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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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geheim zu halten, er konnte nicht hoffen, vor den gebildeten Darstellern seiner
Rollen und vor- einer Kritik, die ihn seit vielen Jahren mit Antheil betrachtet
hat, verborgen zu bleiben.. Das Stück zeigt die Vorzüge und Mängel seiner
schöpferischen Kraft in so hohem Grade, daß nur die wunderbarste Laune der
Natur eine ihn so gleiche Dichterpersönlichkeit hätte substituiren können. Es
ist seine glänzende, nicht immer correcte Sprache, sein rhetorisches Pathos, sein
klangvoller Vers, es ist bei seinem brillanten Colorit seine Armuth und
Magerkeit in der Charakterzeichnung, es ist seine Methode der Situations¬
benutzung und Gruppirung, eine Mischung von seinem, raffinirtem Behandeln
dramatischer Momente und wieder von Monotonie und Unbehilflichkeit, es sind
seine Fehler in Erfindung der dramatischen Handlung und sein virtuoses Ge¬
schick, auch das Undrcunatische dem Bedürfniß der Bühne zu aptiren, es ist
endlich dasselbe Gemüth, ein warmes Dichtergemüth, dessen Aeußerungen manch¬
mal erhaben, zuweilen trivial, ja in einzelnen Fällen geschmacklos, aber nie
gemein werden, kurz es ist der Verfasser der Griseldis, des Sohns der Wild-
niß u. s. w., der zu dem deutschen Publicum spricht. Dazukommen zahlreiche
Reminiscenzen an frühere Stücke Halms, nicht Wiederholungen, aber Anklänge
an früher Geschaffnes, wie sie jedem Dichter, am meisten dem pathetischen
Redner unvermeidlich sind. Es ist möglich, daß Einzelnes in der Idee, vielleicht
auch in den Worten von einem andern herrührt, (obgleich Referent nichts darin
gefunden hat, was nicht Halm selbst gemacht haben könnte) aber das Stück als
Ganzes gehört ihm.

Die poetische Idee des Stückes ist der Gegensatz einer deutschen Helden-
mutter zu ihrem eignen Sohne, dessen Leib und Geist den Feinden ihres Vater¬
landes verfallen sind.

Diese Heldenmutter ist Thusnelda, die Wittwe Arnims, des Siegers im
Teutoburger Wald. Sie ist in einem spätern Streifzuge der Römer als Ge¬
fangne nach Rom geführt worden. - Als sie beim Triumphzuge des römischen
Feldherrn ausgeführt werden sollte, hat sie sich nicht den Tod gegeben, weil
sie damals ein Kind Arnims unter dem Herzen trug. In Rom hat sie einen
Sohn geboren, er ist als Kind durch Tiber der Mutter fortgenommen und
ZU Ravenna in dem entehrenden Gewerbe eines römischen Gladiators erzogen
worden. Die Mutter lebt einsam in leichter Haft viele Jahre zu Rom, ohne
Hoffnung und doch am Leben gehalten durch den Gedanken an ihren Sohn,
von dem sie nichts erfährt. Da dringt in ihre Einsamkeit ein Abgesandter der
deutschen Völker, ein Wasserfreund ihres Gatten, der für die vereinigten deutschen
Stämme zum Rachezug gegen Rom ihren Sohn als Feldherrn verlangt. Er
hat alles zur Flucht vorbereitet. Zu derselben Zeit ist die Fechterbande von
Ravenna auf Befehl des Kaisers zu den bevorstehenden Kampfspielen nach
Rom gekommen. Die Mutter findet ihren Sohn wieder, sie erkennt ihn an


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geheim zu halten, er konnte nicht hoffen, vor den gebildeten Darstellern seiner
Rollen und vor- einer Kritik, die ihn seit vielen Jahren mit Antheil betrachtet
hat, verborgen zu bleiben.. Das Stück zeigt die Vorzüge und Mängel seiner
schöpferischen Kraft in so hohem Grade, daß nur die wunderbarste Laune der
Natur eine ihn so gleiche Dichterpersönlichkeit hätte substituiren können. Es
ist seine glänzende, nicht immer correcte Sprache, sein rhetorisches Pathos, sein
klangvoller Vers, es ist bei seinem brillanten Colorit seine Armuth und
Magerkeit in der Charakterzeichnung, es ist seine Methode der Situations¬
benutzung und Gruppirung, eine Mischung von seinem, raffinirtem Behandeln
dramatischer Momente und wieder von Monotonie und Unbehilflichkeit, es sind
seine Fehler in Erfindung der dramatischen Handlung und sein virtuoses Ge¬
schick, auch das Undrcunatische dem Bedürfniß der Bühne zu aptiren, es ist
endlich dasselbe Gemüth, ein warmes Dichtergemüth, dessen Aeußerungen manch¬
mal erhaben, zuweilen trivial, ja in einzelnen Fällen geschmacklos, aber nie
gemein werden, kurz es ist der Verfasser der Griseldis, des Sohns der Wild-
niß u. s. w., der zu dem deutschen Publicum spricht. Dazukommen zahlreiche
Reminiscenzen an frühere Stücke Halms, nicht Wiederholungen, aber Anklänge
an früher Geschaffnes, wie sie jedem Dichter, am meisten dem pathetischen
Redner unvermeidlich sind. Es ist möglich, daß Einzelnes in der Idee, vielleicht
auch in den Worten von einem andern herrührt, (obgleich Referent nichts darin
gefunden hat, was nicht Halm selbst gemacht haben könnte) aber das Stück als
Ganzes gehört ihm.

Die poetische Idee des Stückes ist der Gegensatz einer deutschen Helden-
mutter zu ihrem eignen Sohne, dessen Leib und Geist den Feinden ihres Vater¬
landes verfallen sind.

Diese Heldenmutter ist Thusnelda, die Wittwe Arnims, des Siegers im
Teutoburger Wald. Sie ist in einem spätern Streifzuge der Römer als Ge¬
fangne nach Rom geführt worden. - Als sie beim Triumphzuge des römischen
Feldherrn ausgeführt werden sollte, hat sie sich nicht den Tod gegeben, weil
sie damals ein Kind Arnims unter dem Herzen trug. In Rom hat sie einen
Sohn geboren, er ist als Kind durch Tiber der Mutter fortgenommen und
ZU Ravenna in dem entehrenden Gewerbe eines römischen Gladiators erzogen
worden. Die Mutter lebt einsam in leichter Haft viele Jahre zu Rom, ohne
Hoffnung und doch am Leben gehalten durch den Gedanken an ihren Sohn,
von dem sie nichts erfährt. Da dringt in ihre Einsamkeit ein Abgesandter der
deutschen Völker, ein Wasserfreund ihres Gatten, der für die vereinigten deutschen
Stämme zum Rachezug gegen Rom ihren Sohn als Feldherrn verlangt. Er
hat alles zur Flucht vorbereitet. Zu derselben Zeit ist die Fechterbande von
Ravenna auf Befehl des Kaisers zu den bevorstehenden Kampfspielen nach
Rom gekommen. Die Mutter findet ihren Sohn wieder, sie erkennt ihn an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/239>, abgerufen am 17.06.2024.