiben aufgelegt nach acht
bis zehnstündigem Ritt vom Pferde steigend oft sechs Stunden lang unmittelbar
darnach am Schreibtisch zubringt.




Der Fechter von Ravenna, Trauerspiel in fünf Aufzügen.

Das vielbesprochne Stück ist nach seiner Aufführung an der Burg in d. Bl-
von dem Wiener Korrespondenten bereits beurtheilt. Seit der Zeit macht
es seinen glänzenden Bühnenlauf aus ca. 25 großen und 50 kleinen Souffleur¬
kasten, fast überall dem Publicum willkommen, an vielen Orten durch die
Tagespresse mit großer Strenge kritistrt. In der That sind die Vorzüge und
Schwächen dieses Dramas so oft richtig dargestellt werden, daß die hier folgende
Kritik dasselbe zumeist als eine Gelegenheit benutzt, wieder an einzelne Gesetze
des dramatischen Schaffens zu erinnern.

Welche Gründe Fr. Halm auch gehabt haben mag, seine Autorschaft


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99090"/>
          <p xml:id="ID_839" prev="#ID_838"> Deutschland hierher geführt. Unter letzteren schienen Hermann Orgcs (jetzt Mit¬<lb/>
glied der Redaction der Allgemeinen Zeitung), Otto v. Wenkstern (Korrespondent<lb/>
der Daily News), und Moritz Hartmann (Berichterstatter der Kölnischen<lb/>
Zeitung) die bedeutendsten zu sein. Letzterer weilt, von einer sich jetzt zur Ge¬<lb/>
nesung neigenden Krankheit zurückgehalten, noch hier; auf den ersteren aber<lb/>
glaube ich Sie als auf ein reiches publicistisches Talent aufmerksam machen<lb/>
zu müssen, welches zu einer späteren weitgreifenden Wirksamkeit bestimmt zu<lb/>
sein scheint. Die Ir-Artikel in der Augsburgerin, denen man oft begegnet, rühren<lb/>
von H. Orges her. Als seine größte Leistung erschienen mir indeß bis dahin<lb/>
die von der französischen Hauptstadt aus im Jahre-1832 geschriebenen &#x201E;Pariser<lb/>
Briefe".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_840"> Otto v. Wenkstern darf nur bedingungsweise noch ein Deutscher genannt<lb/>
werden; seit etwa fünfzehn Jahren betrachtet er England als seine Heimat,<lb/>
und als Autor gehört er der britischen Literatur an, deren Sprache ihm ge¬<lb/>
läufiger geworden ist, wie seine vaterländische. Gegenwärtig befindet er sich<lb/>
in der Krim und hat seine Behausung auf einem in der Bucht von Balaklava<lb/>
vor Anker liegenden Kriegsschiff aufgeschlagen. So ist er im Stande, seine<lb/>
Berichte an Däily News aus unmittelbarer Anschauung gleich dem Timeö-<lb/>
correspondenten zu schreiben, mit dem er zusammen am Tage die Velagerungö-<lb/>
arbeiten, die Lager und Kampfplätze besucht. Wenn ich recht unterrichtet<lb/>
bin, ist sein Feld mehr die Belletristik wie die Publicistik im engern Sinne.<lb/>
Von feiner und zarter Constitution hat er viel Energie und eine so reiche<lb/>
Productionskraft, daß er zu jeder Stunde zum Schreiben aufgelegt nach acht<lb/>
bis zehnstündigem Ritt vom Pferde steigend oft sechs Stunden lang unmittelbar<lb/>
darnach am Schreibtisch zubringt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Fechter von Ravenna, Trauerspiel in fünf Aufzügen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_841"> Das vielbesprochne Stück ist nach seiner Aufführung an der Burg in d. Bl-<lb/>
von dem Wiener Korrespondenten bereits beurtheilt. Seit der Zeit macht<lb/>
es seinen glänzenden Bühnenlauf aus ca. 25 großen und 50 kleinen Souffleur¬<lb/>
kasten, fast überall dem Publicum willkommen, an vielen Orten durch die<lb/>
Tagespresse mit großer Strenge kritistrt. In der That sind die Vorzüge und<lb/>
Schwächen dieses Dramas so oft richtig dargestellt werden, daß die hier folgende<lb/>
Kritik dasselbe zumeist als eine Gelegenheit benutzt, wieder an einzelne Gesetze<lb/>
des dramatischen Schaffens zu erinnern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_842" next="#ID_843"> Welche Gründe Fr. Halm auch gehabt haben mag, seine Autorschaft</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0238] Deutschland hierher geführt. Unter letzteren schienen Hermann Orgcs (jetzt Mit¬ glied der Redaction der Allgemeinen Zeitung), Otto v. Wenkstern (Korrespondent der Daily News), und Moritz Hartmann (Berichterstatter der Kölnischen Zeitung) die bedeutendsten zu sein. Letzterer weilt, von einer sich jetzt zur Ge¬ nesung neigenden Krankheit zurückgehalten, noch hier; auf den ersteren aber glaube ich Sie als auf ein reiches publicistisches Talent aufmerksam machen zu müssen, welches zu einer späteren weitgreifenden Wirksamkeit bestimmt zu sein scheint. Die Ir-Artikel in der Augsburgerin, denen man oft begegnet, rühren von H. Orges her. Als seine größte Leistung erschienen mir indeß bis dahin die von der französischen Hauptstadt aus im Jahre-1832 geschriebenen „Pariser Briefe". Otto v. Wenkstern darf nur bedingungsweise noch ein Deutscher genannt werden; seit etwa fünfzehn Jahren betrachtet er England als seine Heimat, und als Autor gehört er der britischen Literatur an, deren Sprache ihm ge¬ läufiger geworden ist, wie seine vaterländische. Gegenwärtig befindet er sich in der Krim und hat seine Behausung auf einem in der Bucht von Balaklava vor Anker liegenden Kriegsschiff aufgeschlagen. So ist er im Stande, seine Berichte an Däily News aus unmittelbarer Anschauung gleich dem Timeö- correspondenten zu schreiben, mit dem er zusammen am Tage die Velagerungö- arbeiten, die Lager und Kampfplätze besucht. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist sein Feld mehr die Belletristik wie die Publicistik im engern Sinne. Von feiner und zarter Constitution hat er viel Energie und eine so reiche Productionskraft, daß er zu jeder Stunde zum Schreiben aufgelegt nach acht bis zehnstündigem Ritt vom Pferde steigend oft sechs Stunden lang unmittelbar darnach am Schreibtisch zubringt. Der Fechter von Ravenna, Trauerspiel in fünf Aufzügen. Das vielbesprochne Stück ist nach seiner Aufführung an der Burg in d. Bl- von dem Wiener Korrespondenten bereits beurtheilt. Seit der Zeit macht es seinen glänzenden Bühnenlauf aus ca. 25 großen und 50 kleinen Souffleur¬ kasten, fast überall dem Publicum willkommen, an vielen Orten durch die Tagespresse mit großer Strenge kritistrt. In der That sind die Vorzüge und Schwächen dieses Dramas so oft richtig dargestellt werden, daß die hier folgende Kritik dasselbe zumeist als eine Gelegenheit benutzt, wieder an einzelne Gesetze des dramatischen Schaffens zu erinnern. Welche Gründe Fr. Halm auch gehabt haben mag, seine Autorschaft

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/238
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/238>, abgerufen am 17.06.2024.