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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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der Ähnlichkeit mit seinem Vater. -- Kaiser Caligula, das Scheusal, gegen
den sich grade eine Verschwörung seiner Prätorianer vorbereitet, durch Gewissens¬
bisse, Gift und den CäsarenwahnstnN zerrüttet, sucht scheußliche Aufregungen.
Von den Verschwornen, zu denen sein Weib Cäsonia gehört, gelenkt, verfällt
er darauf, einen Sieg über die Germanen im Circus zu feiern. Thusnelda
soll in deutscher Fürstentracht beim Kampfspiel erscheinen, vor ihren Augen
soll ihr Sohn, der Gladiator, einem todtbringenden Kämpfer des Kaisers unter¬
liegen, er selbst in germanischer Tracht als Vertreter Deutschlands. Leiter des
Kampfspiels soll Flavius, der Bruder und Feind Arnims, Verräther ,an seinem
Vaterlande und römischer Ritter, werden. -- Der Sohn Thusneldas ist mit
ganzer Seele Gladiator und Römer, er hat kein Gefühl für das Entehrende
seines Gewerbes, er liebelt mit einem römischen Blumenmädchen, er versteht
die begeisterten Worte seiner Mutter ganz und gar nicht. Flavius, der mit
Abscheu die ihm zugetheilte Rolle übernommen hat, sucht vergebens Versöh¬
nung mit Thusnelda, welche ihn verachtet; in seiner Gegenwart erklärt der
Sohn der Mutter mit rauhen Worten, daß er es für eine Ehre halte, vor
dem Kaiser zu fechten und von ihrem Deutschland nichts wissen wolle. --
Alles fernere Drängen drr Mutter und des deutschen Gesandten Merowig
vermag ihn nicht umzustimmen. In ihrer Verzweiflung fleht Thusnelda sogar
seine Geliebte, das Blumenmädchen an, ihren Einfluß auf den Sohn anzu¬
wenden. Die Dirne hat etwas mehr Verständniß für den großen Sinn der
deutschen Frau, aber auch sie weist die Kniende zurück, weil ihr Sohn sowie
seine Geliebte der Schande verfallen seien. Da kommt der verzweifelnden
Thusnelda der Befehl des Kaisers, als Germania in vollem Schmuck, den
EicheMranz im Haar, beim Kampfspiele auszutreten, sie faßt den verzweifelten
Entschluß als Germania an ihrem Sohn zu handeln. -- Die Stunde des
Kampfes naht heran, Thumelicus sucht sich gutmüthig in seiner Weise mit der
Mutter zu versöhnen und schläft ein. Sie ersticht ihn mit dem Schwert seines
Vaters, das der Freund für den künftigen Feldherrn aus Deutschland gebracht.
Der Kaiser und sein Hos erscheinen in feierlichem Zuge, um Thusnelda und
ihren Sohn zum Kampfspiel abzuholen. Sie finden den Sohn als Leiche,
die Mutter spricht noch Seherworte, prophezeit die Nölkerwandrung und tödtet
sich selbst. Caligula, dem sein Kampfspiel verdorben ist, beschließt, statt der
Getödteten eine Anzahl Christen seinen hyrkanischen Hündchen, den Löwen, vor¬
zuwerfen. Die Verschwornen dagegen beschließen, ihn am nächsten Tage
zu todten.

Ein solcher Inhalt, mit großem scenischen Geschick in fünf Acte vertheilt
und durch eine Anzahl höchst wirksamer Situationen imponirend gemacht, ver¬
mag doch keine tragische Handlung herzustellen. Denn der H-ändlung fehlen
zwei Hauptbedingungen für eine reine, künstlerische Wirkung, ein würdiger


der Ähnlichkeit mit seinem Vater. — Kaiser Caligula, das Scheusal, gegen
den sich grade eine Verschwörung seiner Prätorianer vorbereitet, durch Gewissens¬
bisse, Gift und den CäsarenwahnstnN zerrüttet, sucht scheußliche Aufregungen.
Von den Verschwornen, zu denen sein Weib Cäsonia gehört, gelenkt, verfällt
er darauf, einen Sieg über die Germanen im Circus zu feiern. Thusnelda
soll in deutscher Fürstentracht beim Kampfspiel erscheinen, vor ihren Augen
soll ihr Sohn, der Gladiator, einem todtbringenden Kämpfer des Kaisers unter¬
liegen, er selbst in germanischer Tracht als Vertreter Deutschlands. Leiter des
Kampfspiels soll Flavius, der Bruder und Feind Arnims, Verräther ,an seinem
Vaterlande und römischer Ritter, werden. — Der Sohn Thusneldas ist mit
ganzer Seele Gladiator und Römer, er hat kein Gefühl für das Entehrende
seines Gewerbes, er liebelt mit einem römischen Blumenmädchen, er versteht
die begeisterten Worte seiner Mutter ganz und gar nicht. Flavius, der mit
Abscheu die ihm zugetheilte Rolle übernommen hat, sucht vergebens Versöh¬
nung mit Thusnelda, welche ihn verachtet; in seiner Gegenwart erklärt der
Sohn der Mutter mit rauhen Worten, daß er es für eine Ehre halte, vor
dem Kaiser zu fechten und von ihrem Deutschland nichts wissen wolle. —
Alles fernere Drängen drr Mutter und des deutschen Gesandten Merowig
vermag ihn nicht umzustimmen. In ihrer Verzweiflung fleht Thusnelda sogar
seine Geliebte, das Blumenmädchen an, ihren Einfluß auf den Sohn anzu¬
wenden. Die Dirne hat etwas mehr Verständniß für den großen Sinn der
deutschen Frau, aber auch sie weist die Kniende zurück, weil ihr Sohn sowie
seine Geliebte der Schande verfallen seien. Da kommt der verzweifelnden
Thusnelda der Befehl des Kaisers, als Germania in vollem Schmuck, den
EicheMranz im Haar, beim Kampfspiele auszutreten, sie faßt den verzweifelten
Entschluß als Germania an ihrem Sohn zu handeln. — Die Stunde des
Kampfes naht heran, Thumelicus sucht sich gutmüthig in seiner Weise mit der
Mutter zu versöhnen und schläft ein. Sie ersticht ihn mit dem Schwert seines
Vaters, das der Freund für den künftigen Feldherrn aus Deutschland gebracht.
Der Kaiser und sein Hos erscheinen in feierlichem Zuge, um Thusnelda und
ihren Sohn zum Kampfspiel abzuholen. Sie finden den Sohn als Leiche,
die Mutter spricht noch Seherworte, prophezeit die Nölkerwandrung und tödtet
sich selbst. Caligula, dem sein Kampfspiel verdorben ist, beschließt, statt der
Getödteten eine Anzahl Christen seinen hyrkanischen Hündchen, den Löwen, vor¬
zuwerfen. Die Verschwornen dagegen beschließen, ihn am nächsten Tage
zu todten.

Ein solcher Inhalt, mit großem scenischen Geschick in fünf Acte vertheilt
und durch eine Anzahl höchst wirksamer Situationen imponirend gemacht, ver¬
mag doch keine tragische Handlung herzustellen. Denn der H-ändlung fehlen
zwei Hauptbedingungen für eine reine, künstlerische Wirkung, ein würdiger


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[0240] der Ähnlichkeit mit seinem Vater. — Kaiser Caligula, das Scheusal, gegen den sich grade eine Verschwörung seiner Prätorianer vorbereitet, durch Gewissens¬ bisse, Gift und den CäsarenwahnstnN zerrüttet, sucht scheußliche Aufregungen. Von den Verschwornen, zu denen sein Weib Cäsonia gehört, gelenkt, verfällt er darauf, einen Sieg über die Germanen im Circus zu feiern. Thusnelda soll in deutscher Fürstentracht beim Kampfspiel erscheinen, vor ihren Augen soll ihr Sohn, der Gladiator, einem todtbringenden Kämpfer des Kaisers unter¬ liegen, er selbst in germanischer Tracht als Vertreter Deutschlands. Leiter des Kampfspiels soll Flavius, der Bruder und Feind Arnims, Verräther ,an seinem Vaterlande und römischer Ritter, werden. — Der Sohn Thusneldas ist mit ganzer Seele Gladiator und Römer, er hat kein Gefühl für das Entehrende seines Gewerbes, er liebelt mit einem römischen Blumenmädchen, er versteht die begeisterten Worte seiner Mutter ganz und gar nicht. Flavius, der mit Abscheu die ihm zugetheilte Rolle übernommen hat, sucht vergebens Versöh¬ nung mit Thusnelda, welche ihn verachtet; in seiner Gegenwart erklärt der Sohn der Mutter mit rauhen Worten, daß er es für eine Ehre halte, vor dem Kaiser zu fechten und von ihrem Deutschland nichts wissen wolle. — Alles fernere Drängen drr Mutter und des deutschen Gesandten Merowig vermag ihn nicht umzustimmen. In ihrer Verzweiflung fleht Thusnelda sogar seine Geliebte, das Blumenmädchen an, ihren Einfluß auf den Sohn anzu¬ wenden. Die Dirne hat etwas mehr Verständniß für den großen Sinn der deutschen Frau, aber auch sie weist die Kniende zurück, weil ihr Sohn sowie seine Geliebte der Schande verfallen seien. Da kommt der verzweifelnden Thusnelda der Befehl des Kaisers, als Germania in vollem Schmuck, den EicheMranz im Haar, beim Kampfspiele auszutreten, sie faßt den verzweifelten Entschluß als Germania an ihrem Sohn zu handeln. — Die Stunde des Kampfes naht heran, Thumelicus sucht sich gutmüthig in seiner Weise mit der Mutter zu versöhnen und schläft ein. Sie ersticht ihn mit dem Schwert seines Vaters, das der Freund für den künftigen Feldherrn aus Deutschland gebracht. Der Kaiser und sein Hos erscheinen in feierlichem Zuge, um Thusnelda und ihren Sohn zum Kampfspiel abzuholen. Sie finden den Sohn als Leiche, die Mutter spricht noch Seherworte, prophezeit die Nölkerwandrung und tödtet sich selbst. Caligula, dem sein Kampfspiel verdorben ist, beschließt, statt der Getödteten eine Anzahl Christen seinen hyrkanischen Hündchen, den Löwen, vor¬ zuwerfen. Die Verschwornen dagegen beschließen, ihn am nächsten Tage zu todten. Ein solcher Inhalt, mit großem scenischen Geschick in fünf Acte vertheilt und durch eine Anzahl höchst wirksamer Situationen imponirend gemacht, ver¬ mag doch keine tragische Handlung herzustellen. Denn der H-ändlung fehlen zwei Hauptbedingungen für eine reine, künstlerische Wirkung, ein würdiger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/240>, abgerufen am 17.06.2024.