Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gute Münzen mit Vortheil aufkaufen, vollwichtiges Gold beschneiden, leichtes
Geld in Umsatz bringen, wurde die gewinnbringendste Thätigkeit. Wie jetzt
die Zeitkäufe und der Aktieuschacher, so war damals ein großentheils ungesetz¬
licher Handel mit gemünzten Metall das Leiden der Handelsplätze. Es war
nicht auszurotten. Wurde einmal der Scandal zu groß, dann traten wol die
Landesregierungen unbehilflich dazwischen, aber ihre Gerichte wurden blind
gemacht. So war in Frankfurt a. M. das Beschneiden der Ducaten so massen¬
haft betrieben worden, daß von Wien eine Specialcommission in die freie
Reichsstadt gesandt wurde; Juden waren die Colporteure gewesen, christliche
Handelshäuser, darunter mehre große Firmen, die Hauptschuldigen, deren
Namen noch jetzt bestehen. Es kam weiter nichts dabei heraus, als daß die
kaiserlichen Commissäre den größten Theil des unsaubern Gewinnes in rhre
Tasche bargen.

Solcher Reichthum, schnell und gegen das Gesetz erworben, hatte, wie
noch jetzt, alle Eigenschaften eines unsolider Erwerbes; er dauerte selten bis
aus die dritte Generation. Er machte die Schuldigen leicht zu Verschwendern
und Genußsüchtigen, ihr Hochmuth, ihr Mangel an Bildung, ihre Prunksucht
wurde den eignen Mitbürgern besonders auffüllig. Solche Individuen waren
es vorzugsweise, welche sich Adelsbriefe kauften; und es ist wol kein Zufall,
daß von den zahlreichen Adelsfamilien dieser Art verhältnißmäßig viele wieder
untergegangen sind.

Ein Neugeadelter aus solchem Kreise behielt in der Firma seinen wirk¬
lichen Namen, aber unter seinen Mitbürgern hielt er eifersüchtig auf die Pri¬
vilegien des neuen Standes. Gern ließ er sein Wappen in Stein auf die
Außenseite des schönen Hauses meißeln und reichlich vergolden, aber der Stein
verbürgte nicht die lange Dauer des Hausbesitzes. Es erschien z. B. in Bres-
lau auffallend, wie schnell die Häuser auf dem großen Ringe die damals fast
sämmtlich dem neuen Briefadel gehörten, ihre Besitzer wechselten. Im Innern
des Hauses wurde ein auffallender Luxus zur Schau gestellt, in dieser arm¬
seligen Zeit dem Volke doppelt unheimlich. Die Zimmer waren mit kostbaren
Tapeten geschmückt, mit seidenen Spaglieren, Wandteppichen und Behängen,
welche man zum Gebrauch an der Wand oder auf besonderem Gestell aufhängte,
dann wol wieder abnahm und mit senstergroßen venetianischen Spiegeln ersetzte.
Die Frauen nähten diamantene Schlösser auf die Schuhe, es wird geklagt, daß
sie keine Spitzen tragen wollten, wenn sie nicht von Venedig oder Paris waren
und die Elle nicht wenigstens zwanzig Thaler kostete, ja es wurde ihnen nach¬
gesagt, daß ihre Nachtgeschirre von Silber wären. Groß war die Zahl ihrer
Lakaien, die Ccirossen wurden reich vergoldet, der Kutscher lenkte vom hohen
Bock zuweilen vier Pferde, die dann nebeneinander gespannt waren, aber wenn
die glänzende Equipage durch die Straßen rasselte, riefen die Leute doch hob-


gute Münzen mit Vortheil aufkaufen, vollwichtiges Gold beschneiden, leichtes
Geld in Umsatz bringen, wurde die gewinnbringendste Thätigkeit. Wie jetzt
die Zeitkäufe und der Aktieuschacher, so war damals ein großentheils ungesetz¬
licher Handel mit gemünzten Metall das Leiden der Handelsplätze. Es war
nicht auszurotten. Wurde einmal der Scandal zu groß, dann traten wol die
Landesregierungen unbehilflich dazwischen, aber ihre Gerichte wurden blind
gemacht. So war in Frankfurt a. M. das Beschneiden der Ducaten so massen¬
haft betrieben worden, daß von Wien eine Specialcommission in die freie
Reichsstadt gesandt wurde; Juden waren die Colporteure gewesen, christliche
Handelshäuser, darunter mehre große Firmen, die Hauptschuldigen, deren
Namen noch jetzt bestehen. Es kam weiter nichts dabei heraus, als daß die
kaiserlichen Commissäre den größten Theil des unsaubern Gewinnes in rhre
Tasche bargen.

Solcher Reichthum, schnell und gegen das Gesetz erworben, hatte, wie
noch jetzt, alle Eigenschaften eines unsolider Erwerbes; er dauerte selten bis
aus die dritte Generation. Er machte die Schuldigen leicht zu Verschwendern
und Genußsüchtigen, ihr Hochmuth, ihr Mangel an Bildung, ihre Prunksucht
wurde den eignen Mitbürgern besonders auffüllig. Solche Individuen waren
es vorzugsweise, welche sich Adelsbriefe kauften; und es ist wol kein Zufall,
daß von den zahlreichen Adelsfamilien dieser Art verhältnißmäßig viele wieder
untergegangen sind.

Ein Neugeadelter aus solchem Kreise behielt in der Firma seinen wirk¬
lichen Namen, aber unter seinen Mitbürgern hielt er eifersüchtig auf die Pri¬
vilegien des neuen Standes. Gern ließ er sein Wappen in Stein auf die
Außenseite des schönen Hauses meißeln und reichlich vergolden, aber der Stein
verbürgte nicht die lange Dauer des Hausbesitzes. Es erschien z. B. in Bres-
lau auffallend, wie schnell die Häuser auf dem großen Ringe die damals fast
sämmtlich dem neuen Briefadel gehörten, ihre Besitzer wechselten. Im Innern
des Hauses wurde ein auffallender Luxus zur Schau gestellt, in dieser arm¬
seligen Zeit dem Volke doppelt unheimlich. Die Zimmer waren mit kostbaren
Tapeten geschmückt, mit seidenen Spaglieren, Wandteppichen und Behängen,
welche man zum Gebrauch an der Wand oder auf besonderem Gestell aufhängte,
dann wol wieder abnahm und mit senstergroßen venetianischen Spiegeln ersetzte.
Die Frauen nähten diamantene Schlösser auf die Schuhe, es wird geklagt, daß
sie keine Spitzen tragen wollten, wenn sie nicht von Venedig oder Paris waren
und die Elle nicht wenigstens zwanzig Thaler kostete, ja es wurde ihnen nach¬
gesagt, daß ihre Nachtgeschirre von Silber wären. Groß war die Zahl ihrer
Lakaien, die Ccirossen wurden reich vergoldet, der Kutscher lenkte vom hohen
Bock zuweilen vier Pferde, die dann nebeneinander gespannt waren, aber wenn
die glänzende Equipage durch die Straßen rasselte, riefen die Leute doch hob-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109826"/>
          <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> gute Münzen mit Vortheil aufkaufen, vollwichtiges Gold beschneiden, leichtes<lb/>
Geld in Umsatz bringen, wurde die gewinnbringendste Thätigkeit. Wie jetzt<lb/>
die Zeitkäufe und der Aktieuschacher, so war damals ein großentheils ungesetz¬<lb/>
licher Handel mit gemünzten Metall das Leiden der Handelsplätze. Es war<lb/>
nicht auszurotten. Wurde einmal der Scandal zu groß, dann traten wol die<lb/>
Landesregierungen unbehilflich dazwischen, aber ihre Gerichte wurden blind<lb/>
gemacht. So war in Frankfurt a. M. das Beschneiden der Ducaten so massen¬<lb/>
haft betrieben worden, daß von Wien eine Specialcommission in die freie<lb/>
Reichsstadt gesandt wurde; Juden waren die Colporteure gewesen, christliche<lb/>
Handelshäuser, darunter mehre große Firmen, die Hauptschuldigen, deren<lb/>
Namen noch jetzt bestehen. Es kam weiter nichts dabei heraus, als daß die<lb/>
kaiserlichen Commissäre den größten Theil des unsaubern Gewinnes in rhre<lb/>
Tasche bargen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_19"> Solcher Reichthum, schnell und gegen das Gesetz erworben, hatte, wie<lb/>
noch jetzt, alle Eigenschaften eines unsolider Erwerbes; er dauerte selten bis<lb/>
aus die dritte Generation. Er machte die Schuldigen leicht zu Verschwendern<lb/>
und Genußsüchtigen, ihr Hochmuth, ihr Mangel an Bildung, ihre Prunksucht<lb/>
wurde den eignen Mitbürgern besonders auffüllig. Solche Individuen waren<lb/>
es vorzugsweise, welche sich Adelsbriefe kauften; und es ist wol kein Zufall,<lb/>
daß von den zahlreichen Adelsfamilien dieser Art verhältnißmäßig viele wieder<lb/>
untergegangen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_20" next="#ID_21"> Ein Neugeadelter aus solchem Kreise behielt in der Firma seinen wirk¬<lb/>
lichen Namen, aber unter seinen Mitbürgern hielt er eifersüchtig auf die Pri¬<lb/>
vilegien des neuen Standes. Gern ließ er sein Wappen in Stein auf die<lb/>
Außenseite des schönen Hauses meißeln und reichlich vergolden, aber der Stein<lb/>
verbürgte nicht die lange Dauer des Hausbesitzes. Es erschien z. B. in Bres-<lb/>
lau auffallend, wie schnell die Häuser auf dem großen Ringe die damals fast<lb/>
sämmtlich dem neuen Briefadel gehörten, ihre Besitzer wechselten. Im Innern<lb/>
des Hauses wurde ein auffallender Luxus zur Schau gestellt, in dieser arm¬<lb/>
seligen Zeit dem Volke doppelt unheimlich. Die Zimmer waren mit kostbaren<lb/>
Tapeten geschmückt, mit seidenen Spaglieren, Wandteppichen und Behängen,<lb/>
welche man zum Gebrauch an der Wand oder auf besonderem Gestell aufhängte,<lb/>
dann wol wieder abnahm und mit senstergroßen venetianischen Spiegeln ersetzte.<lb/>
Die Frauen nähten diamantene Schlösser auf die Schuhe, es wird geklagt, daß<lb/>
sie keine Spitzen tragen wollten, wenn sie nicht von Venedig oder Paris waren<lb/>
und die Elle nicht wenigstens zwanzig Thaler kostete, ja es wurde ihnen nach¬<lb/>
gesagt, daß ihre Nachtgeschirre von Silber wären. Groß war die Zahl ihrer<lb/>
Lakaien, die Ccirossen wurden reich vergoldet, der Kutscher lenkte vom hohen<lb/>
Bock zuweilen vier Pferde, die dann nebeneinander gespannt waren, aber wenn<lb/>
die glänzende Equipage durch die Straßen rasselte, riefen die Leute doch hob-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] gute Münzen mit Vortheil aufkaufen, vollwichtiges Gold beschneiden, leichtes Geld in Umsatz bringen, wurde die gewinnbringendste Thätigkeit. Wie jetzt die Zeitkäufe und der Aktieuschacher, so war damals ein großentheils ungesetz¬ licher Handel mit gemünzten Metall das Leiden der Handelsplätze. Es war nicht auszurotten. Wurde einmal der Scandal zu groß, dann traten wol die Landesregierungen unbehilflich dazwischen, aber ihre Gerichte wurden blind gemacht. So war in Frankfurt a. M. das Beschneiden der Ducaten so massen¬ haft betrieben worden, daß von Wien eine Specialcommission in die freie Reichsstadt gesandt wurde; Juden waren die Colporteure gewesen, christliche Handelshäuser, darunter mehre große Firmen, die Hauptschuldigen, deren Namen noch jetzt bestehen. Es kam weiter nichts dabei heraus, als daß die kaiserlichen Commissäre den größten Theil des unsaubern Gewinnes in rhre Tasche bargen. Solcher Reichthum, schnell und gegen das Gesetz erworben, hatte, wie noch jetzt, alle Eigenschaften eines unsolider Erwerbes; er dauerte selten bis aus die dritte Generation. Er machte die Schuldigen leicht zu Verschwendern und Genußsüchtigen, ihr Hochmuth, ihr Mangel an Bildung, ihre Prunksucht wurde den eignen Mitbürgern besonders auffüllig. Solche Individuen waren es vorzugsweise, welche sich Adelsbriefe kauften; und es ist wol kein Zufall, daß von den zahlreichen Adelsfamilien dieser Art verhältnißmäßig viele wieder untergegangen sind. Ein Neugeadelter aus solchem Kreise behielt in der Firma seinen wirk¬ lichen Namen, aber unter seinen Mitbürgern hielt er eifersüchtig auf die Pri¬ vilegien des neuen Standes. Gern ließ er sein Wappen in Stein auf die Außenseite des schönen Hauses meißeln und reichlich vergolden, aber der Stein verbürgte nicht die lange Dauer des Hausbesitzes. Es erschien z. B. in Bres- lau auffallend, wie schnell die Häuser auf dem großen Ringe die damals fast sämmtlich dem neuen Briefadel gehörten, ihre Besitzer wechselten. Im Innern des Hauses wurde ein auffallender Luxus zur Schau gestellt, in dieser arm¬ seligen Zeit dem Volke doppelt unheimlich. Die Zimmer waren mit kostbaren Tapeten geschmückt, mit seidenen Spaglieren, Wandteppichen und Behängen, welche man zum Gebrauch an der Wand oder auf besonderem Gestell aufhängte, dann wol wieder abnahm und mit senstergroßen venetianischen Spiegeln ersetzte. Die Frauen nähten diamantene Schlösser auf die Schuhe, es wird geklagt, daß sie keine Spitzen tragen wollten, wenn sie nicht von Venedig oder Paris waren und die Elle nicht wenigstens zwanzig Thaler kostete, ja es wurde ihnen nach¬ gesagt, daß ihre Nachtgeschirre von Silber wären. Groß war die Zahl ihrer Lakaien, die Ccirossen wurden reich vergoldet, der Kutscher lenkte vom hohen Bock zuweilen vier Pferde, die dann nebeneinander gespannt waren, aber wenn die glänzende Equipage durch die Straßen rasselte, riefen die Leute doch hob-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/20>, abgerufen am 21.05.2024.