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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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für Mäßigung gegenüber den meist üblichen, und es ist sehr erfreulich, daß man
sich auch hier derselben wieder anschließt.

Die Auswahl der Instrumentalcvmpositionen war ebenfalls sehr befriedi¬
gen d und für manches ist man zu besonderen Dank verpflichtet, wie für die
schöne Suite von Bach in v clur mit drei Trompeten, die sehr gut ausgeführt
wurde und mit einem Vortrag, der fein nuancirt war ohne den ehrenfester
Charakter der Suite zu beeinträchtigen; was allein das Verdienst des Diri¬
genten war, der bei dem Mangel an Vortragsbezeichnungen durch den Componisten
den Ausleger desselben machen muß. Am stärksten vertreten waren natürlich
die Ouvertüren, von Mozart die zur Zauberflöte; Cherubini Anakreon
(meisterhaft ausgeführt), Wasserträger; Beethoven Leonore (N. 3), Coriolan;
Weber Jubelouverture, Freischütz, Euryanthe; Mendelssohn Meeresstille
und glückliche Fahrt; Hiller Concertouverture in I) woll. Von Symphonien
sind ferner aufgeführt von Haydn eine weniger bekannte aber sehr frische und
schöne in I) aur, von B e ethoven die sroiea, die zweite in v clur (sehr erfreulich,
nachdem sie in längerer Zeit nicht gespielt worden war), und in ^aur(vor¬
züglich aufgeführt), von Gabe die erste in CmoII (welche vom Publicum nicht
mehr mit dem Interesse wie früher gehört wurde und wol vorläufig vom Repertoir
verschwinden dürste), von Schumann die in K clur und D moU. Außer diesen
kamen noch zwei neue Sinfonien zur Aufführung.

Die eine von Alb. Dietrich im 1''clur hat vor vielen neueren Compositio-
nen den unbestreitbaren Vorzug, daß sie anspruchslos auftritt, nichts An¬
deres sein will als gute, wohlklingende Musik und dazu auch keine unerhörten
Kraftanstrengungen und Mittel in Bewegung setzt; von hervorragender Be¬
deutung aber ist sie nicht. Der Anfang ist frisch und heiter, allein es ist dem
Componisten noch nicht gelungen, diese Grundstimmung in den einzelnen Sätzen
festzuhalten und aus ihr ein in sich einiges, aber in seinen einzelnen Gestalten
mannigfaches und bestimmt charaklerisirtes Gebilde herauszuarbeite". Das
Ganze leidet an einer gewissen Monotonie, aus der sich der Komponist mit¬
unter aufrafft, aber nur zu einzelnen vorübergehenden Kraftäußerungen.

Im entschiedensten Gegensatz dazu tritt die Sinfonie von A. Rubinstein
mit allen Prätensionen auf; der ganzen Anlage nach, den Dimensionen, den
Kunstmitteln, der Intention nach ist sie auf das Größte gerichtet und führt
keinen geringeren Titel als Ocean. Es hat sein Gutes, daß sie diese Ueber¬
schrift trägt, denn man würde sonst, durch die fortgesetzte Malerei, namentlich das
ewige Schaukeln und Unduliren in chromatischen Gängen unbehaglich berührt,
am Ende glauben, auf dem Lande ohne rechten Grund seekrank zu werden,
während man nun wenigstens erfährt, daß alle Ursache dazu vorhanden
ist. Aber es ist auch wieder bedenklich, daß man gewissermaßen gezwungen
wird, außer der Musik auch die Gedanken des Componisten zu errathen, wobei


für Mäßigung gegenüber den meist üblichen, und es ist sehr erfreulich, daß man
sich auch hier derselben wieder anschließt.

Die Auswahl der Instrumentalcvmpositionen war ebenfalls sehr befriedi¬
gen d und für manches ist man zu besonderen Dank verpflichtet, wie für die
schöne Suite von Bach in v clur mit drei Trompeten, die sehr gut ausgeführt
wurde und mit einem Vortrag, der fein nuancirt war ohne den ehrenfester
Charakter der Suite zu beeinträchtigen; was allein das Verdienst des Diri¬
genten war, der bei dem Mangel an Vortragsbezeichnungen durch den Componisten
den Ausleger desselben machen muß. Am stärksten vertreten waren natürlich
die Ouvertüren, von Mozart die zur Zauberflöte; Cherubini Anakreon
(meisterhaft ausgeführt), Wasserträger; Beethoven Leonore (N. 3), Coriolan;
Weber Jubelouverture, Freischütz, Euryanthe; Mendelssohn Meeresstille
und glückliche Fahrt; Hiller Concertouverture in I) woll. Von Symphonien
sind ferner aufgeführt von Haydn eine weniger bekannte aber sehr frische und
schöne in I) aur, von B e ethoven die sroiea, die zweite in v clur (sehr erfreulich,
nachdem sie in längerer Zeit nicht gespielt worden war), und in ^aur(vor¬
züglich aufgeführt), von Gabe die erste in CmoII (welche vom Publicum nicht
mehr mit dem Interesse wie früher gehört wurde und wol vorläufig vom Repertoir
verschwinden dürste), von Schumann die in K clur und D moU. Außer diesen
kamen noch zwei neue Sinfonien zur Aufführung.

Die eine von Alb. Dietrich im 1''clur hat vor vielen neueren Compositio-
nen den unbestreitbaren Vorzug, daß sie anspruchslos auftritt, nichts An¬
deres sein will als gute, wohlklingende Musik und dazu auch keine unerhörten
Kraftanstrengungen und Mittel in Bewegung setzt; von hervorragender Be¬
deutung aber ist sie nicht. Der Anfang ist frisch und heiter, allein es ist dem
Componisten noch nicht gelungen, diese Grundstimmung in den einzelnen Sätzen
festzuhalten und aus ihr ein in sich einiges, aber in seinen einzelnen Gestalten
mannigfaches und bestimmt charaklerisirtes Gebilde herauszuarbeite». Das
Ganze leidet an einer gewissen Monotonie, aus der sich der Komponist mit¬
unter aufrafft, aber nur zu einzelnen vorübergehenden Kraftäußerungen.

Im entschiedensten Gegensatz dazu tritt die Sinfonie von A. Rubinstein
mit allen Prätensionen auf; der ganzen Anlage nach, den Dimensionen, den
Kunstmitteln, der Intention nach ist sie auf das Größte gerichtet und führt
keinen geringeren Titel als Ocean. Es hat sein Gutes, daß sie diese Ueber¬
schrift trägt, denn man würde sonst, durch die fortgesetzte Malerei, namentlich das
ewige Schaukeln und Unduliren in chromatischen Gängen unbehaglich berührt,
am Ende glauben, auf dem Lande ohne rechten Grund seekrank zu werden,
während man nun wenigstens erfährt, daß alle Ursache dazu vorhanden
ist. Aber es ist auch wieder bedenklich, daß man gewissermaßen gezwungen
wird, außer der Musik auch die Gedanken des Componisten zu errathen, wobei


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[0066] für Mäßigung gegenüber den meist üblichen, und es ist sehr erfreulich, daß man sich auch hier derselben wieder anschließt. Die Auswahl der Instrumentalcvmpositionen war ebenfalls sehr befriedi¬ gen d und für manches ist man zu besonderen Dank verpflichtet, wie für die schöne Suite von Bach in v clur mit drei Trompeten, die sehr gut ausgeführt wurde und mit einem Vortrag, der fein nuancirt war ohne den ehrenfester Charakter der Suite zu beeinträchtigen; was allein das Verdienst des Diri¬ genten war, der bei dem Mangel an Vortragsbezeichnungen durch den Componisten den Ausleger desselben machen muß. Am stärksten vertreten waren natürlich die Ouvertüren, von Mozart die zur Zauberflöte; Cherubini Anakreon (meisterhaft ausgeführt), Wasserträger; Beethoven Leonore (N. 3), Coriolan; Weber Jubelouverture, Freischütz, Euryanthe; Mendelssohn Meeresstille und glückliche Fahrt; Hiller Concertouverture in I) woll. Von Symphonien sind ferner aufgeführt von Haydn eine weniger bekannte aber sehr frische und schöne in I) aur, von B e ethoven die sroiea, die zweite in v clur (sehr erfreulich, nachdem sie in längerer Zeit nicht gespielt worden war), und in ^aur(vor¬ züglich aufgeführt), von Gabe die erste in CmoII (welche vom Publicum nicht mehr mit dem Interesse wie früher gehört wurde und wol vorläufig vom Repertoir verschwinden dürste), von Schumann die in K clur und D moU. Außer diesen kamen noch zwei neue Sinfonien zur Aufführung. Die eine von Alb. Dietrich im 1''clur hat vor vielen neueren Compositio- nen den unbestreitbaren Vorzug, daß sie anspruchslos auftritt, nichts An¬ deres sein will als gute, wohlklingende Musik und dazu auch keine unerhörten Kraftanstrengungen und Mittel in Bewegung setzt; von hervorragender Be¬ deutung aber ist sie nicht. Der Anfang ist frisch und heiter, allein es ist dem Componisten noch nicht gelungen, diese Grundstimmung in den einzelnen Sätzen festzuhalten und aus ihr ein in sich einiges, aber in seinen einzelnen Gestalten mannigfaches und bestimmt charaklerisirtes Gebilde herauszuarbeite». Das Ganze leidet an einer gewissen Monotonie, aus der sich der Komponist mit¬ unter aufrafft, aber nur zu einzelnen vorübergehenden Kraftäußerungen. Im entschiedensten Gegensatz dazu tritt die Sinfonie von A. Rubinstein mit allen Prätensionen auf; der ganzen Anlage nach, den Dimensionen, den Kunstmitteln, der Intention nach ist sie auf das Größte gerichtet und führt keinen geringeren Titel als Ocean. Es hat sein Gutes, daß sie diese Ueber¬ schrift trägt, denn man würde sonst, durch die fortgesetzte Malerei, namentlich das ewige Schaukeln und Unduliren in chromatischen Gängen unbehaglich berührt, am Ende glauben, auf dem Lande ohne rechten Grund seekrank zu werden, während man nun wenigstens erfährt, daß alle Ursache dazu vorhanden ist. Aber es ist auch wieder bedenklich, daß man gewissermaßen gezwungen wird, außer der Musik auch die Gedanken des Componisten zu errathen, wobei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/66>, abgerufen am 17.06.2024.