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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Silbermünzen so gering stellen könnte, daß die Kollision, die eine wirkliche
Doppelwährung mit sich bringt, vermieden würde, aber ist es nicht schon immer
eine Unbequemlichkeit, daß die Münze, in der man die meisten kleinen Zah¬
lungen des täglichen Lebens macht (wie dies thatsächlich in England in Silber
geschieht) bei einem Betrage von über 2 Pfd. Se. vom Empfänger zurückgewiesen
werden kann?

Aber, sagen die Fürsprecher des Ueberganges zur Goldwährung weiter,
soll Deutschland sich denn von den größten Culturstaaten England, Frank¬
reich, Nordamerika, Brasilien und Spanien isoliren, indem es nach deren An¬
nahme der Goldvaluta noch bei der Silberwährung bleibt? Zuerst nun müssen
wir behaupten, daß die Währungsfrage mit der Culturstufe nichts zu schaffen
hat. Wenn in den Vereinigten Staaten und Frankreich neuerdings die Gold¬
währung zur Geltung gelangt ist, so liegt das nicht in ihrer vorgeschrittenen
Cultur, ja nicht einmal in einem freien Entschlüsse und in der Ueberzeugung
von den Vorzügen dieser Währung, sondern dies ging hervor aus dem ohne
alle solche Absicht aufgestellten falschen System der Doppelwährung, indem
man nämlich in beiden Staaten das Gold etwas zu hoch gewerthet, strömte
dasselbe von Kalifornien und Australien dorthin. Sodann kann man von
keiner Jsolirung Deutschlands sprechen, so lange noch Holland, Belgien
Skandinavien, Nußland, ganz Italien die Silberwährung festhalten und die
ostindische Gesellschaft sie ganz neuerlich eigens annimmt (1. Januar 4863).
Auch sind die Unbequemlichkeiten, die für den Wechselcurs dadurch entstehen,
daß mehre der transatlantischen Länder die Goldwährung angenommen, nicht
hoch anzuschlagen, die Valutenverhältnisse können sich nicht so rasch verändern,
daß dies einen Einfluß auf jede einzelne Operation haben könnte. Außerdem
gäben die beiden größten Geldmärkte des Continents, Amsterdam und Hamburg,
durch Annahme der Goldwährung ihre Selbstständigkeit auf, als Goldmärkte
würden sie London gegenüber unbedeutend sein, als Silbermärktc sind sie von
entscheidenden Gewicht. Dagegen würde ein Aufgeben der bestehenden Silber¬
währung in Deutschland selbst zu den größten Unzuträglichkeiten führen. Vor¬
erst sind die großen Kosten, welche die Einziehung der größern Menge um¬
laufender Silbermünzen, welche mehr oder weniger abgeschliffen sind, verursachen
würde, in Anschlag zu bringen, sodann aber ist folgender Umstand vornehmlich
zu berücksichtigen: alle Schulden und Forderungen lauten bis jetzt in Deutsch¬
land auf Thaler, Gulden oder Mark, also auf Silbergeld oder dessen Aequivalent,
wie preußische Kassenscheine :c. Wollte man jetzt Staatsschuld, Hypotheken
und Forderungen von Silber- in Goldwährung umwandeln, so wäre das ent¬
weder ein Gewaltstreich, der einer Beraubung der Gläubiger gleichkäme, da
das Gold im Werthe gefallen ist, oder man müßte jede Forderung in Silber
auszahlen, die der Gläubiger nicht convertiren lassen wollte, müßte also


Silbermünzen so gering stellen könnte, daß die Kollision, die eine wirkliche
Doppelwährung mit sich bringt, vermieden würde, aber ist es nicht schon immer
eine Unbequemlichkeit, daß die Münze, in der man die meisten kleinen Zah¬
lungen des täglichen Lebens macht (wie dies thatsächlich in England in Silber
geschieht) bei einem Betrage von über 2 Pfd. Se. vom Empfänger zurückgewiesen
werden kann?

Aber, sagen die Fürsprecher des Ueberganges zur Goldwährung weiter,
soll Deutschland sich denn von den größten Culturstaaten England, Frank¬
reich, Nordamerika, Brasilien und Spanien isoliren, indem es nach deren An¬
nahme der Goldvaluta noch bei der Silberwährung bleibt? Zuerst nun müssen
wir behaupten, daß die Währungsfrage mit der Culturstufe nichts zu schaffen
hat. Wenn in den Vereinigten Staaten und Frankreich neuerdings die Gold¬
währung zur Geltung gelangt ist, so liegt das nicht in ihrer vorgeschrittenen
Cultur, ja nicht einmal in einem freien Entschlüsse und in der Ueberzeugung
von den Vorzügen dieser Währung, sondern dies ging hervor aus dem ohne
alle solche Absicht aufgestellten falschen System der Doppelwährung, indem
man nämlich in beiden Staaten das Gold etwas zu hoch gewerthet, strömte
dasselbe von Kalifornien und Australien dorthin. Sodann kann man von
keiner Jsolirung Deutschlands sprechen, so lange noch Holland, Belgien
Skandinavien, Nußland, ganz Italien die Silberwährung festhalten und die
ostindische Gesellschaft sie ganz neuerlich eigens annimmt (1. Januar 4863).
Auch sind die Unbequemlichkeiten, die für den Wechselcurs dadurch entstehen,
daß mehre der transatlantischen Länder die Goldwährung angenommen, nicht
hoch anzuschlagen, die Valutenverhältnisse können sich nicht so rasch verändern,
daß dies einen Einfluß auf jede einzelne Operation haben könnte. Außerdem
gäben die beiden größten Geldmärkte des Continents, Amsterdam und Hamburg,
durch Annahme der Goldwährung ihre Selbstständigkeit auf, als Goldmärkte
würden sie London gegenüber unbedeutend sein, als Silbermärktc sind sie von
entscheidenden Gewicht. Dagegen würde ein Aufgeben der bestehenden Silber¬
währung in Deutschland selbst zu den größten Unzuträglichkeiten führen. Vor¬
erst sind die großen Kosten, welche die Einziehung der größern Menge um¬
laufender Silbermünzen, welche mehr oder weniger abgeschliffen sind, verursachen
würde, in Anschlag zu bringen, sodann aber ist folgender Umstand vornehmlich
zu berücksichtigen: alle Schulden und Forderungen lauten bis jetzt in Deutsch¬
land auf Thaler, Gulden oder Mark, also auf Silbergeld oder dessen Aequivalent,
wie preußische Kassenscheine :c. Wollte man jetzt Staatsschuld, Hypotheken
und Forderungen von Silber- in Goldwährung umwandeln, so wäre das ent¬
weder ein Gewaltstreich, der einer Beraubung der Gläubiger gleichkäme, da
das Gold im Werthe gefallen ist, oder man müßte jede Forderung in Silber
auszahlen, die der Gläubiger nicht convertiren lassen wollte, müßte also


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[0012] Silbermünzen so gering stellen könnte, daß die Kollision, die eine wirkliche Doppelwährung mit sich bringt, vermieden würde, aber ist es nicht schon immer eine Unbequemlichkeit, daß die Münze, in der man die meisten kleinen Zah¬ lungen des täglichen Lebens macht (wie dies thatsächlich in England in Silber geschieht) bei einem Betrage von über 2 Pfd. Se. vom Empfänger zurückgewiesen werden kann? Aber, sagen die Fürsprecher des Ueberganges zur Goldwährung weiter, soll Deutschland sich denn von den größten Culturstaaten England, Frank¬ reich, Nordamerika, Brasilien und Spanien isoliren, indem es nach deren An¬ nahme der Goldvaluta noch bei der Silberwährung bleibt? Zuerst nun müssen wir behaupten, daß die Währungsfrage mit der Culturstufe nichts zu schaffen hat. Wenn in den Vereinigten Staaten und Frankreich neuerdings die Gold¬ währung zur Geltung gelangt ist, so liegt das nicht in ihrer vorgeschrittenen Cultur, ja nicht einmal in einem freien Entschlüsse und in der Ueberzeugung von den Vorzügen dieser Währung, sondern dies ging hervor aus dem ohne alle solche Absicht aufgestellten falschen System der Doppelwährung, indem man nämlich in beiden Staaten das Gold etwas zu hoch gewerthet, strömte dasselbe von Kalifornien und Australien dorthin. Sodann kann man von keiner Jsolirung Deutschlands sprechen, so lange noch Holland, Belgien Skandinavien, Nußland, ganz Italien die Silberwährung festhalten und die ostindische Gesellschaft sie ganz neuerlich eigens annimmt (1. Januar 4863). Auch sind die Unbequemlichkeiten, die für den Wechselcurs dadurch entstehen, daß mehre der transatlantischen Länder die Goldwährung angenommen, nicht hoch anzuschlagen, die Valutenverhältnisse können sich nicht so rasch verändern, daß dies einen Einfluß auf jede einzelne Operation haben könnte. Außerdem gäben die beiden größten Geldmärkte des Continents, Amsterdam und Hamburg, durch Annahme der Goldwährung ihre Selbstständigkeit auf, als Goldmärkte würden sie London gegenüber unbedeutend sein, als Silbermärktc sind sie von entscheidenden Gewicht. Dagegen würde ein Aufgeben der bestehenden Silber¬ währung in Deutschland selbst zu den größten Unzuträglichkeiten führen. Vor¬ erst sind die großen Kosten, welche die Einziehung der größern Menge um¬ laufender Silbermünzen, welche mehr oder weniger abgeschliffen sind, verursachen würde, in Anschlag zu bringen, sodann aber ist folgender Umstand vornehmlich zu berücksichtigen: alle Schulden und Forderungen lauten bis jetzt in Deutsch¬ land auf Thaler, Gulden oder Mark, also auf Silbergeld oder dessen Aequivalent, wie preußische Kassenscheine :c. Wollte man jetzt Staatsschuld, Hypotheken und Forderungen von Silber- in Goldwährung umwandeln, so wäre das ent¬ weder ein Gewaltstreich, der einer Beraubung der Gläubiger gleichkäme, da das Gold im Werthe gefallen ist, oder man müßte jede Forderung in Silber auszahlen, die der Gläubiger nicht convertiren lassen wollte, müßte also

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/12>, abgerufen am 08.05.2024.