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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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gewandter Latinist und überdies ein Mann, dem man dergleichen wol zu¬
trauen kann. Abgesehen von vielem Bedenklichen im Inhalt der Fragmente
(z. B. dem Bericht von einer Prügelei in einer namhaft gemachten Schenke,
die mit Blutvergießen endete) hätte schon der Umstand allein Verdacht erregen
müssen, daß dergleichen Berichte über Tagesereignisse in Stein gehauen
worden sein sollten. Dies geschah bei Gesetzen, Bekanntmachungen, Ur¬
kunden, die wo nicht ewige, doch vieljährige Dauer haben sollten, aber eine
Zeitung, die in einer täglichen Marmorauögabe erschienen wäre, ist an und
für sich eine baare Unmöglichkeit. Annoncen und Neuigkeiten von vorüber¬
gehendem Interesse wurden im römischen Alterthum mit Farbe an die Mauern
gepinselt, oder mit Griffeln eingekratzt. Die Ruinen von Pompeji, die von
vergleichen Inschriften voll sind, machen diese Sitte nach den verschiedensten
Richtungen hin anschaulich.

In der That hat aber das alte Rom mindestens seit der letzten Zeit der
Republik wirklich eine täglich erscheinende Zeitung, die sogenannten ueta cliur-
na oder ÄLta äwrng, populi Komani gehabt, die von Historikern und andern
Schriftstellern so häufig citirt und benutzt worden sind, daß wir im Stande
sind, uns eine ungefähre Vorstellung von ihrem Zuschnitt zu machen. Der
Begründer dieses Tagesanzeigers war Julius Cäsar, der schon in seinem ersten
Consulat (S9 vor Christus) verordnete, daß sowol Protokolle der Senatsver¬
handlungen, als Nachrichten der Begebenheiten von öffentlichem Interesse
täglich aufgezeichnet und publicirt werden sollten. Sicherlich kam dieses offt-
cielle Intelligenzblatt einem allgemein gefühlten Bedürfniß entgegen, da in
jener stürmisch bewegten Zeit Tausende in und außerhalb Rom mit der größten
Spannung die sich drängenden Ereignisse verfolgten. Ohne Zweifel war schon
lange vor Cäsars Einrichtung das Gewerbe der bezahlten Zeitungsschreiber
und pLlin^-Ä-Iinsrs in Flor gewesen, deren meos-letters für jeden von Rom
abwesenden Geschäftsmann und Politiker unentbehrlich waren, aber es bestand
auch nach der Begründung des officiellen Jntclligenzblatteö fort, wie dies
namentlich aus Ciceros Briefwechsel auss deutlichste hervorgeht.

Mit der Begründung der Monarchie erhielt der öffentliche Anzeiger eine
neue Organisation. Er wurde von nun ab ein durchaus im Sinne der Ne¬
gierung redigirtes und ihren Absichten dienendes Organ. Die von Cäsar ein¬
geführte Veröffentlichung der Senatsprvtokvlle hob August wieder auf. Da¬
gegen wurde für Berichte über die Senatsverhanblungen im Staatsanzeiger
. gesorgt. Diese enthielten natürlich nur das, was die Regierung in die Oeffent-
lichkeit gelangen zu lassen für gut fand. In Rom selbst war das Negierungs-
organ vielleicht von geringem Einfluß auf die öffentliche Meinung; von desto
größerem aber in den Provinzen und bei den Armeen. Das Straßennetz, mit
dem das ganze römische Reich überzogen war, und dessen Fäden in Rom


gewandter Latinist und überdies ein Mann, dem man dergleichen wol zu¬
trauen kann. Abgesehen von vielem Bedenklichen im Inhalt der Fragmente
(z. B. dem Bericht von einer Prügelei in einer namhaft gemachten Schenke,
die mit Blutvergießen endete) hätte schon der Umstand allein Verdacht erregen
müssen, daß dergleichen Berichte über Tagesereignisse in Stein gehauen
worden sein sollten. Dies geschah bei Gesetzen, Bekanntmachungen, Ur¬
kunden, die wo nicht ewige, doch vieljährige Dauer haben sollten, aber eine
Zeitung, die in einer täglichen Marmorauögabe erschienen wäre, ist an und
für sich eine baare Unmöglichkeit. Annoncen und Neuigkeiten von vorüber¬
gehendem Interesse wurden im römischen Alterthum mit Farbe an die Mauern
gepinselt, oder mit Griffeln eingekratzt. Die Ruinen von Pompeji, die von
vergleichen Inschriften voll sind, machen diese Sitte nach den verschiedensten
Richtungen hin anschaulich.

In der That hat aber das alte Rom mindestens seit der letzten Zeit der
Republik wirklich eine täglich erscheinende Zeitung, die sogenannten ueta cliur-
na oder ÄLta äwrng, populi Komani gehabt, die von Historikern und andern
Schriftstellern so häufig citirt und benutzt worden sind, daß wir im Stande
sind, uns eine ungefähre Vorstellung von ihrem Zuschnitt zu machen. Der
Begründer dieses Tagesanzeigers war Julius Cäsar, der schon in seinem ersten
Consulat (S9 vor Christus) verordnete, daß sowol Protokolle der Senatsver¬
handlungen, als Nachrichten der Begebenheiten von öffentlichem Interesse
täglich aufgezeichnet und publicirt werden sollten. Sicherlich kam dieses offt-
cielle Intelligenzblatt einem allgemein gefühlten Bedürfniß entgegen, da in
jener stürmisch bewegten Zeit Tausende in und außerhalb Rom mit der größten
Spannung die sich drängenden Ereignisse verfolgten. Ohne Zweifel war schon
lange vor Cäsars Einrichtung das Gewerbe der bezahlten Zeitungsschreiber
und pLlin^-Ä-Iinsrs in Flor gewesen, deren meos-letters für jeden von Rom
abwesenden Geschäftsmann und Politiker unentbehrlich waren, aber es bestand
auch nach der Begründung des officiellen Jntclligenzblatteö fort, wie dies
namentlich aus Ciceros Briefwechsel auss deutlichste hervorgeht.

Mit der Begründung der Monarchie erhielt der öffentliche Anzeiger eine
neue Organisation. Er wurde von nun ab ein durchaus im Sinne der Ne¬
gierung redigirtes und ihren Absichten dienendes Organ. Die von Cäsar ein¬
geführte Veröffentlichung der Senatsprvtokvlle hob August wieder auf. Da¬
gegen wurde für Berichte über die Senatsverhanblungen im Staatsanzeiger
. gesorgt. Diese enthielten natürlich nur das, was die Regierung in die Oeffent-
lichkeit gelangen zu lassen für gut fand. In Rom selbst war das Negierungs-
organ vielleicht von geringem Einfluß auf die öffentliche Meinung; von desto
größerem aber in den Provinzen und bei den Armeen. Das Straßennetz, mit
dem das ganze römische Reich überzogen war, und dessen Fäden in Rom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/58>, abgerufen am 21.05.2024.