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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Im Jahr 1692 wurde ein Versuch gemacht, der beweist, daß man anfing,
den Werth der Publizität für Geschäftsangelegenheiten zu würdigen. Es warb
eine Zeitung begründet: "Der City Merkur, gratis herausgegeben für die Be-
förderung des Handels", die sich zwei Jahre behauptete und nichts als An¬
zeigen enthielt. Der Verleger vertheilte wöchentlich tausend Exemplare an die
damaligen Hauptpunkte des Verkehrs, Kaffeehäuser, Tavernen und Buchläden.'
Indeß ein Versuch, der selbst in der Zeit fehlgeschlagen ist, wo "Times" mit
doppelten Beilagen erscheint, konnte damals noch weniger gelingen: es ist
vielmehr zu bewundern, daß das Interesse an Anzeigen bereits groß genug
war, um dem City Merkur so lange das Leben zü fristen.

In derselben Zeit ward ein Versuch gemacht, die gedruckte Zeitung mit
dem ältern schriftlichen Bericht über Neuigkeiten zu comviniren. Das alte Ge¬
werbe der schriftlichen Berichterstattung blühte auch nach der Begründung der
Zeitungen noch lange fort; natürlich war es in, einer Zeit der Unruhe und
Aufregung sicherer, Nachrichten über die Tagesereignisse schriftlich als mündlich
mitzutheilen, um so mehr, als viele solche Berichte von leidenschaftlichen Partei¬
gängern abgefaßt wurden. Die Cavaliere schlangen oft ihre Briefe, wenn sie
gefangen genommen wurden, herunter; und noch eristiren einige von Prinz
Rupert, auf denen tiefe rothe Flecken von der verzweifelten Anstrengung zeigen,
mit der ihr Träger sie zu vertheidigen suchte. Nach der Revolution fing die
Abstattung schriftlicher Nachrichten als Gewerbe an zu verschwinden, ovwol
noch im Jahr 1709 die Redaction der "Abenbpost" ihre Leser erinnert, "baß
für schriftliche Nachrichten drei oder vier Pfund jährlich zu bezahlen sind."
Denn noch immer erfüllten die Zeitungen nicht den Zweck ihrer Bestimmung,
der für die Leser in den Provinzen ein Hauptzweck war: das politische und
sociale Geklatsch des Tages mitzutheilen. Diesem ohne Zweifel lebhaft gefühl¬
ten Bedürfniß verdankt ein Plan, die alte und neue Methode zu comviniren,
seine Entstehung, der in der ".fliegenden Post" von 1694 folgendermaßen
Angekündigt wird. ,,Wenn Herren beabsichtigen, ihre Freunde oder Correspon-
denten in der Provinz durch den Bericht über die öffentlichen Angelegenheiten
Zu verpflichten, können sie dies für zwei Pence durch I. SaluSbury in der
aufgehenden Sonne zu Cornhill, auf einem Blatte guten Papiers, wovon die
Hälfte weiß ist und worauf sie ihre Privatgeschäfte oder die wesentlichen Tages-
neuigkeiten schreiben können." Man sollte glauben, daß es die Pflicht der
Redaction gewesen wäre, "die wesentlichen Tagesneuigkeiten" mitzutheilen;
vermuthlich war dies eine Veranstaltung, deren sich besonders die Jacobiten
bedienten, um Nachrichten durch die Post in Umlauf zu bringen, ohne den
Verleger zu compromittiren. Solche Blätter, halb gedruckt, halb geschrieben,
bewahrt das britische Museum noch in großer Anzahl.

Sonderbar ist es, daß die Zeitungen nicht früher zu Theateranzeigen be-


Im Jahr 1692 wurde ein Versuch gemacht, der beweist, daß man anfing,
den Werth der Publizität für Geschäftsangelegenheiten zu würdigen. Es warb
eine Zeitung begründet: „Der City Merkur, gratis herausgegeben für die Be-
förderung des Handels", die sich zwei Jahre behauptete und nichts als An¬
zeigen enthielt. Der Verleger vertheilte wöchentlich tausend Exemplare an die
damaligen Hauptpunkte des Verkehrs, Kaffeehäuser, Tavernen und Buchläden.'
Indeß ein Versuch, der selbst in der Zeit fehlgeschlagen ist, wo „Times" mit
doppelten Beilagen erscheint, konnte damals noch weniger gelingen: es ist
vielmehr zu bewundern, daß das Interesse an Anzeigen bereits groß genug
war, um dem City Merkur so lange das Leben zü fristen.

In derselben Zeit ward ein Versuch gemacht, die gedruckte Zeitung mit
dem ältern schriftlichen Bericht über Neuigkeiten zu comviniren. Das alte Ge¬
werbe der schriftlichen Berichterstattung blühte auch nach der Begründung der
Zeitungen noch lange fort; natürlich war es in, einer Zeit der Unruhe und
Aufregung sicherer, Nachrichten über die Tagesereignisse schriftlich als mündlich
mitzutheilen, um so mehr, als viele solche Berichte von leidenschaftlichen Partei¬
gängern abgefaßt wurden. Die Cavaliere schlangen oft ihre Briefe, wenn sie
gefangen genommen wurden, herunter; und noch eristiren einige von Prinz
Rupert, auf denen tiefe rothe Flecken von der verzweifelten Anstrengung zeigen,
mit der ihr Träger sie zu vertheidigen suchte. Nach der Revolution fing die
Abstattung schriftlicher Nachrichten als Gewerbe an zu verschwinden, ovwol
noch im Jahr 1709 die Redaction der „Abenbpost" ihre Leser erinnert, „baß
für schriftliche Nachrichten drei oder vier Pfund jährlich zu bezahlen sind."
Denn noch immer erfüllten die Zeitungen nicht den Zweck ihrer Bestimmung,
der für die Leser in den Provinzen ein Hauptzweck war: das politische und
sociale Geklatsch des Tages mitzutheilen. Diesem ohne Zweifel lebhaft gefühl¬
ten Bedürfniß verdankt ein Plan, die alte und neue Methode zu comviniren,
seine Entstehung, der in der „.fliegenden Post" von 1694 folgendermaßen
Angekündigt wird. ,,Wenn Herren beabsichtigen, ihre Freunde oder Correspon-
denten in der Provinz durch den Bericht über die öffentlichen Angelegenheiten
Zu verpflichten, können sie dies für zwei Pence durch I. SaluSbury in der
aufgehenden Sonne zu Cornhill, auf einem Blatte guten Papiers, wovon die
Hälfte weiß ist und worauf sie ihre Privatgeschäfte oder die wesentlichen Tages-
neuigkeiten schreiben können." Man sollte glauben, daß es die Pflicht der
Redaction gewesen wäre, „die wesentlichen Tagesneuigkeiten" mitzutheilen;
vermuthlich war dies eine Veranstaltung, deren sich besonders die Jacobiten
bedienten, um Nachrichten durch die Post in Umlauf zu bringen, ohne den
Verleger zu compromittiren. Solche Blätter, halb gedruckt, halb geschrieben,
bewahrt das britische Museum noch in großer Anzahl.

Sonderbar ist es, daß die Zeitungen nicht früher zu Theateranzeigen be-


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[0135] Im Jahr 1692 wurde ein Versuch gemacht, der beweist, daß man anfing, den Werth der Publizität für Geschäftsangelegenheiten zu würdigen. Es warb eine Zeitung begründet: „Der City Merkur, gratis herausgegeben für die Be- förderung des Handels", die sich zwei Jahre behauptete und nichts als An¬ zeigen enthielt. Der Verleger vertheilte wöchentlich tausend Exemplare an die damaligen Hauptpunkte des Verkehrs, Kaffeehäuser, Tavernen und Buchläden.' Indeß ein Versuch, der selbst in der Zeit fehlgeschlagen ist, wo „Times" mit doppelten Beilagen erscheint, konnte damals noch weniger gelingen: es ist vielmehr zu bewundern, daß das Interesse an Anzeigen bereits groß genug war, um dem City Merkur so lange das Leben zü fristen. In derselben Zeit ward ein Versuch gemacht, die gedruckte Zeitung mit dem ältern schriftlichen Bericht über Neuigkeiten zu comviniren. Das alte Ge¬ werbe der schriftlichen Berichterstattung blühte auch nach der Begründung der Zeitungen noch lange fort; natürlich war es in, einer Zeit der Unruhe und Aufregung sicherer, Nachrichten über die Tagesereignisse schriftlich als mündlich mitzutheilen, um so mehr, als viele solche Berichte von leidenschaftlichen Partei¬ gängern abgefaßt wurden. Die Cavaliere schlangen oft ihre Briefe, wenn sie gefangen genommen wurden, herunter; und noch eristiren einige von Prinz Rupert, auf denen tiefe rothe Flecken von der verzweifelten Anstrengung zeigen, mit der ihr Träger sie zu vertheidigen suchte. Nach der Revolution fing die Abstattung schriftlicher Nachrichten als Gewerbe an zu verschwinden, ovwol noch im Jahr 1709 die Redaction der „Abenbpost" ihre Leser erinnert, „baß für schriftliche Nachrichten drei oder vier Pfund jährlich zu bezahlen sind." Denn noch immer erfüllten die Zeitungen nicht den Zweck ihrer Bestimmung, der für die Leser in den Provinzen ein Hauptzweck war: das politische und sociale Geklatsch des Tages mitzutheilen. Diesem ohne Zweifel lebhaft gefühl¬ ten Bedürfniß verdankt ein Plan, die alte und neue Methode zu comviniren, seine Entstehung, der in der „.fliegenden Post" von 1694 folgendermaßen Angekündigt wird. ,,Wenn Herren beabsichtigen, ihre Freunde oder Correspon- denten in der Provinz durch den Bericht über die öffentlichen Angelegenheiten Zu verpflichten, können sie dies für zwei Pence durch I. SaluSbury in der aufgehenden Sonne zu Cornhill, auf einem Blatte guten Papiers, wovon die Hälfte weiß ist und worauf sie ihre Privatgeschäfte oder die wesentlichen Tages- neuigkeiten schreiben können." Man sollte glauben, daß es die Pflicht der Redaction gewesen wäre, „die wesentlichen Tagesneuigkeiten" mitzutheilen; vermuthlich war dies eine Veranstaltung, deren sich besonders die Jacobiten bedienten, um Nachrichten durch die Post in Umlauf zu bringen, ohne den Verleger zu compromittiren. Solche Blätter, halb gedruckt, halb geschrieben, bewahrt das britische Museum noch in großer Anzahl. Sonderbar ist es, daß die Zeitungen nicht früher zu Theateranzeigen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/135>, abgerufen am 15.06.2024.