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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Der Kurfürst Franz Ludwig von Trier ertheilte als damaliger Hoch- und
Deutschmeister im genannten Jahre dem Ordensarchivar Kheul den Befehl'-
da nach Absterben des Comthurs Forstmeister von GelnKausen er allein noch
übrig sei, welcher den Ort kenne, an welchem der Leib der h. Elisabeth ver¬
wahrt werde, so solle er ihm darüber genauen Bericht erstatten. Dieser er¬
folgte auch nach wenigen Tagen. Nach langem Nachdenken -- berichtete
Kheul -- wisse er sich nicht mehr davon zu erinnern, als das Folgende.

Als er im Jahre 1684 mit dem Kämmerer von Hoheneck und dem jetzigen
Kammerrath Stein zu Marburg gewesen, habe ihnen der damalige Zinsmeister
Linker im Vertrauen an dem Grabmale des Landgrafen Konrad von Thü¬
ringen (nach den weitern Angaben allerdings an der Stelle, wo das Kästchen
gefunden worden ist) einen Ort gezeigt, an dem man bei der Bereitung eines
Grabes, wenn er nicht irre, des für den Balleistatthalter von Neuhof (1669),
"in der Tiefe ein eisernes Kistchen gefunden, worin man der h. Elisabeth
Reliquien enthalten zu sein geglaubt und es deshalb ganz in der Stille
wieder vermacht habe."

Das ist der ganze Beweis, auf welchen Dr. Dudik sich stützt. Daß der¬
selbe so gänzlich in der Luft steht, berührt er nicht weiter; er nimmt ihn für
vollgiltig. Was ists dann aber anders, als was 1854 geschehen? Wie man
1854 bei der Auffindung des Kästchens auf den Gedanken verfiel, die darin
verwahrten Knochen müßten .die der h. Elisabeth sein, so verfiel man auch
damals auf die gleiche Vermuthung. Das ist das Factum, welches die ganze
Mittheilung feststellt. Man hatte auch damals keinen andern Grund für die¬
sen Glauben, als den. daß man nun einmal nur an die h. Elisabeth denken
zu müssen glaubte. Ich habe es schon oben gesagt und gebe es hier noch¬
mals gern zu. daß dieser Glaube so nahe lag. daß er sich sogar von selbst
aufdringen mußte. So sorgfältig verwahrte Gebeine mußten einen besondern
Werth, eine ungewöhnliche Bedeutung haben und an der Ruhestätte der h-
Elisabeth, in dem Gebäude, das gewissermaßen als ihr Grabmal betrachtet
werden kann, an wen anders hätte man denken können? Dr. Dudik legt fer¬
ner auch noch Gewicht darauf, daß die Tradition sich erhalten, die Gebeine
seien in der Kirche beigesetzt worden. Er stützt diese Annahme auf das Fac¬
tum, daß der Hof- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian nach der Be-
gräbnißstätte der h. Elisabeth gefragt, und der damalige Landcomthur Wilhelw
von Oinhausen (1618) ihm darauf vor dem Hochaltare einen Stein
zeigt, unter welchem die Gebeine der Heiligen ruhen sollten.

Aber auch darin ist unmöglich der Beleg für eine Tradition zu erkennen-
So natürlich der Glaube, daß die Gebeine jenes Kästchens die der Heiligen
seien, ebenso natürlich ist es auch, in der Kirche der h. Elisabeth nach deren
Ruhestätte zu fragen. Wo anders sollte man sie auch suchen, wenn man von


Der Kurfürst Franz Ludwig von Trier ertheilte als damaliger Hoch- und
Deutschmeister im genannten Jahre dem Ordensarchivar Kheul den Befehl'-
da nach Absterben des Comthurs Forstmeister von GelnKausen er allein noch
übrig sei, welcher den Ort kenne, an welchem der Leib der h. Elisabeth ver¬
wahrt werde, so solle er ihm darüber genauen Bericht erstatten. Dieser er¬
folgte auch nach wenigen Tagen. Nach langem Nachdenken — berichtete
Kheul — wisse er sich nicht mehr davon zu erinnern, als das Folgende.

Als er im Jahre 1684 mit dem Kämmerer von Hoheneck und dem jetzigen
Kammerrath Stein zu Marburg gewesen, habe ihnen der damalige Zinsmeister
Linker im Vertrauen an dem Grabmale des Landgrafen Konrad von Thü¬
ringen (nach den weitern Angaben allerdings an der Stelle, wo das Kästchen
gefunden worden ist) einen Ort gezeigt, an dem man bei der Bereitung eines
Grabes, wenn er nicht irre, des für den Balleistatthalter von Neuhof (1669),
„in der Tiefe ein eisernes Kistchen gefunden, worin man der h. Elisabeth
Reliquien enthalten zu sein geglaubt und es deshalb ganz in der Stille
wieder vermacht habe."

Das ist der ganze Beweis, auf welchen Dr. Dudik sich stützt. Daß der¬
selbe so gänzlich in der Luft steht, berührt er nicht weiter; er nimmt ihn für
vollgiltig. Was ists dann aber anders, als was 1854 geschehen? Wie man
1854 bei der Auffindung des Kästchens auf den Gedanken verfiel, die darin
verwahrten Knochen müßten .die der h. Elisabeth sein, so verfiel man auch
damals auf die gleiche Vermuthung. Das ist das Factum, welches die ganze
Mittheilung feststellt. Man hatte auch damals keinen andern Grund für die¬
sen Glauben, als den. daß man nun einmal nur an die h. Elisabeth denken
zu müssen glaubte. Ich habe es schon oben gesagt und gebe es hier noch¬
mals gern zu. daß dieser Glaube so nahe lag. daß er sich sogar von selbst
aufdringen mußte. So sorgfältig verwahrte Gebeine mußten einen besondern
Werth, eine ungewöhnliche Bedeutung haben und an der Ruhestätte der h-
Elisabeth, in dem Gebäude, das gewissermaßen als ihr Grabmal betrachtet
werden kann, an wen anders hätte man denken können? Dr. Dudik legt fer¬
ner auch noch Gewicht darauf, daß die Tradition sich erhalten, die Gebeine
seien in der Kirche beigesetzt worden. Er stützt diese Annahme auf das Fac¬
tum, daß der Hof- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian nach der Be-
gräbnißstätte der h. Elisabeth gefragt, und der damalige Landcomthur Wilhelw
von Oinhausen (1618) ihm darauf vor dem Hochaltare einen Stein
zeigt, unter welchem die Gebeine der Heiligen ruhen sollten.

Aber auch darin ist unmöglich der Beleg für eine Tradition zu erkennen-
So natürlich der Glaube, daß die Gebeine jenes Kästchens die der Heiligen
seien, ebenso natürlich ist es auch, in der Kirche der h. Elisabeth nach deren
Ruhestätte zu fragen. Wo anders sollte man sie auch suchen, wenn man von


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[0252] Der Kurfürst Franz Ludwig von Trier ertheilte als damaliger Hoch- und Deutschmeister im genannten Jahre dem Ordensarchivar Kheul den Befehl'- da nach Absterben des Comthurs Forstmeister von GelnKausen er allein noch übrig sei, welcher den Ort kenne, an welchem der Leib der h. Elisabeth ver¬ wahrt werde, so solle er ihm darüber genauen Bericht erstatten. Dieser er¬ folgte auch nach wenigen Tagen. Nach langem Nachdenken — berichtete Kheul — wisse er sich nicht mehr davon zu erinnern, als das Folgende. Als er im Jahre 1684 mit dem Kämmerer von Hoheneck und dem jetzigen Kammerrath Stein zu Marburg gewesen, habe ihnen der damalige Zinsmeister Linker im Vertrauen an dem Grabmale des Landgrafen Konrad von Thü¬ ringen (nach den weitern Angaben allerdings an der Stelle, wo das Kästchen gefunden worden ist) einen Ort gezeigt, an dem man bei der Bereitung eines Grabes, wenn er nicht irre, des für den Balleistatthalter von Neuhof (1669), „in der Tiefe ein eisernes Kistchen gefunden, worin man der h. Elisabeth Reliquien enthalten zu sein geglaubt und es deshalb ganz in der Stille wieder vermacht habe." Das ist der ganze Beweis, auf welchen Dr. Dudik sich stützt. Daß der¬ selbe so gänzlich in der Luft steht, berührt er nicht weiter; er nimmt ihn für vollgiltig. Was ists dann aber anders, als was 1854 geschehen? Wie man 1854 bei der Auffindung des Kästchens auf den Gedanken verfiel, die darin verwahrten Knochen müßten .die der h. Elisabeth sein, so verfiel man auch damals auf die gleiche Vermuthung. Das ist das Factum, welches die ganze Mittheilung feststellt. Man hatte auch damals keinen andern Grund für die¬ sen Glauben, als den. daß man nun einmal nur an die h. Elisabeth denken zu müssen glaubte. Ich habe es schon oben gesagt und gebe es hier noch¬ mals gern zu. daß dieser Glaube so nahe lag. daß er sich sogar von selbst aufdringen mußte. So sorgfältig verwahrte Gebeine mußten einen besondern Werth, eine ungewöhnliche Bedeutung haben und an der Ruhestätte der h- Elisabeth, in dem Gebäude, das gewissermaßen als ihr Grabmal betrachtet werden kann, an wen anders hätte man denken können? Dr. Dudik legt fer¬ ner auch noch Gewicht darauf, daß die Tradition sich erhalten, die Gebeine seien in der Kirche beigesetzt worden. Er stützt diese Annahme auf das Fac¬ tum, daß der Hof- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian nach der Be- gräbnißstätte der h. Elisabeth gefragt, und der damalige Landcomthur Wilhelw von Oinhausen (1618) ihm darauf vor dem Hochaltare einen Stein zeigt, unter welchem die Gebeine der Heiligen ruhen sollten. Aber auch darin ist unmöglich der Beleg für eine Tradition zu erkennen- So natürlich der Glaube, daß die Gebeine jenes Kästchens die der Heiligen seien, ebenso natürlich ist es auch, in der Kirche der h. Elisabeth nach deren Ruhestätte zu fragen. Wo anders sollte man sie auch suchen, wenn man von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/252>, abgerufen am 23.05.2024.