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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Geld zu predigen, und das machte ihn sehr argwöhnisch, denn wenn schon der
Pfarrer das neue rothe Geld nicht mehr zum Opfer annehmen wollte, so mußte
die Sache in der Welt schlecht stehen. Er behielt sein Getreide und Fleisch zu
Hause und ging gar nicht mehr nach der Stadt. Aber er bekam doch Händel mit
Städtern und seinen Nachbarn, weil er auch das neue Geld bei seinen Zahlungen
loswerden wollte, und nur altes gutes als Bezahlung annehmen. Sein Herz
war voll böser Ahnungen. So ging es bis zum Jahr 1623. Da sah er das
Unheil noch von anderer Seite heranziehen. Die Diebstähle und Einbrüche
mehrten sich, fremdes Gesindel wurde oft auf den Landstraßen gesehen. Trom¬
peter sprengten mit schlimmen Nachrichten nach den Städten, angeworbenes
Kriegsvolk zog prahlerisch und frech vor seinen Hof, forderte Unterhalt, stahl
Würste, und nahm Hühner im Schnappsack mit. Desenfioner, ein neu errichtetes
Corps von berittenen Polizeisoldaten, trabten in das Dorf, forderten wieder
Zehrung, legten sich ihm in Quartier und belästigten ihn mehr als die Spitz¬
buben, die sie von seinen Viehställen abhalten sollten. Endlich begannen --für
Thüringen seit 1623 -- die Durchmärsche fremder Truppen und die großen Leiden
des Krieges senkten sich auf ihn. Fremdes Kriegsvolk von abenteuerlichem Aus¬
sehen, durch Blut und Schlachten verwildert, marschirte in sein Dorf, legte sich
ihm in Haus und Bett, mißhandelte ihn und die Seinen, forderte Zehrung, Kon¬
tribution, außerdem Geschenke und zerschlug.' verwüstete, und plünderte doch
noch, was ihm vor Augen kam. So ging es fort, seit 1626 mit jedem
Jahre schlimmer, Banden folgten aus Banden, mehr als ein Heer setzte sich
um ihn herum in Winterquartieren sest. die Lieferungen und Quälereien schie¬
nen endlos. Mit Entsetzen sah der Bauer, daß die fremden Soldaten mit
einer Spürkraft, die er der Zauberei zuschrieb, aufzufinden wußten, was er
tief in der Erde versteckt hatte. Wenn er ihnen aber zu schlau, gewesen war,
so wurde sein Loos noch schlechter, dann wurde er selbst ergriffen und durch
Qualen, welche niederzuschreiben peinlich ist, gezwungen, den Versteck
seiner Schätze selbst anzugeben. Von dem Schicksal seiner Frau und seiner
Töchter schweigen wir. das Greulichste wurde so gewöhnlich, daß eine Aus¬
nahme befremdlich war. Aber noch andere Leiden folgten. Seine Töchter,
seine Magd, sein kleiner Knabe wurden nicht nur viehisch gemißhandelt, sie
waren auch in dringender Gefahr durch Ueberredung oder Gewalt fortgeführt zu
werden. Denn jedem Heerhaufen folgte ein roher unseliger Troß von Dirnen
und Knaben. Es war eine Sache der Ehre und des Vortheils für den Ar-
quebusier wie den Reuter, eine Dirne zu halten, mit der er im wilden Haus¬
halte lebte und einen Buben, der ihm die niedrigsten Dienste verrichtete, für
ihn Beute machte und stahl. Das Schicksal dieser Unglücklichen läßt sich
denken! Aber die Wirthschaft des Landmanns ward noch in anderer Weise
verwüstet. Sein Knecht hatte vielleicht einige Jahre die Schläge der fremden


Geld zu predigen, und das machte ihn sehr argwöhnisch, denn wenn schon der
Pfarrer das neue rothe Geld nicht mehr zum Opfer annehmen wollte, so mußte
die Sache in der Welt schlecht stehen. Er behielt sein Getreide und Fleisch zu
Hause und ging gar nicht mehr nach der Stadt. Aber er bekam doch Händel mit
Städtern und seinen Nachbarn, weil er auch das neue Geld bei seinen Zahlungen
loswerden wollte, und nur altes gutes als Bezahlung annehmen. Sein Herz
war voll böser Ahnungen. So ging es bis zum Jahr 1623. Da sah er das
Unheil noch von anderer Seite heranziehen. Die Diebstähle und Einbrüche
mehrten sich, fremdes Gesindel wurde oft auf den Landstraßen gesehen. Trom¬
peter sprengten mit schlimmen Nachrichten nach den Städten, angeworbenes
Kriegsvolk zog prahlerisch und frech vor seinen Hof, forderte Unterhalt, stahl
Würste, und nahm Hühner im Schnappsack mit. Desenfioner, ein neu errichtetes
Corps von berittenen Polizeisoldaten, trabten in das Dorf, forderten wieder
Zehrung, legten sich ihm in Quartier und belästigten ihn mehr als die Spitz¬
buben, die sie von seinen Viehställen abhalten sollten. Endlich begannen —für
Thüringen seit 1623 — die Durchmärsche fremder Truppen und die großen Leiden
des Krieges senkten sich auf ihn. Fremdes Kriegsvolk von abenteuerlichem Aus¬
sehen, durch Blut und Schlachten verwildert, marschirte in sein Dorf, legte sich
ihm in Haus und Bett, mißhandelte ihn und die Seinen, forderte Zehrung, Kon¬
tribution, außerdem Geschenke und zerschlug.' verwüstete, und plünderte doch
noch, was ihm vor Augen kam. So ging es fort, seit 1626 mit jedem
Jahre schlimmer, Banden folgten aus Banden, mehr als ein Heer setzte sich
um ihn herum in Winterquartieren sest. die Lieferungen und Quälereien schie¬
nen endlos. Mit Entsetzen sah der Bauer, daß die fremden Soldaten mit
einer Spürkraft, die er der Zauberei zuschrieb, aufzufinden wußten, was er
tief in der Erde versteckt hatte. Wenn er ihnen aber zu schlau, gewesen war,
so wurde sein Loos noch schlechter, dann wurde er selbst ergriffen und durch
Qualen, welche niederzuschreiben peinlich ist, gezwungen, den Versteck
seiner Schätze selbst anzugeben. Von dem Schicksal seiner Frau und seiner
Töchter schweigen wir. das Greulichste wurde so gewöhnlich, daß eine Aus¬
nahme befremdlich war. Aber noch andere Leiden folgten. Seine Töchter,
seine Magd, sein kleiner Knabe wurden nicht nur viehisch gemißhandelt, sie
waren auch in dringender Gefahr durch Ueberredung oder Gewalt fortgeführt zu
werden. Denn jedem Heerhaufen folgte ein roher unseliger Troß von Dirnen
und Knaben. Es war eine Sache der Ehre und des Vortheils für den Ar-
quebusier wie den Reuter, eine Dirne zu halten, mit der er im wilden Haus¬
halte lebte und einen Buben, der ihm die niedrigsten Dienste verrichtete, für
ihn Beute machte und stahl. Das Schicksal dieser Unglücklichen läßt sich
denken! Aber die Wirthschaft des Landmanns ward noch in anderer Weise
verwüstet. Sein Knecht hatte vielleicht einige Jahre die Schläge der fremden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/15>, abgerufen am 15.05.2024.