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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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des guten Willens, das Gesetz verhindert es nicht. Man hat berechnet,
daß mehr als 30,000 Personen auf diese Weise compromittirt sind;
denn da jede Verurteilung verdächtig macht, so ist eine Strafe von
1 Fr, oder 8 Tagen Gefängniß, welche bei Gelegenheit jener Er¬
eignisse gegen jemand verhängt wurde, genügend, um ihn beliebig von der
Polizei interniren oder verbannen zu lassen. Es mag sein, daß das Gesetz
noch einige schüchterne Aenderungen, einige eouxs ne une erfährt, die Wahlen
zur Commission im Corps legislativ zeigen, daß es jedenfalls durchgehen wird.
Es will auch wenig sagen, wenn vielleicht noch erklärt wird, daß es nur den
Charakter einer vorübergehenden Maßregel haben soll, denn niemand kann
glauben, daß so geschraubte Zustände sich auf die Länge halten können, die
Bedeutung des Gesetzes liegt in der Gegenwart, für die es bestimmt ist. Es
reißt die noch nicht verharschten Wunden der letzten socialen Kämpfe aus; war
es nicht genug, daß man nach dem zweiten December aus bloßen Parteigründen
Hunderte tmnsvortirte und auswies? -- Als Consequenz dieses Verdachtsgrund-
satzcs kommen in dieselbe Rubrik alle, die künstig wegen ähnlicher Vergehen be¬
straft werden. Art. 6 zählt dieselben auf. Außerdem ist der Art. 2 der be-
mcrkenswcrthestc, er setzt Gefängnisstrafe von 1 Monat bis 2 Jahre oder Geld¬
buße von 500--2000 Franken fest für jeden, der um die öffentliche Ruhe zu
stören oder zum Haß oder zur Verachtung der kaiserlichen Regierung anzurei¬
zen im In" oder Auslande intriguirt hat (a, xrg.t,i<zu6 clef rnanoeuvrös on
öirtr-Llenn clef mtelliMircW.) Darunter fällt auch die Presse und neben den
Revolutionären auch die Royalisten, wenn aber jene Aufreizung stattgefunden,
unterliegt wieder der discretionären Beurtheilung der Behörden. Das Organ
Mornys klagt das Journal des Debats der Miturheberschaft des Attentats an,
weil es seine Entrüstung darüber nicht stark genug kund gegeben. unZus
iLOULIU.

Der Kaiser hat sich wohl gehütet, eine grobe oder drohende Note an Eng¬
land wegen der Flüchtlinge zu richten, oder auch nur einen Collectivschritt der
continentalen Mächte herbeizuführen, Graf Persigny hat eine verhältnißinüßig
gemäßigte Rede gehalten und man hat das englische Cabinet durch offiziöse
Einflüsse dem Anscheine nach bewogen, ein strengeres Gesetz über die Flüchtlinge
vorzulegen. Wir sagen dem Anschein nach, denn Lord Palmerston hat zwar eine
Bill angekündigt, welche die Verbesserung der bestehenden Gesetze gegen Ver¬
schwörung zum Mord fremder Souveräne bezweckt, aber von dem Inhalt der¬
selben und von den Veränderungen, welche sie in der Parlamentsberathung
erfahren kann, wissen wir noch nichts. Doch läßt sich mit aller. Ruhe prophe-
zeihen, daß die übrigens von Konservativen Malmesbury, Derby und Broug-
ham) wie von Liberalen (Campbell, und Roebuck) angegriffene Bill, wenn


des guten Willens, das Gesetz verhindert es nicht. Man hat berechnet,
daß mehr als 30,000 Personen auf diese Weise compromittirt sind;
denn da jede Verurteilung verdächtig macht, so ist eine Strafe von
1 Fr, oder 8 Tagen Gefängniß, welche bei Gelegenheit jener Er¬
eignisse gegen jemand verhängt wurde, genügend, um ihn beliebig von der
Polizei interniren oder verbannen zu lassen. Es mag sein, daß das Gesetz
noch einige schüchterne Aenderungen, einige eouxs ne une erfährt, die Wahlen
zur Commission im Corps legislativ zeigen, daß es jedenfalls durchgehen wird.
Es will auch wenig sagen, wenn vielleicht noch erklärt wird, daß es nur den
Charakter einer vorübergehenden Maßregel haben soll, denn niemand kann
glauben, daß so geschraubte Zustände sich auf die Länge halten können, die
Bedeutung des Gesetzes liegt in der Gegenwart, für die es bestimmt ist. Es
reißt die noch nicht verharschten Wunden der letzten socialen Kämpfe aus; war
es nicht genug, daß man nach dem zweiten December aus bloßen Parteigründen
Hunderte tmnsvortirte und auswies? — Als Consequenz dieses Verdachtsgrund-
satzcs kommen in dieselbe Rubrik alle, die künstig wegen ähnlicher Vergehen be¬
straft werden. Art. 6 zählt dieselben auf. Außerdem ist der Art. 2 der be-
mcrkenswcrthestc, er setzt Gefängnisstrafe von 1 Monat bis 2 Jahre oder Geld¬
buße von 500—2000 Franken fest für jeden, der um die öffentliche Ruhe zu
stören oder zum Haß oder zur Verachtung der kaiserlichen Regierung anzurei¬
zen im In« oder Auslande intriguirt hat (a, xrg.t,i<zu6 clef rnanoeuvrös on
öirtr-Llenn clef mtelliMircW.) Darunter fällt auch die Presse und neben den
Revolutionären auch die Royalisten, wenn aber jene Aufreizung stattgefunden,
unterliegt wieder der discretionären Beurtheilung der Behörden. Das Organ
Mornys klagt das Journal des Debats der Miturheberschaft des Attentats an,
weil es seine Entrüstung darüber nicht stark genug kund gegeben. unZus
iLOULIU.

Der Kaiser hat sich wohl gehütet, eine grobe oder drohende Note an Eng¬
land wegen der Flüchtlinge zu richten, oder auch nur einen Collectivschritt der
continentalen Mächte herbeizuführen, Graf Persigny hat eine verhältnißinüßig
gemäßigte Rede gehalten und man hat das englische Cabinet durch offiziöse
Einflüsse dem Anscheine nach bewogen, ein strengeres Gesetz über die Flüchtlinge
vorzulegen. Wir sagen dem Anschein nach, denn Lord Palmerston hat zwar eine
Bill angekündigt, welche die Verbesserung der bestehenden Gesetze gegen Ver¬
schwörung zum Mord fremder Souveräne bezweckt, aber von dem Inhalt der¬
selben und von den Veränderungen, welche sie in der Parlamentsberathung
erfahren kann, wissen wir noch nichts. Doch läßt sich mit aller. Ruhe prophe-
zeihen, daß die übrigens von Konservativen Malmesbury, Derby und Broug-
ham) wie von Liberalen (Campbell, und Roebuck) angegriffene Bill, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/280>, abgerufen am 29.05.2024.