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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Wenige Schritte davon steht der Thurm der Winde oder, um eine rich¬
tigere Bezeichnung zu gebrauchen, die Wasseruhr des Androuikos. Ein klei¬
ner umgitterter Platz umgibt das achteckige Gebäude, und schon ehe man
eingetreten ist, erblickt man eine Reihe von Monumenten in und neben dem¬
selben aufgestellt. Aber kein Wächter zeigt sich nah und fern, um die Himmels¬
pforte zu öffnen, bis eine gründlichere, etwa mit Hilfe eines Straßenjungen
angestellte Durchsuchung der benachbarten Schnapsbuden zur Aufspürung
desselben führt, welcher nun wohl oder übel dem unzeitigen Störenfried fol¬
gen muß. Uebler Laune, wie er nun einmal ist, wird er auch Wohl Schwierig¬
keiten erheben dagegen, daß man sich diese oder jene Bemerkung notire; in¬
dessen, man zeigt ihm die schriftliche Erlaubniß vor, die er um so tiefsinniger
betrachtet, je weniger er lesen gelernt hat, oder man ergreift auch wohl ein
noch einfacheres und wirksameres Mittel, ^urna per möäioK ire satollitöL
amal -- und wenn es auch nur Kupfer wäre. -- Außer einer Anznhl von
Grabdenkmalen wird auch eine große marmorne Rechenplatte aus Salamis
hier vielleicht unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; und wir werden
höchstens bedauern, daß der Schutz des starken Marmordachcs nicht noch mehr
Monumenten zu Statten kommt.

Die zahlreichen Privatsammlungen, wie sie sich fast bei jedem wohlhaben¬
deren Manne in größerem oder geringerem Umfang befinden, fallen natürlich
außer den Bereich unserer Betrachtung. Erwähnen aber müssen wir die
Sammlung der archäologischen Gesellschaft. Daß dieselbe in dem anatomi¬
schen Theater des Universitätsgebäudes aufgestellt ist, wirft freilich aus die
anatomische" Studien an der Hochschule kein günstiges Licht; die Sammlung
selbst aber, welche erst in den letzten Jahren durch den Eifer der einheimischen
Gelehrten und Altcrthumssreunde, unter Beistand vaterlandsliebender Griechen
auch im Auslande, gebildet worden ist. bietet, wie das bei verständiger Lei¬
tung kaum anders sein kann, eine bedeutende Anzahl beachtenswerther Mo¬
numente meist kleineren Umfangs dar und ist in einigen Zweigen von einer
Vollständigkeit, wie kein anderes Museum Europas; die Sammlung ist wohl
geordnet und, was besonders zu rühmen ist, in der liberalsten Weise der
freiesten Benutzung jedes Forschers und Kunstfreundes geöffnet. So vermag
sie zu zeigen, was aus den übrigen Kunstschätzen werden könnte, wenn ein
gleicher Geist die Verwaltung derselben leitete. --

Südlich erhebt sich über der Stadt der steile Felsen der Akropolis, das
alte Heiligthum der Athene. Die Akropolis ist eine Welt für sich; sie hatte
der Staat, um den Ausdruck eines alten Redners zu gebrauchen, dergestalt
mit den Denkzeichen seiner großen Thaten geschmückt und hatte mit der von
der Natur ihr verliehenen Schönheit die des Reichthums und der Kunst im
Wetteifer so verbunden, daß sie ganz und gar für ein Weihgeschenk, ja viel-


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Wenige Schritte davon steht der Thurm der Winde oder, um eine rich¬
tigere Bezeichnung zu gebrauchen, die Wasseruhr des Androuikos. Ein klei¬
ner umgitterter Platz umgibt das achteckige Gebäude, und schon ehe man
eingetreten ist, erblickt man eine Reihe von Monumenten in und neben dem¬
selben aufgestellt. Aber kein Wächter zeigt sich nah und fern, um die Himmels¬
pforte zu öffnen, bis eine gründlichere, etwa mit Hilfe eines Straßenjungen
angestellte Durchsuchung der benachbarten Schnapsbuden zur Aufspürung
desselben führt, welcher nun wohl oder übel dem unzeitigen Störenfried fol¬
gen muß. Uebler Laune, wie er nun einmal ist, wird er auch Wohl Schwierig¬
keiten erheben dagegen, daß man sich diese oder jene Bemerkung notire; in¬
dessen, man zeigt ihm die schriftliche Erlaubniß vor, die er um so tiefsinniger
betrachtet, je weniger er lesen gelernt hat, oder man ergreift auch wohl ein
noch einfacheres und wirksameres Mittel, ^urna per möäioK ire satollitöL
amal — und wenn es auch nur Kupfer wäre. — Außer einer Anznhl von
Grabdenkmalen wird auch eine große marmorne Rechenplatte aus Salamis
hier vielleicht unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; und wir werden
höchstens bedauern, daß der Schutz des starken Marmordachcs nicht noch mehr
Monumenten zu Statten kommt.

Die zahlreichen Privatsammlungen, wie sie sich fast bei jedem wohlhaben¬
deren Manne in größerem oder geringerem Umfang befinden, fallen natürlich
außer den Bereich unserer Betrachtung. Erwähnen aber müssen wir die
Sammlung der archäologischen Gesellschaft. Daß dieselbe in dem anatomi¬
schen Theater des Universitätsgebäudes aufgestellt ist, wirft freilich aus die
anatomische» Studien an der Hochschule kein günstiges Licht; die Sammlung
selbst aber, welche erst in den letzten Jahren durch den Eifer der einheimischen
Gelehrten und Altcrthumssreunde, unter Beistand vaterlandsliebender Griechen
auch im Auslande, gebildet worden ist. bietet, wie das bei verständiger Lei¬
tung kaum anders sein kann, eine bedeutende Anzahl beachtenswerther Mo¬
numente meist kleineren Umfangs dar und ist in einigen Zweigen von einer
Vollständigkeit, wie kein anderes Museum Europas; die Sammlung ist wohl
geordnet und, was besonders zu rühmen ist, in der liberalsten Weise der
freiesten Benutzung jedes Forschers und Kunstfreundes geöffnet. So vermag
sie zu zeigen, was aus den übrigen Kunstschätzen werden könnte, wenn ein
gleicher Geist die Verwaltung derselben leitete. —

Südlich erhebt sich über der Stadt der steile Felsen der Akropolis, das
alte Heiligthum der Athene. Die Akropolis ist eine Welt für sich; sie hatte
der Staat, um den Ausdruck eines alten Redners zu gebrauchen, dergestalt
mit den Denkzeichen seiner großen Thaten geschmückt und hatte mit der von
der Natur ihr verliehenen Schönheit die des Reichthums und der Kunst im
Wetteifer so verbunden, daß sie ganz und gar für ein Weihgeschenk, ja viel-


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[0467] Wenige Schritte davon steht der Thurm der Winde oder, um eine rich¬ tigere Bezeichnung zu gebrauchen, die Wasseruhr des Androuikos. Ein klei¬ ner umgitterter Platz umgibt das achteckige Gebäude, und schon ehe man eingetreten ist, erblickt man eine Reihe von Monumenten in und neben dem¬ selben aufgestellt. Aber kein Wächter zeigt sich nah und fern, um die Himmels¬ pforte zu öffnen, bis eine gründlichere, etwa mit Hilfe eines Straßenjungen angestellte Durchsuchung der benachbarten Schnapsbuden zur Aufspürung desselben führt, welcher nun wohl oder übel dem unzeitigen Störenfried fol¬ gen muß. Uebler Laune, wie er nun einmal ist, wird er auch Wohl Schwierig¬ keiten erheben dagegen, daß man sich diese oder jene Bemerkung notire; in¬ dessen, man zeigt ihm die schriftliche Erlaubniß vor, die er um so tiefsinniger betrachtet, je weniger er lesen gelernt hat, oder man ergreift auch wohl ein noch einfacheres und wirksameres Mittel, ^urna per möäioK ire satollitöL amal — und wenn es auch nur Kupfer wäre. — Außer einer Anznhl von Grabdenkmalen wird auch eine große marmorne Rechenplatte aus Salamis hier vielleicht unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen; und wir werden höchstens bedauern, daß der Schutz des starken Marmordachcs nicht noch mehr Monumenten zu Statten kommt. Die zahlreichen Privatsammlungen, wie sie sich fast bei jedem wohlhaben¬ deren Manne in größerem oder geringerem Umfang befinden, fallen natürlich außer den Bereich unserer Betrachtung. Erwähnen aber müssen wir die Sammlung der archäologischen Gesellschaft. Daß dieselbe in dem anatomi¬ schen Theater des Universitätsgebäudes aufgestellt ist, wirft freilich aus die anatomische» Studien an der Hochschule kein günstiges Licht; die Sammlung selbst aber, welche erst in den letzten Jahren durch den Eifer der einheimischen Gelehrten und Altcrthumssreunde, unter Beistand vaterlandsliebender Griechen auch im Auslande, gebildet worden ist. bietet, wie das bei verständiger Lei¬ tung kaum anders sein kann, eine bedeutende Anzahl beachtenswerther Mo¬ numente meist kleineren Umfangs dar und ist in einigen Zweigen von einer Vollständigkeit, wie kein anderes Museum Europas; die Sammlung ist wohl geordnet und, was besonders zu rühmen ist, in der liberalsten Weise der freiesten Benutzung jedes Forschers und Kunstfreundes geöffnet. So vermag sie zu zeigen, was aus den übrigen Kunstschätzen werden könnte, wenn ein gleicher Geist die Verwaltung derselben leitete. — Südlich erhebt sich über der Stadt der steile Felsen der Akropolis, das alte Heiligthum der Athene. Die Akropolis ist eine Welt für sich; sie hatte der Staat, um den Ausdruck eines alten Redners zu gebrauchen, dergestalt mit den Denkzeichen seiner großen Thaten geschmückt und hatte mit der von der Natur ihr verliehenen Schönheit die des Reichthums und der Kunst im Wetteifer so verbunden, daß sie ganz und gar für ein Weihgeschenk, ja viel- 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/467>, abgerufen am 16.06.2024.