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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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MW: d. 11. Oel: 1793. Im Lager bei Da>ut"el1er
den 3. Oel,. N93

9. Vor wenig Tagen habe ich durch einen Zufall erfahren, daß meine
Briefe meist immer aufgebrochen wurden: ich wundere mich daher gar nicht,
daß Sie meine Nachrichten nicht erhalten, oder es wenigstens sehr spät ist,
wenn Sie solche bekommen: vielleicht bekommen Sie diese da meine Absicht
ist, ihn an Millekopfen zu schicken , ich werde gewiß nicht unterlassen aufs
strengste hinter die Wahrheit zu kommen, und dann wehe dem, der daran
Schuld ist.

Der Vorfall bei Pirmasens. wo der Herzog die Franzosen zurückgeschla¬
gen wird Ihnen bekannt seyn, dennoch füge ich es hier bei: so wie das
wichtigste was unserm Corps begegnet ist: ich suche Ihnen die Wahrheit, so
viel ich sie selber weiß mitzutheilen.

Die Gründe weswegen ick) schon längst Ursache habe äußerst mißvergnügt
zu seyn, werden Ihnen bekannt seyn, dennoch kommt beinahe täglich noch
dazu, so daß ich ohne Ihren Rath und der Gewißheit Ihrer Freundschaft
mich sehr unglücklich sielen würde: ich weiß daß ich dem preußischen Hause
vielen Dank, ja selber mein künftiges Glück zu danken habe, durch diese
wesentlichen Gründe angefeiert, habe ich gewiß keine Gelegenheit vorbei¬
gehen lassen in dem kleinen Cirkel wo ich lebe und diene so viel Gutes als
möglich zu stiften'. allein demohnerachtet sehe ich nicht den Grund ein. wes¬
wegen ich Zurücksetzung und sogar wohl zuweilen Erniedrigungen mir muß
gefallen lassen: mein Vater ist mir nicht gut; er bemüht sich Gründe zum
Klagen über mich zu finden; handelt dabei nicht aufrichtig, sondern sucht ganz
fremde Leute auf die mit mir sprechen und sein Misvcrgnügen mir sollen zu
erkennen geben : mein glückliches Temperament jede Sache so zu nehmen wie
sie ist, und nicht wie sein soll macht daß ich mich leicht über alles dergleichen
wegsetze und daher lerne, daß Menschen, ja selbst die, welche Verstand ha¬
ben, oft in ihren Handlungen Zweideutigkeit äußern. Der Haß, den der
Herzog mir jetzt unschuldiger Weise nach trügt, macht daß ich auf den Po¬
sten stehen bleibe, den ich seid mehreren Jahren schon bekleidet; ich habe nichts
gethan weswegen ich aus irgend eine Art, verdiene belohnt zu werden; den¬
noch muß es mir kränkend seyn, daß andere, die auch aus naseweißheit
blessirt wurden, Danksagungen, Lobeserhebungen erhalten, und zuletzt alle an¬
dern an Avancements vorgezogen würden: der König ist Herr und Meister
und wir müssen gehorchen und mit allen zufrieden seyn; allein das Mis¬
vcrgnügen wenn man ohne Grund in diesen Punkten zurückgesetzt wird, scheint
mir aber so ausgemacht, als ich wünsche Ihnen meinen weitem Plahn bekannt
zu machen.

Meine Vettern die alle in englischen Dienst sind, haben mir oft gesag-t


MW: d. 11. Oel: 1793. Im Lager bei Da>ut«el1er
den 3. Oel,. N93

9. Vor wenig Tagen habe ich durch einen Zufall erfahren, daß meine
Briefe meist immer aufgebrochen wurden: ich wundere mich daher gar nicht,
daß Sie meine Nachrichten nicht erhalten, oder es wenigstens sehr spät ist,
wenn Sie solche bekommen: vielleicht bekommen Sie diese da meine Absicht
ist, ihn an Millekopfen zu schicken , ich werde gewiß nicht unterlassen aufs
strengste hinter die Wahrheit zu kommen, und dann wehe dem, der daran
Schuld ist.

Der Vorfall bei Pirmasens. wo der Herzog die Franzosen zurückgeschla¬
gen wird Ihnen bekannt seyn, dennoch füge ich es hier bei: so wie das
wichtigste was unserm Corps begegnet ist: ich suche Ihnen die Wahrheit, so
viel ich sie selber weiß mitzutheilen.

Die Gründe weswegen ick) schon längst Ursache habe äußerst mißvergnügt
zu seyn, werden Ihnen bekannt seyn, dennoch kommt beinahe täglich noch
dazu, so daß ich ohne Ihren Rath und der Gewißheit Ihrer Freundschaft
mich sehr unglücklich sielen würde: ich weiß daß ich dem preußischen Hause
vielen Dank, ja selber mein künftiges Glück zu danken habe, durch diese
wesentlichen Gründe angefeiert, habe ich gewiß keine Gelegenheit vorbei¬
gehen lassen in dem kleinen Cirkel wo ich lebe und diene so viel Gutes als
möglich zu stiften'. allein demohnerachtet sehe ich nicht den Grund ein. wes¬
wegen ich Zurücksetzung und sogar wohl zuweilen Erniedrigungen mir muß
gefallen lassen: mein Vater ist mir nicht gut; er bemüht sich Gründe zum
Klagen über mich zu finden; handelt dabei nicht aufrichtig, sondern sucht ganz
fremde Leute auf die mit mir sprechen und sein Misvcrgnügen mir sollen zu
erkennen geben : mein glückliches Temperament jede Sache so zu nehmen wie
sie ist, und nicht wie sein soll macht daß ich mich leicht über alles dergleichen
wegsetze und daher lerne, daß Menschen, ja selbst die, welche Verstand ha¬
ben, oft in ihren Handlungen Zweideutigkeit äußern. Der Haß, den der
Herzog mir jetzt unschuldiger Weise nach trügt, macht daß ich auf den Po¬
sten stehen bleibe, den ich seid mehreren Jahren schon bekleidet; ich habe nichts
gethan weswegen ich aus irgend eine Art, verdiene belohnt zu werden; den¬
noch muß es mir kränkend seyn, daß andere, die auch aus naseweißheit
blessirt wurden, Danksagungen, Lobeserhebungen erhalten, und zuletzt alle an¬
dern an Avancements vorgezogen würden: der König ist Herr und Meister
und wir müssen gehorchen und mit allen zufrieden seyn; allein das Mis¬
vcrgnügen wenn man ohne Grund in diesen Punkten zurückgesetzt wird, scheint
mir aber so ausgemacht, als ich wünsche Ihnen meinen weitem Plahn bekannt
zu machen.

Meine Vettern die alle in englischen Dienst sind, haben mir oft gesag-t


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/48>, abgerufen am 15.05.2024.