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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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dieser Erregung gelingen kaun. Daher ist es ganz richtig , daß Graf Bern-
storff für jetzt vielmehr an den zweiten Weg denkt. Diesen bezeichnet er deut¬
lich, indem er an das im Artikel 11 der Bundesacte gewährte Bündnißrecht
zu engeren Vereinigungen unter einem Theil der Bundesgenossen erinnert.
Er denkt sich also, daß durch eine Reihe von special-Conventionen die ein¬
zelnen Staaten sich in Betreff des militärischen Obercommando und der dip¬
lomatischen Vertretung an Preußen anschließen sollen, etwa in ähnlicher
Weise, wie der Zollverein allmählig herangewachsen ist. Daß dieser Weg
ein langsamer ist. darf uns nicht irre machen; die Weltgeschichte rechnet nicht
nach Monaten. Aber damit er überhaupt gangbar sei, muß Preußen durch
liberale Reformen sich eine größere Anziehungskraft verschaffen.

Von der "jüngsten geistvollen Arbeit des hervorragenden Staatsmannes",
welchen Graf Bernstorff mit liebenswürdiger Ironie ungefähr wie einen ge¬
schickten FeuiUetonisten behandelt, um ihn desto unbefangener loben zu können,
wird nun wohl nicht länger die Rede sein. Desto mehr aber von dieser preu¬
ßischen Erklärung. Deshalb wäre wohl zu wünschen gewesen, daß ein Satz,
der vielfach mißdeutet werden wird, eine etwas andere Fassung erhalten hätte.
Graf Bernstorff spricht davon, daß das "Bundesverhültnlß derjenigen vier
standen, welche den Schwer" und Mittelpunkt ihres Organismus außerhalb
des Bundesverhältnisses haben, ein unüberwindliches Hinderniß sür eine Ent¬
wicklung der Verfassung des Gesammtbuudes in buubesstaatlicher Richtung
bilden muß". Wir fragen erstaunt, wer jene vier Staaten sind. Daß Oest¬
reich, serner Dänemark für Holstein und Lauenburg, drittens Holland sür
Luxemburg und Limburg gemeint sind, versteht sich von selbst. Aber der
vierte Staat kann nur Preußen sein; denn außerdem gibt es keinen deutschen
Staat, welcher zugleich ein außerhalb des Bundes gelegenes Gebiet besäße.
Aber hat darum Preußen seinen Schwer- und Mittelpunkt außerhalb des
Bundes? Und könnte man daraus nicht folgern, daß Preußen selbst sich
außerhalb des engeren Vereins stelle und die Bildung des Bundesstaats den
Ü^igeu reinbeutscheu Staaten'überlasse? Als der Gedanke der Union zuerst
officiell angekündigt wurde, in ejner preußischen Circularnote vom 2A, Jan.
1849, wurde ausdrücklich nur "Oestreich so wie das deutsche Gebiet dx> Nieder¬
lande und Dänemarks" von der Bildung des engeren Bundesstaats ausgeschlossen.

Das deutsche Gebiet Dänemarks! Damals protestirte die Schleswig-holstei-
njsche Landesversammlung , einstimmig gegen diesen Ausdruck, weil kein> Theil
der Herzogtümer als "deutsches Gebjet Dänemarks" bezeichnet werden, dürfe.
Zugleich verwahrte sie feierlich das Recht, Holsteins auf Theilnahme am deut¬
schen Bundesstaate. Jetzt gibt es keine Schleswig-holsteinische Landespersamm.
lung, um dieses Recht zu wahren. Jetzt handelt es sich überhaupt gar
Nicht darum. Holsteins Recht auf Theilnahme am BundesstMt zu, vertheidigen.


dieser Erregung gelingen kaun. Daher ist es ganz richtig , daß Graf Bern-
storff für jetzt vielmehr an den zweiten Weg denkt. Diesen bezeichnet er deut¬
lich, indem er an das im Artikel 11 der Bundesacte gewährte Bündnißrecht
zu engeren Vereinigungen unter einem Theil der Bundesgenossen erinnert.
Er denkt sich also, daß durch eine Reihe von special-Conventionen die ein¬
zelnen Staaten sich in Betreff des militärischen Obercommando und der dip¬
lomatischen Vertretung an Preußen anschließen sollen, etwa in ähnlicher
Weise, wie der Zollverein allmählig herangewachsen ist. Daß dieser Weg
ein langsamer ist. darf uns nicht irre machen; die Weltgeschichte rechnet nicht
nach Monaten. Aber damit er überhaupt gangbar sei, muß Preußen durch
liberale Reformen sich eine größere Anziehungskraft verschaffen.

Von der „jüngsten geistvollen Arbeit des hervorragenden Staatsmannes",
welchen Graf Bernstorff mit liebenswürdiger Ironie ungefähr wie einen ge¬
schickten FeuiUetonisten behandelt, um ihn desto unbefangener loben zu können,
wird nun wohl nicht länger die Rede sein. Desto mehr aber von dieser preu¬
ßischen Erklärung. Deshalb wäre wohl zu wünschen gewesen, daß ein Satz,
der vielfach mißdeutet werden wird, eine etwas andere Fassung erhalten hätte.
Graf Bernstorff spricht davon, daß das „Bundesverhültnlß derjenigen vier
standen, welche den Schwer« und Mittelpunkt ihres Organismus außerhalb
des Bundesverhältnisses haben, ein unüberwindliches Hinderniß sür eine Ent¬
wicklung der Verfassung des Gesammtbuudes in buubesstaatlicher Richtung
bilden muß". Wir fragen erstaunt, wer jene vier Staaten sind. Daß Oest¬
reich, serner Dänemark für Holstein und Lauenburg, drittens Holland sür
Luxemburg und Limburg gemeint sind, versteht sich von selbst. Aber der
vierte Staat kann nur Preußen sein; denn außerdem gibt es keinen deutschen
Staat, welcher zugleich ein außerhalb des Bundes gelegenes Gebiet besäße.
Aber hat darum Preußen seinen Schwer- und Mittelpunkt außerhalb des
Bundes? Und könnte man daraus nicht folgern, daß Preußen selbst sich
außerhalb des engeren Vereins stelle und die Bildung des Bundesstaats den
Ü^igeu reinbeutscheu Staaten'überlasse? Als der Gedanke der Union zuerst
officiell angekündigt wurde, in ejner preußischen Circularnote vom 2A, Jan.
1849, wurde ausdrücklich nur „Oestreich so wie das deutsche Gebiet dx> Nieder¬
lande und Dänemarks" von der Bildung des engeren Bundesstaats ausgeschlossen.

Das deutsche Gebiet Dänemarks! Damals protestirte die Schleswig-holstei-
njsche Landesversammlung , einstimmig gegen diesen Ausdruck, weil kein> Theil
der Herzogtümer als „deutsches Gebjet Dänemarks" bezeichnet werden, dürfe.
Zugleich verwahrte sie feierlich das Recht, Holsteins auf Theilnahme am deut¬
schen Bundesstaate. Jetzt gibt es keine Schleswig-holsteinische Landespersamm.
lung, um dieses Recht zu wahren. Jetzt handelt es sich überhaupt gar
Nicht darum. Holsteins Recht auf Theilnahme am BundesstMt zu, vertheidigen.


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[0157] dieser Erregung gelingen kaun. Daher ist es ganz richtig , daß Graf Bern- storff für jetzt vielmehr an den zweiten Weg denkt. Diesen bezeichnet er deut¬ lich, indem er an das im Artikel 11 der Bundesacte gewährte Bündnißrecht zu engeren Vereinigungen unter einem Theil der Bundesgenossen erinnert. Er denkt sich also, daß durch eine Reihe von special-Conventionen die ein¬ zelnen Staaten sich in Betreff des militärischen Obercommando und der dip¬ lomatischen Vertretung an Preußen anschließen sollen, etwa in ähnlicher Weise, wie der Zollverein allmählig herangewachsen ist. Daß dieser Weg ein langsamer ist. darf uns nicht irre machen; die Weltgeschichte rechnet nicht nach Monaten. Aber damit er überhaupt gangbar sei, muß Preußen durch liberale Reformen sich eine größere Anziehungskraft verschaffen. Von der „jüngsten geistvollen Arbeit des hervorragenden Staatsmannes", welchen Graf Bernstorff mit liebenswürdiger Ironie ungefähr wie einen ge¬ schickten FeuiUetonisten behandelt, um ihn desto unbefangener loben zu können, wird nun wohl nicht länger die Rede sein. Desto mehr aber von dieser preu¬ ßischen Erklärung. Deshalb wäre wohl zu wünschen gewesen, daß ein Satz, der vielfach mißdeutet werden wird, eine etwas andere Fassung erhalten hätte. Graf Bernstorff spricht davon, daß das „Bundesverhültnlß derjenigen vier standen, welche den Schwer« und Mittelpunkt ihres Organismus außerhalb des Bundesverhältnisses haben, ein unüberwindliches Hinderniß sür eine Ent¬ wicklung der Verfassung des Gesammtbuudes in buubesstaatlicher Richtung bilden muß". Wir fragen erstaunt, wer jene vier Staaten sind. Daß Oest¬ reich, serner Dänemark für Holstein und Lauenburg, drittens Holland sür Luxemburg und Limburg gemeint sind, versteht sich von selbst. Aber der vierte Staat kann nur Preußen sein; denn außerdem gibt es keinen deutschen Staat, welcher zugleich ein außerhalb des Bundes gelegenes Gebiet besäße. Aber hat darum Preußen seinen Schwer- und Mittelpunkt außerhalb des Bundes? Und könnte man daraus nicht folgern, daß Preußen selbst sich außerhalb des engeren Vereins stelle und die Bildung des Bundesstaats den Ü^igeu reinbeutscheu Staaten'überlasse? Als der Gedanke der Union zuerst officiell angekündigt wurde, in ejner preußischen Circularnote vom 2A, Jan. 1849, wurde ausdrücklich nur „Oestreich so wie das deutsche Gebiet dx> Nieder¬ lande und Dänemarks" von der Bildung des engeren Bundesstaats ausgeschlossen. Das deutsche Gebiet Dänemarks! Damals protestirte die Schleswig-holstei- njsche Landesversammlung , einstimmig gegen diesen Ausdruck, weil kein> Theil der Herzogtümer als „deutsches Gebjet Dänemarks" bezeichnet werden, dürfe. Zugleich verwahrte sie feierlich das Recht, Holsteins auf Theilnahme am deut¬ schen Bundesstaate. Jetzt gibt es keine Schleswig-holsteinische Landespersamm. lung, um dieses Recht zu wahren. Jetzt handelt es sich überhaupt gar Nicht darum. Holsteins Recht auf Theilnahme am BundesstMt zu, vertheidigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/157>, abgerufen am 28.05.2024.