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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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der deutschen Tüchtigkeit und Bildung ist. Er sieht mit Stolz, daß in keinem
Kreise deutschen Lebens, weder bei Fürsten noch beim Adel, die Sittlichkeit
reiner, die Bildung humaner, der Sinn sür das Schöne und Große entwickel¬
ter, das Familienleben gemüthvoller ist, als in den gebildeten Familien, welche
stolz darauf sind, bürgerlich zu heißen. Der deutsche Bürger weiß wol, daß
der Adel dem Bürgerstand seit Jahrhunderten fast Alles verdankt, was ihn
aus der Unbehülflichkeit des Mittelalters herausgehoben und den Junker in
einen nützlichen Staatsbürger verwandelt hat. Er weiß, daß die Humboldte
nur durch den Verkehr mit dem Philologen Wols, den Dichtern Schiller und
Goethe zu der Cultur gekommen sind, welche sie zu Zierden ihres Standes
macht. Er weiß recht gut. daß aus den Landcdellcutm der Mark und
Pommerns, welche in Opposition gegen die humane bürgerliche Bildung der
Gegenwart treten, niemals ein Humboldt herauswachsen wird, wol aber moderne
Don Quixotcs, nicht so harmlos und weniger liebenswert!), als der arme
spanische Hidalgo. Und fest überzeugt ist der Bürger, daß er nicht mehr
Glied eines Standes, welcher zwischen Edelmann und Bauer gesetzt ist, sondern
in freiester Stellung ein Theil der Volkskraft, daß vorzugsweise er Repräsen¬
tant auch des edelen Lebens der Nation ist, und daß hoher und niedrer Adel
sich nur dann erhalten können, wenn sie in geistiger und materieller Beziehung
seiner Führung folgen.

Es gibt natürlich auch Nichtadelige, welche noch mit Groll und Neid auf
die gesellschaftliche" Hofprivilegien des feudalen Adels blicken, und die es für
ein besonderes Glück halten, derselben in irgend einer Weise theilhaftig zu
werden. Es ist zu bedauern, daß die Fürsten und ihre Umgebung vorzugs¬
weise nach solchen Einzelnen ihre Ansicht über ihr eignes Verhältniß zu den
Besten der Nation bilden. Denn nicht nach den Schwachen ist die Stim¬
mung der geistigen Führer des Volkes zu messen, und mit Stolz darf man
auch in dieser Hinsicht auf die deutsche Art hinweisen. Trotz der vielen Höfe
und der zahllosen Fäden, welche durch den Einfluß der vielen Regierenden ge¬
zogen werden, und trotz des unerhörten Druckes, unter dem das deutsche
Volk in den letzten Jahrhunderten seiner geschichtlichen Entwickelung heraus¬
gewachsen ist, ist doch sehr allgemein ein männlicher gleichmäßiger Sinn, der
den Höherstehenden Achtung, den Regierenden ehrliche Loyalität bewahrt, aber
ebenso entschieden mit Stolz das eigene frische Leben der künstlichen Lust der
Höfe gegenüberstellt.

In dem Gefühl seiner Kraft kann der deutsche Bürger lächelnd den person
liehen Verkehr mit seinem Fürsten und das Leben am Hofe entbehren. Ja,
es ist wahrscheinlich, daß Viele die Ehre dieses Verkehrs nicht so hoch schätzen
werden, als den bequemeren Umgang mit solchen, welche der Methode ihrer
eigenen Bildung näher stehen. Aber bedenklich ist der andere Umstand: die


der deutschen Tüchtigkeit und Bildung ist. Er sieht mit Stolz, daß in keinem
Kreise deutschen Lebens, weder bei Fürsten noch beim Adel, die Sittlichkeit
reiner, die Bildung humaner, der Sinn sür das Schöne und Große entwickel¬
ter, das Familienleben gemüthvoller ist, als in den gebildeten Familien, welche
stolz darauf sind, bürgerlich zu heißen. Der deutsche Bürger weiß wol, daß
der Adel dem Bürgerstand seit Jahrhunderten fast Alles verdankt, was ihn
aus der Unbehülflichkeit des Mittelalters herausgehoben und den Junker in
einen nützlichen Staatsbürger verwandelt hat. Er weiß, daß die Humboldte
nur durch den Verkehr mit dem Philologen Wols, den Dichtern Schiller und
Goethe zu der Cultur gekommen sind, welche sie zu Zierden ihres Standes
macht. Er weiß recht gut. daß aus den Landcdellcutm der Mark und
Pommerns, welche in Opposition gegen die humane bürgerliche Bildung der
Gegenwart treten, niemals ein Humboldt herauswachsen wird, wol aber moderne
Don Quixotcs, nicht so harmlos und weniger liebenswert!), als der arme
spanische Hidalgo. Und fest überzeugt ist der Bürger, daß er nicht mehr
Glied eines Standes, welcher zwischen Edelmann und Bauer gesetzt ist, sondern
in freiester Stellung ein Theil der Volkskraft, daß vorzugsweise er Repräsen¬
tant auch des edelen Lebens der Nation ist, und daß hoher und niedrer Adel
sich nur dann erhalten können, wenn sie in geistiger und materieller Beziehung
seiner Führung folgen.

Es gibt natürlich auch Nichtadelige, welche noch mit Groll und Neid auf
die gesellschaftliche» Hofprivilegien des feudalen Adels blicken, und die es für
ein besonderes Glück halten, derselben in irgend einer Weise theilhaftig zu
werden. Es ist zu bedauern, daß die Fürsten und ihre Umgebung vorzugs¬
weise nach solchen Einzelnen ihre Ansicht über ihr eignes Verhältniß zu den
Besten der Nation bilden. Denn nicht nach den Schwachen ist die Stim¬
mung der geistigen Führer des Volkes zu messen, und mit Stolz darf man
auch in dieser Hinsicht auf die deutsche Art hinweisen. Trotz der vielen Höfe
und der zahllosen Fäden, welche durch den Einfluß der vielen Regierenden ge¬
zogen werden, und trotz des unerhörten Druckes, unter dem das deutsche
Volk in den letzten Jahrhunderten seiner geschichtlichen Entwickelung heraus¬
gewachsen ist, ist doch sehr allgemein ein männlicher gleichmäßiger Sinn, der
den Höherstehenden Achtung, den Regierenden ehrliche Loyalität bewahrt, aber
ebenso entschieden mit Stolz das eigene frische Leben der künstlichen Lust der
Höfe gegenüberstellt.

In dem Gefühl seiner Kraft kann der deutsche Bürger lächelnd den person
liehen Verkehr mit seinem Fürsten und das Leben am Hofe entbehren. Ja,
es ist wahrscheinlich, daß Viele die Ehre dieses Verkehrs nicht so hoch schätzen
werden, als den bequemeren Umgang mit solchen, welche der Methode ihrer
eigenen Bildung näher stehen. Aber bedenklich ist der andere Umstand: die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/18>, abgerufen am 15.05.2024.