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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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einzeln -- selten in Thüringen, öfter in Fransen -- bis ans unsere Zeit er
halten und werden jetzt mit den irdenen Apostclkrügen und ähnlichem Trink-
geschirr von Kunstsammlcrn ausgekauft. Groß muß der Schatz der
Bauerfrauen an Betten, Kleidern, Wüsche, an Ketten, Schaumünzen und
anderem Schmuck gewesen sein, und nicht weniger begehrungswürdig waren die
zahlreichen Würste und Schinken im Rauchfang. Auch viel baares Geld lag ver¬
steckt in den Winkeln der Truhe oder sorglich in Töpfen und Kesseln vergraben,
denn das Aufsammeln der blanken Stücke war eine alte Bauernstande, es
war seit Menschengedenken Friede gewesen und Wald und Hopfen brachten
gutes Geld. Das Leben des Bauern war reichlich ohne viele Bedürfnisse, er
kaufte in der Stadt die Nesteln für seine Kleider, den silbernen Schmuck für Weib
und Töchter, Würze für seinen sauern Wein und was von Metallwaaren
und Geräth in Hos und Küche nöthig war. Die Kleider von Wolle und
Leinwand webten und schnitten ost die Frauen im Hause oder der Nachbar
im Dorfe. Der Landmann nahm seine Mütze tief ab vor dem Landesherr"
oder vor den gelehrten Juristen, denn er liebte bereits die gefährliche Auf¬
regung der Processe, aber er wälzte wol auch ihnen gegenüber mit geheimem
Stolz die Erinnerung an eine kupferne Ofenblase oder ein paar alte Scher¬
ben in sich herum, die er gefüllt mit schweren Joachimsthalern im Milchkeller
oder unter seinem Ehebett versteckt hatte.

So lebte der Bauer in Mitteldeutschland noch nach dem Jahre 1618.
Er hörte des Sonntags in der Schenke von wildem Kriegsgetümmel hinten
in Böhmen, wo die Länder des Kaisers lagen, um den er sich wenig küm¬
merte. Er kaufte wol von einem verschmitzten Händler ein fliegendes Blatt,
oder ein Spottlied auf den verlorenen König der Böhmen; er gab einem
.zerschlagenen Flüchtling von Prag oder Budweis, der bettelnd an seine Thür
kam, von seinem Brot und Käse und hörte seine Schauergeschichten mit Kops¬
schütteln. Der Amtsbote brachte ein Schreiben des Landesherrn in das Dorf,
aus dem er sah. daß auch ihm zugemuthet wurde, für neugeworbene Sol¬
daten Geld und Getreide nach der Stadt zu liefern, er ärgerte sich und beeilte
sich seinen Schatz noch tiefer zu vergraben. Doch bald wurde ihm deutlich,
daß eine schlechte Zeit auch gegen ihn heranziehe, denn das Geld, welches
er in der Stadt empfing, wurde sehr roth, und alle Waaren wurden theurer;
auch er wurde in die heillose Verwirrung hineingezogen, welche seit 1620
durch das massenhafte Ausprägen werthlosen Geldes über das Land kam.
Er sah rundum in seiner Nähe Hcckenmünzcn aufrichten und erfuhr, daß man
jetzt überall von Kupfer Geld mache. Wenn er in die Stadt kam, wurde
er -vom Kaufmann betrogen, man verlangte seine guten Thaler, wenn er
bezahlen sollte und gab ihm garstiges Hcckengcld, wenn er zu fordern hatte.
Sein Pastor sing von der Kanzel an gegen Wucher, theure Zeit Und schlechtes


einzeln — selten in Thüringen, öfter in Fransen — bis ans unsere Zeit er
halten und werden jetzt mit den irdenen Apostclkrügen und ähnlichem Trink-
geschirr von Kunstsammlcrn ausgekauft. Groß muß der Schatz der
Bauerfrauen an Betten, Kleidern, Wüsche, an Ketten, Schaumünzen und
anderem Schmuck gewesen sein, und nicht weniger begehrungswürdig waren die
zahlreichen Würste und Schinken im Rauchfang. Auch viel baares Geld lag ver¬
steckt in den Winkeln der Truhe oder sorglich in Töpfen und Kesseln vergraben,
denn das Aufsammeln der blanken Stücke war eine alte Bauernstande, es
war seit Menschengedenken Friede gewesen und Wald und Hopfen brachten
gutes Geld. Das Leben des Bauern war reichlich ohne viele Bedürfnisse, er
kaufte in der Stadt die Nesteln für seine Kleider, den silbernen Schmuck für Weib
und Töchter, Würze für seinen sauern Wein und was von Metallwaaren
und Geräth in Hos und Küche nöthig war. Die Kleider von Wolle und
Leinwand webten und schnitten ost die Frauen im Hause oder der Nachbar
im Dorfe. Der Landmann nahm seine Mütze tief ab vor dem Landesherr»
oder vor den gelehrten Juristen, denn er liebte bereits die gefährliche Auf¬
regung der Processe, aber er wälzte wol auch ihnen gegenüber mit geheimem
Stolz die Erinnerung an eine kupferne Ofenblase oder ein paar alte Scher¬
ben in sich herum, die er gefüllt mit schweren Joachimsthalern im Milchkeller
oder unter seinem Ehebett versteckt hatte.

So lebte der Bauer in Mitteldeutschland noch nach dem Jahre 1618.
Er hörte des Sonntags in der Schenke von wildem Kriegsgetümmel hinten
in Böhmen, wo die Länder des Kaisers lagen, um den er sich wenig küm¬
merte. Er kaufte wol von einem verschmitzten Händler ein fliegendes Blatt,
oder ein Spottlied auf den verlorenen König der Böhmen; er gab einem
.zerschlagenen Flüchtling von Prag oder Budweis, der bettelnd an seine Thür
kam, von seinem Brot und Käse und hörte seine Schauergeschichten mit Kops¬
schütteln. Der Amtsbote brachte ein Schreiben des Landesherrn in das Dorf,
aus dem er sah. daß auch ihm zugemuthet wurde, für neugeworbene Sol¬
daten Geld und Getreide nach der Stadt zu liefern, er ärgerte sich und beeilte
sich seinen Schatz noch tiefer zu vergraben. Doch bald wurde ihm deutlich,
daß eine schlechte Zeit auch gegen ihn heranziehe, denn das Geld, welches
er in der Stadt empfing, wurde sehr roth, und alle Waaren wurden theurer;
auch er wurde in die heillose Verwirrung hineingezogen, welche seit 1620
durch das massenhafte Ausprägen werthlosen Geldes über das Land kam.
Er sah rundum in seiner Nähe Hcckenmünzcn aufrichten und erfuhr, daß man
jetzt überall von Kupfer Geld mache. Wenn er in die Stadt kam, wurde
er -vom Kaufmann betrogen, man verlangte seine guten Thaler, wenn er
bezahlen sollte und gab ihm garstiges Hcckengcld, wenn er zu fordern hatte.
Sein Pastor sing von der Kanzel an gegen Wucher, theure Zeit Und schlechtes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/14>, abgerufen am 15.05.2024.