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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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ihr mehr Schläge als Worte zu geben. Ich verlange tüchtige Schläge und
keine Gunst von ihr, sie mag sich gefaßt machen, ordentlich gepufft zu werden.

Eine andere Herausforderung, aus dem Jahr 1728, ist noch merkwürdiger.
Anna Field, Eseltreiberin, "wohlbekannt durch ihre Geschicklichkeit im Boren
zu ihrer Selbstvertheidigung" fordert Mrs. Stokes "genannt die europäische
Kämpferin", von der sie beleidigt worden ist, zu einem Boren um zehn Pfund
heraus. Die europäische Kämpferin entgegnet, das) sie zwar in dieser Weise
keinen Kampf bestanden habe, seit sie vor sechs Jahren mit der berühmten
Borerin von Billingsgate 29 Minuten gehört und einen vollständigen Sieg er¬
rungen; sie wolle jedoch die Ausforderung annehmen, und zweifelt nicht, daß
die Schläge, die sie der andern Dame ertheilen wird, für dieselbe schwerer zu
verdauen sein werden, als irgend welche, die sie ihren Eseln ertheilt hat. Andre
Anzeigen dieser Zeit beziehn sich auf Hahnenkämpfe, die manchmal die Woche
durch dauern sollen, Stierhetzen, wobei die Stiere mitunter durch Feuerwerk
rasend gemacht wurden, um dann von Hunden zerrissen zu werden. Man
erinnert sich an Hogarths Darstellungen solcher Scenen. Von solcher Bru¬
talität war sogar die Galanterie der Zeit nicht einmal frei. Im allgemeinen
Anzeiger von 1748 wird eine Dame, die am letzten Dienstag im Covent-
gardenschauspielhause war, und daselbst einen Schlag mit einem Stück
Holz empfing, aufgefordert, falls sie unverheirathet ist, den Einsender an
einem bestimmten Orte zu treffen, um "etwas zu erfahren, das sehr zu ihrem
Vortheil ist, und zwar in allen Ehren, indem ihre Bereitwilligkeit ihrem ge¬
horsamsten Diener zum dauernden Vergnügen gereichen würde." Dieser Lieb¬
haber mußte, wie es scheint, zu der angegebenen Annäherungsweise seine Zu¬
flucht nehmen, um einen Eindruck zu machen, und, fühlte sich dann veranlaßt,
auf seine Art die Ehrenhaftigkeit seiner Absichten zu versichern, um ein Rendez¬
vous mit der Dame herbeizuführen. Zu der Rohheit und Verdorbenheit der
damaligen Sitten trug die Liederlichkeit des Hoff unter den beiden ersten
Georgen bei, noch mehr aber die Laxheit der Ehegesetze. Eine Kapelle in
Mayfair und eine im Fleck waren die Gretnagreens dieses Zeitalters, wo sich
Kinder zu jeder Tages- und Nachtstunde sür ein paar Kronen trauen lassen
konnten. Man.sagte, daß in dem ersten dieser "Heirathsläden" jährlich
600 Personen getraut wurden. Man kann sich die Folgen dieser Art die Ehe
einzugehn vorstellen. Die Zeitungen von der Thronbesteigung des Hauses
Braunschweig an bis zu Georg lit. sind gefüllt mit Anzeigen von Ehemännern,
die das.Publicum warnen, ihren weggelaufenen Frauen Credit zu geben. Neben
diesen schönen Flüchtlingen werden fortwährend weggelaufene Neger annoncirt:
der Geschmack an Farbigen scheint auf England von Venedig übergegangen zu
sein, das sie in der neuern Zeit wol zuerst durch seine Verbindung mit Afrika
und Indien in Europa einführte.


Grenzboten. 17. 1866. 17

ihr mehr Schläge als Worte zu geben. Ich verlange tüchtige Schläge und
keine Gunst von ihr, sie mag sich gefaßt machen, ordentlich gepufft zu werden.

Eine andere Herausforderung, aus dem Jahr 1728, ist noch merkwürdiger.
Anna Field, Eseltreiberin, „wohlbekannt durch ihre Geschicklichkeit im Boren
zu ihrer Selbstvertheidigung" fordert Mrs. Stokes „genannt die europäische
Kämpferin", von der sie beleidigt worden ist, zu einem Boren um zehn Pfund
heraus. Die europäische Kämpferin entgegnet, das) sie zwar in dieser Weise
keinen Kampf bestanden habe, seit sie vor sechs Jahren mit der berühmten
Borerin von Billingsgate 29 Minuten gehört und einen vollständigen Sieg er¬
rungen; sie wolle jedoch die Ausforderung annehmen, und zweifelt nicht, daß
die Schläge, die sie der andern Dame ertheilen wird, für dieselbe schwerer zu
verdauen sein werden, als irgend welche, die sie ihren Eseln ertheilt hat. Andre
Anzeigen dieser Zeit beziehn sich auf Hahnenkämpfe, die manchmal die Woche
durch dauern sollen, Stierhetzen, wobei die Stiere mitunter durch Feuerwerk
rasend gemacht wurden, um dann von Hunden zerrissen zu werden. Man
erinnert sich an Hogarths Darstellungen solcher Scenen. Von solcher Bru¬
talität war sogar die Galanterie der Zeit nicht einmal frei. Im allgemeinen
Anzeiger von 1748 wird eine Dame, die am letzten Dienstag im Covent-
gardenschauspielhause war, und daselbst einen Schlag mit einem Stück
Holz empfing, aufgefordert, falls sie unverheirathet ist, den Einsender an
einem bestimmten Orte zu treffen, um „etwas zu erfahren, das sehr zu ihrem
Vortheil ist, und zwar in allen Ehren, indem ihre Bereitwilligkeit ihrem ge¬
horsamsten Diener zum dauernden Vergnügen gereichen würde." Dieser Lieb¬
haber mußte, wie es scheint, zu der angegebenen Annäherungsweise seine Zu¬
flucht nehmen, um einen Eindruck zu machen, und, fühlte sich dann veranlaßt,
auf seine Art die Ehrenhaftigkeit seiner Absichten zu versichern, um ein Rendez¬
vous mit der Dame herbeizuführen. Zu der Rohheit und Verdorbenheit der
damaligen Sitten trug die Liederlichkeit des Hoff unter den beiden ersten
Georgen bei, noch mehr aber die Laxheit der Ehegesetze. Eine Kapelle in
Mayfair und eine im Fleck waren die Gretnagreens dieses Zeitalters, wo sich
Kinder zu jeder Tages- und Nachtstunde sür ein paar Kronen trauen lassen
konnten. Man.sagte, daß in dem ersten dieser „Heirathsläden" jährlich
600 Personen getraut wurden. Man kann sich die Folgen dieser Art die Ehe
einzugehn vorstellen. Die Zeitungen von der Thronbesteigung des Hauses
Braunschweig an bis zu Georg lit. sind gefüllt mit Anzeigen von Ehemännern,
die das.Publicum warnen, ihren weggelaufenen Frauen Credit zu geben. Neben
diesen schönen Flüchtlingen werden fortwährend weggelaufene Neger annoncirt:
der Geschmack an Farbigen scheint auf England von Venedig übergegangen zu
sein, das sie in der neuern Zeit wol zuerst durch seine Verbindung mit Afrika
und Indien in Europa einführte.


Grenzboten. 17. 1866. 17
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[0137] ihr mehr Schläge als Worte zu geben. Ich verlange tüchtige Schläge und keine Gunst von ihr, sie mag sich gefaßt machen, ordentlich gepufft zu werden. Eine andere Herausforderung, aus dem Jahr 1728, ist noch merkwürdiger. Anna Field, Eseltreiberin, „wohlbekannt durch ihre Geschicklichkeit im Boren zu ihrer Selbstvertheidigung" fordert Mrs. Stokes „genannt die europäische Kämpferin", von der sie beleidigt worden ist, zu einem Boren um zehn Pfund heraus. Die europäische Kämpferin entgegnet, das) sie zwar in dieser Weise keinen Kampf bestanden habe, seit sie vor sechs Jahren mit der berühmten Borerin von Billingsgate 29 Minuten gehört und einen vollständigen Sieg er¬ rungen; sie wolle jedoch die Ausforderung annehmen, und zweifelt nicht, daß die Schläge, die sie der andern Dame ertheilen wird, für dieselbe schwerer zu verdauen sein werden, als irgend welche, die sie ihren Eseln ertheilt hat. Andre Anzeigen dieser Zeit beziehn sich auf Hahnenkämpfe, die manchmal die Woche durch dauern sollen, Stierhetzen, wobei die Stiere mitunter durch Feuerwerk rasend gemacht wurden, um dann von Hunden zerrissen zu werden. Man erinnert sich an Hogarths Darstellungen solcher Scenen. Von solcher Bru¬ talität war sogar die Galanterie der Zeit nicht einmal frei. Im allgemeinen Anzeiger von 1748 wird eine Dame, die am letzten Dienstag im Covent- gardenschauspielhause war, und daselbst einen Schlag mit einem Stück Holz empfing, aufgefordert, falls sie unverheirathet ist, den Einsender an einem bestimmten Orte zu treffen, um „etwas zu erfahren, das sehr zu ihrem Vortheil ist, und zwar in allen Ehren, indem ihre Bereitwilligkeit ihrem ge¬ horsamsten Diener zum dauernden Vergnügen gereichen würde." Dieser Lieb¬ haber mußte, wie es scheint, zu der angegebenen Annäherungsweise seine Zu¬ flucht nehmen, um einen Eindruck zu machen, und, fühlte sich dann veranlaßt, auf seine Art die Ehrenhaftigkeit seiner Absichten zu versichern, um ein Rendez¬ vous mit der Dame herbeizuführen. Zu der Rohheit und Verdorbenheit der damaligen Sitten trug die Liederlichkeit des Hoff unter den beiden ersten Georgen bei, noch mehr aber die Laxheit der Ehegesetze. Eine Kapelle in Mayfair und eine im Fleck waren die Gretnagreens dieses Zeitalters, wo sich Kinder zu jeder Tages- und Nachtstunde sür ein paar Kronen trauen lassen konnten. Man.sagte, daß in dem ersten dieser „Heirathsläden" jährlich 600 Personen getraut wurden. Man kann sich die Folgen dieser Art die Ehe einzugehn vorstellen. Die Zeitungen von der Thronbesteigung des Hauses Braunschweig an bis zu Georg lit. sind gefüllt mit Anzeigen von Ehemännern, die das.Publicum warnen, ihren weggelaufenen Frauen Credit zu geben. Neben diesen schönen Flüchtlingen werden fortwährend weggelaufene Neger annoncirt: der Geschmack an Farbigen scheint auf England von Venedig übergegangen zu sein, das sie in der neuern Zeit wol zuerst durch seine Verbindung mit Afrika und Indien in Europa einführte. Grenzboten. 17. 1866. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/137>, abgerufen am 15.06.2024.