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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Wechseln und ähnlichen Operationen. Die schottischen Banken dagegen er¬
öffnen sogenannten Blancocredit d. h. einen Credit ohne Realuntcrpfand oder
Wechselverpflichtung. Sie eröffnen ihn in sogenannten cast acoounts d. h.
Kassenrechuungcn in Conto correre nach den Umständen entweder ohne, oder
mit einem oder zwei Bürgen, welche aber jederzeit ihre Bürgschaft kündigen
können, wobei es sich von selbst versteht, daß sie für bereits übernommene
Verbindlichkeiten haften. Durch die vereinte Aufmerksamkeit der Bürgen und
die Geschäfts- und Personenkenntniß der Banken gelangt man denn dahin,
daß diese BlancocreditS nicht in leichtsinniges und die Banken gefährdendes
Creditgeben ausarten. Zugleich wird aber auch von dem Inhaber eines
Blancocrediis erwartet, daß eingegangene und nicht zum unmittelbaren Ge¬
schäftsbetrieb erforderliche Gelder sofort zur Bank gebracht werden, wodurch
a"f der einen Seite die Verpflichtungen gemindert, auf der andern die Mög¬
lichkeit gegeben wird, den Geschäftsgang des Creditirten zu überwachen. Wer
in regelmäßigen Rückzahlungen dieser Art säumig ist, setzt sich der Gefahr
aus, daß ihm das Blancocreditconto gekündigt wird. Es liegt in diesem gan¬
zen, durch großartige Einfachheit und Zweckmäßigkeit ausgezeichneten Verfahren
eine Mobilisirung des Credits, die weit über alle Erfindungen der Creditsmobi-
lierS hinausgeht. Daß die schottischen Banken im Uebrigen alle regelmäßigen
Bankgeschäfte betreiben, versteht sich von selbst. Hinsichtlich der durch sie er¬
zielten Resultate wollen wir nur noch hinzufügen, daß sie im Laufe der Jahre
an Einlagen eine Summe von mehr als 30 Will. Pf. Se. gesammelt haben,
während noch wunderbarer, im I. 1826 nachgewiesen werben konnte, daß seit
Begründung der ersten schottischen Bank (am Ende des 17. Jahrhunderts),
bis dahin das Publicum durch sie im Ganzen nur 36,000 Pf. Se. ver¬
loren hatte.

Das sind die Resultate eines in vollkommenster Freiheit aufgeblühten
Bankwesens, worauf im Grunde schon der vollständige Mangel an jeder
Künstelei und das Anschmiegen an die unmittelbaren Bedürfnisse deö
Lebens hinweist. Schottland verdankt diese freie Entwicklung wesentlich dem
Zufall, daß die erste schottische Bank einer jacobitischen Verwaltung verdächtig
war, während die gleichzeitige englische Bank der Negierung Wilhelms UI. sich
anschloß und ihr sehr wichtige Dienste erwies. Während man daher letztere
mit Privilegien überschüttete, stiftete mau ersterer eine Concurrenz, aus der
im Verlaufe der Zeit die Freiheit deö schottischen Bankwesens hervorging. Es
steht in Schottland jedem Einzelnen und jeder Gesellschaft unbeschränkt frei,
Banken zu errichten und bis zum I. 1846, wo Sir N. Peel ganz unnöthiger-
weise die den englischen Banken auferlegten Beschränkungen auch in Schott¬
land einführte, auch beliebig Papiergeld auszugeben, ohne daß diese Gestattung
bei den gesunden Geldverhältnissm Schottlands jemals zu Uebelständen ge-


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Wechseln und ähnlichen Operationen. Die schottischen Banken dagegen er¬
öffnen sogenannten Blancocredit d. h. einen Credit ohne Realuntcrpfand oder
Wechselverpflichtung. Sie eröffnen ihn in sogenannten cast acoounts d. h.
Kassenrechuungcn in Conto correre nach den Umständen entweder ohne, oder
mit einem oder zwei Bürgen, welche aber jederzeit ihre Bürgschaft kündigen
können, wobei es sich von selbst versteht, daß sie für bereits übernommene
Verbindlichkeiten haften. Durch die vereinte Aufmerksamkeit der Bürgen und
die Geschäfts- und Personenkenntniß der Banken gelangt man denn dahin,
daß diese BlancocreditS nicht in leichtsinniges und die Banken gefährdendes
Creditgeben ausarten. Zugleich wird aber auch von dem Inhaber eines
Blancocrediis erwartet, daß eingegangene und nicht zum unmittelbaren Ge¬
schäftsbetrieb erforderliche Gelder sofort zur Bank gebracht werden, wodurch
a»f der einen Seite die Verpflichtungen gemindert, auf der andern die Mög¬
lichkeit gegeben wird, den Geschäftsgang des Creditirten zu überwachen. Wer
in regelmäßigen Rückzahlungen dieser Art säumig ist, setzt sich der Gefahr
aus, daß ihm das Blancocreditconto gekündigt wird. Es liegt in diesem gan¬
zen, durch großartige Einfachheit und Zweckmäßigkeit ausgezeichneten Verfahren
eine Mobilisirung des Credits, die weit über alle Erfindungen der Creditsmobi-
lierS hinausgeht. Daß die schottischen Banken im Uebrigen alle regelmäßigen
Bankgeschäfte betreiben, versteht sich von selbst. Hinsichtlich der durch sie er¬
zielten Resultate wollen wir nur noch hinzufügen, daß sie im Laufe der Jahre
an Einlagen eine Summe von mehr als 30 Will. Pf. Se. gesammelt haben,
während noch wunderbarer, im I. 1826 nachgewiesen werben konnte, daß seit
Begründung der ersten schottischen Bank (am Ende des 17. Jahrhunderts),
bis dahin das Publicum durch sie im Ganzen nur 36,000 Pf. Se. ver¬
loren hatte.

Das sind die Resultate eines in vollkommenster Freiheit aufgeblühten
Bankwesens, worauf im Grunde schon der vollständige Mangel an jeder
Künstelei und das Anschmiegen an die unmittelbaren Bedürfnisse deö
Lebens hinweist. Schottland verdankt diese freie Entwicklung wesentlich dem
Zufall, daß die erste schottische Bank einer jacobitischen Verwaltung verdächtig
war, während die gleichzeitige englische Bank der Negierung Wilhelms UI. sich
anschloß und ihr sehr wichtige Dienste erwies. Während man daher letztere
mit Privilegien überschüttete, stiftete mau ersterer eine Concurrenz, aus der
im Verlaufe der Zeit die Freiheit deö schottischen Bankwesens hervorging. Es
steht in Schottland jedem Einzelnen und jeder Gesellschaft unbeschränkt frei,
Banken zu errichten und bis zum I. 1846, wo Sir N. Peel ganz unnöthiger-
weise die den englischen Banken auferlegten Beschränkungen auch in Schott¬
land einführte, auch beliebig Papiergeld auszugeben, ohne daß diese Gestattung
bei den gesunden Geldverhältnissm Schottlands jemals zu Uebelständen ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/27>, abgerufen am 21.05.2024.