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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Hört' ein wild verworrnes Schreien,
Wie wenn Raubgevögel streitet,
Eines Lichtes Schein erglänzen
Sah er durch des Fisches Rippen,
Sah der Möven Angen glitzern,
Durch die Oeffnung .aus ihn schauend,
Hört', wie sie sich sagten: "Seht hier
Unsern Bruder Hiawatha!"

Die Möven machen den Spalt mit den Krallen etwas weiter und so wird
Hiawatha aus dem Leib des Fisches befreit. Eine gewisse poetische Naturkraft
wird man in diesen und ähnlichen Schilderungen nicht verkennen.

Der zweite in der Reihe amerikanischer Dichter ist Nathaniel Haw-
thorne. Er wurde 4809 zu Sälen im Staat Massachusetts geboren und trat
in eine socialistische Gesellschaft, LrooK-ehren, ein, die aber bald Bankrott machte,
worauf er sich in die Literatur warf. Zuerst gab er eine Reihe von Skizzen
und kleinen Novellen heraus, die unter dem Titel: l'wiLstolü wieg und No3hos
kron .an viel man8<z 1837, 1842 und 1846 gesammelt wurden. In den
meisten dieser Erzählungen herrscht trotz lebhafter sinnlicher Anschauung ein
zarter Mysticismus; man wird zuweilen an Hoffmann erinnert, doch besitzt der
amerikanische Dichter eine viel größere Bildung und geht von umfassenden
allegorischen Perspektiven aus. Er hat diese Art Dichtung noch später sort¬
gesetzt, z. B. in der Novelle: "das Schneebild", (1862) und zwar mit stets
gesteigerter Mystik. Einen allgemeinen Anklang fanden die beiden Romane:
"der Scharlachbuchstabe^ und "das Haus mit sieben Giebeln" (1851). In
dem ersten wird das Problem behandelt, inwieweit eine aus das Ehrgefühl
berechnete Strafe auf das Gemüth des Menschen einwirkt. Die Behandlung
ist zwar nicht erschöpfend und wird zuweilen durch mystische Ueberschwenglich-
keiten verwirrt, aber der Rahmen ist sehr poetisch, die Localfarbe vortrefflich
und die innere Wärme des Gemüths bricht zuweilen wohlthuend hervor. Der
Zweite Roman schildert den hundertjährigen Erbzwist zwischen einer aristokrati¬
schen und einer plebejischen Familie. Die künstlerische Gruppirung ist schwach,
an abenteuerlichen Erfindungen fehlt es auch nicht, und ein trüber, schwer-
müthiger Ton drückt die ganze Geschichte nieder; aber die psychologische Analyse
ist meisterhaft, und in einigen Genrebildern waltet ein bezaubernder Realis¬
mus.-- Der letzte seiner Romane: Ite LUltwüg,1e Komanee, 1852, ist der
schwächste. Es sind die Erinnerungen an lZrooli-t'arm darin verwebt, aber der
unbefriedigende Ausgang dieses philanthropischen Versuchs macht sich auch in
ber poetischen Farbe geltend. In der einen der beiden Hauptpersonen, dem
fanatischen Philanthropen Hollingsworth ist folgende Moral durchgeführt. Der
Gesellschaft im Ganzen kann ein philanthropischer Beruf durch den energischen


Grenzboten. II. 1836. 18
Hört' ein wild verworrnes Schreien,
Wie wenn Raubgevögel streitet,
Eines Lichtes Schein erglänzen
Sah er durch des Fisches Rippen,
Sah der Möven Angen glitzern,
Durch die Oeffnung .aus ihn schauend,
Hört', wie sie sich sagten: „Seht hier
Unsern Bruder Hiawatha!"

Die Möven machen den Spalt mit den Krallen etwas weiter und so wird
Hiawatha aus dem Leib des Fisches befreit. Eine gewisse poetische Naturkraft
wird man in diesen und ähnlichen Schilderungen nicht verkennen.

Der zweite in der Reihe amerikanischer Dichter ist Nathaniel Haw-
thorne. Er wurde 4809 zu Sälen im Staat Massachusetts geboren und trat
in eine socialistische Gesellschaft, LrooK-ehren, ein, die aber bald Bankrott machte,
worauf er sich in die Literatur warf. Zuerst gab er eine Reihe von Skizzen
und kleinen Novellen heraus, die unter dem Titel: l'wiLstolü wieg und No3hos
kron .an viel man8<z 1837, 1842 und 1846 gesammelt wurden. In den
meisten dieser Erzählungen herrscht trotz lebhafter sinnlicher Anschauung ein
zarter Mysticismus; man wird zuweilen an Hoffmann erinnert, doch besitzt der
amerikanische Dichter eine viel größere Bildung und geht von umfassenden
allegorischen Perspektiven aus. Er hat diese Art Dichtung noch später sort¬
gesetzt, z. B. in der Novelle: „das Schneebild", (1862) und zwar mit stets
gesteigerter Mystik. Einen allgemeinen Anklang fanden die beiden Romane:
»der Scharlachbuchstabe^ und „das Haus mit sieben Giebeln" (1851). In
dem ersten wird das Problem behandelt, inwieweit eine aus das Ehrgefühl
berechnete Strafe auf das Gemüth des Menschen einwirkt. Die Behandlung
ist zwar nicht erschöpfend und wird zuweilen durch mystische Ueberschwenglich-
keiten verwirrt, aber der Rahmen ist sehr poetisch, die Localfarbe vortrefflich
und die innere Wärme des Gemüths bricht zuweilen wohlthuend hervor. Der
Zweite Roman schildert den hundertjährigen Erbzwist zwischen einer aristokrati¬
schen und einer plebejischen Familie. Die künstlerische Gruppirung ist schwach,
an abenteuerlichen Erfindungen fehlt es auch nicht, und ein trüber, schwer-
müthiger Ton drückt die ganze Geschichte nieder; aber die psychologische Analyse
ist meisterhaft, und in einigen Genrebildern waltet ein bezaubernder Realis¬
mus.— Der letzte seiner Romane: Ite LUltwüg,1e Komanee, 1852, ist der
schwächste. Es sind die Erinnerungen an lZrooli-t'arm darin verwebt, aber der
unbefriedigende Ausgang dieses philanthropischen Versuchs macht sich auch in
ber poetischen Farbe geltend. In der einen der beiden Hauptpersonen, dem
fanatischen Philanthropen Hollingsworth ist folgende Moral durchgeführt. Der
Gesellschaft im Ganzen kann ein philanthropischer Beruf durch den energischen


Grenzboten. II. 1836. 18
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[0145] Hört' ein wild verworrnes Schreien, Wie wenn Raubgevögel streitet, Eines Lichtes Schein erglänzen Sah er durch des Fisches Rippen, Sah der Möven Angen glitzern, Durch die Oeffnung .aus ihn schauend, Hört', wie sie sich sagten: „Seht hier Unsern Bruder Hiawatha!" Die Möven machen den Spalt mit den Krallen etwas weiter und so wird Hiawatha aus dem Leib des Fisches befreit. Eine gewisse poetische Naturkraft wird man in diesen und ähnlichen Schilderungen nicht verkennen. Der zweite in der Reihe amerikanischer Dichter ist Nathaniel Haw- thorne. Er wurde 4809 zu Sälen im Staat Massachusetts geboren und trat in eine socialistische Gesellschaft, LrooK-ehren, ein, die aber bald Bankrott machte, worauf er sich in die Literatur warf. Zuerst gab er eine Reihe von Skizzen und kleinen Novellen heraus, die unter dem Titel: l'wiLstolü wieg und No3hos kron .an viel man8<z 1837, 1842 und 1846 gesammelt wurden. In den meisten dieser Erzählungen herrscht trotz lebhafter sinnlicher Anschauung ein zarter Mysticismus; man wird zuweilen an Hoffmann erinnert, doch besitzt der amerikanische Dichter eine viel größere Bildung und geht von umfassenden allegorischen Perspektiven aus. Er hat diese Art Dichtung noch später sort¬ gesetzt, z. B. in der Novelle: „das Schneebild", (1862) und zwar mit stets gesteigerter Mystik. Einen allgemeinen Anklang fanden die beiden Romane: »der Scharlachbuchstabe^ und „das Haus mit sieben Giebeln" (1851). In dem ersten wird das Problem behandelt, inwieweit eine aus das Ehrgefühl berechnete Strafe auf das Gemüth des Menschen einwirkt. Die Behandlung ist zwar nicht erschöpfend und wird zuweilen durch mystische Ueberschwenglich- keiten verwirrt, aber der Rahmen ist sehr poetisch, die Localfarbe vortrefflich und die innere Wärme des Gemüths bricht zuweilen wohlthuend hervor. Der Zweite Roman schildert den hundertjährigen Erbzwist zwischen einer aristokrati¬ schen und einer plebejischen Familie. Die künstlerische Gruppirung ist schwach, an abenteuerlichen Erfindungen fehlt es auch nicht, und ein trüber, schwer- müthiger Ton drückt die ganze Geschichte nieder; aber die psychologische Analyse ist meisterhaft, und in einigen Genrebildern waltet ein bezaubernder Realis¬ mus.— Der letzte seiner Romane: Ite LUltwüg,1e Komanee, 1852, ist der schwächste. Es sind die Erinnerungen an lZrooli-t'arm darin verwebt, aber der unbefriedigende Ausgang dieses philanthropischen Versuchs macht sich auch in ber poetischen Farbe geltend. In der einen der beiden Hauptpersonen, dem fanatischen Philanthropen Hollingsworth ist folgende Moral durchgeführt. Der Gesellschaft im Ganzen kann ein philanthropischer Beruf durch den energischen Grenzboten. II. 1836. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/145>, abgerufen am 16.06.2024.