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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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in der Nähe ihres ursprünglichen Standortes aufzubewahren, so wäre doch
dieser überaus feinen Sculptur eine Bedachung vor Allem zu wünschen. Die¬
selbe mangelt ebenfalls den sehr zahlreichen Reliefs und Statuen, welche
theils in der großen Mittclhalle der Propyläen, theils in der sogenannten
Pinakothek, dem einst mit Gemälden geschmückten Nordflügel des Thorbaues,
aufbewahrt werden. Freilich ist der Mangel an Schutz von oben nicht das
Einzige, was man der Sammlung, namentlich in der Pinakothek, vorwerfen
kann; auch die Aufstellung ist eine durchaus klägliche. Am besten sind noch
diejenigen Monumente daran, welche in eigens hierzu ausgemauerte Pfeiler
eingelassen sind; aber es läßt sich nicht verkennen, daß dies ein höchst mangel¬
haftes Verfahren ist und höchstens entschuldigt werden kaun, wenn dabei ebenso
große Sorgfalt angewendet wird, wie hier nachlässig verfahren ist. Die
übrigen Monumente. meistens Reliefs und Inschriften, sind in große morsche
hölzerne Rahmen sehr mangelhaft eingelassen und so gegen die Mauern ge¬
lehnt ; einige dieser Rahmen sind umgefallen und die wichtigsten Urkunden.
Rechnungsablagen von Behörden des attischen Staates, liegen, wie Augen¬
zeugen versichern, seit Jahren zerstreut, aus den Nahmen herausgebrochen,
umgekehrt auf dem Boden herum!

Betreten wir nun das Plateau der Akropolis, den heiligen Bezirk der
Athene, so blicken wir auf ein weites Trümmerfeld. Ueberall liegen die zer¬
sprengten Reste der einst schönsten Bauten der Welt umher, untermischt mit
zahlreichen Inschriftsteinen, Statuen oder Statuenfragmeuten. Reliefs. Rechts,
aus einer kleinen Terrasse, auf der ein Tempel der brauronischen Artemis stand,
ist eine Wand aufgeführt von marmornen Platten, die einst die Deckenfelder
der verschwundenen oder entstellten Prachtgebäude bildeten und deren reiche
Kassetten noch die mannigfaltigen Muster aufweisen, welche früher in grüner,
rother und goldener Farbe strahlend die Bewunderung der Beschauer erregten.
In dem dem Wind und Wetter geöffneten Schatzhause des Parthenon steht
eine Reihe Relicfplatten von jenem herrlichsten aller Friese, der den festlichen
Zug der Pannthcnäen in einem mehr als 500 Fuß laugen, an immer neuen,
immer schöneren Motiven überreichen Bildstreifen darstellte; Metopen schildern
den Kampf der Lapithcn mit den wilden Kentauren, und auch von den gewal¬
tigen Figuren der Giebelgruppen sind bedeutende Reste, die Lord Elgin's
Nachgrabungen entgangen waren, hier aufbewahrt. Aber der Raum, der einst
den gesammelten Schätzen des athenischen Bundes Schutz verlieh, ist mit sei¬
nen halbzerstörten Wänden, ohne Dach, kein geeigneter Aufbewahrungsort
mehr für solche zerstörbare Schätze. Sind denn Werke aus der Werkstatt des
Phidias nicht werth, dem Regen entzogen zu werden? Selbst vor räuberischen
Händen sind sie hier nicht geschützt; es ist bekannt, wie der Midshipman eines
englischen Schiffes dem schönen Jünglingskvpf auf einer jener Platten die


in der Nähe ihres ursprünglichen Standortes aufzubewahren, so wäre doch
dieser überaus feinen Sculptur eine Bedachung vor Allem zu wünschen. Die¬
selbe mangelt ebenfalls den sehr zahlreichen Reliefs und Statuen, welche
theils in der großen Mittclhalle der Propyläen, theils in der sogenannten
Pinakothek, dem einst mit Gemälden geschmückten Nordflügel des Thorbaues,
aufbewahrt werden. Freilich ist der Mangel an Schutz von oben nicht das
Einzige, was man der Sammlung, namentlich in der Pinakothek, vorwerfen
kann; auch die Aufstellung ist eine durchaus klägliche. Am besten sind noch
diejenigen Monumente daran, welche in eigens hierzu ausgemauerte Pfeiler
eingelassen sind; aber es läßt sich nicht verkennen, daß dies ein höchst mangel¬
haftes Verfahren ist und höchstens entschuldigt werden kaun, wenn dabei ebenso
große Sorgfalt angewendet wird, wie hier nachlässig verfahren ist. Die
übrigen Monumente. meistens Reliefs und Inschriften, sind in große morsche
hölzerne Rahmen sehr mangelhaft eingelassen und so gegen die Mauern ge¬
lehnt ; einige dieser Rahmen sind umgefallen und die wichtigsten Urkunden.
Rechnungsablagen von Behörden des attischen Staates, liegen, wie Augen¬
zeugen versichern, seit Jahren zerstreut, aus den Nahmen herausgebrochen,
umgekehrt auf dem Boden herum!

Betreten wir nun das Plateau der Akropolis, den heiligen Bezirk der
Athene, so blicken wir auf ein weites Trümmerfeld. Ueberall liegen die zer¬
sprengten Reste der einst schönsten Bauten der Welt umher, untermischt mit
zahlreichen Inschriftsteinen, Statuen oder Statuenfragmeuten. Reliefs. Rechts,
aus einer kleinen Terrasse, auf der ein Tempel der brauronischen Artemis stand,
ist eine Wand aufgeführt von marmornen Platten, die einst die Deckenfelder
der verschwundenen oder entstellten Prachtgebäude bildeten und deren reiche
Kassetten noch die mannigfaltigen Muster aufweisen, welche früher in grüner,
rother und goldener Farbe strahlend die Bewunderung der Beschauer erregten.
In dem dem Wind und Wetter geöffneten Schatzhause des Parthenon steht
eine Reihe Relicfplatten von jenem herrlichsten aller Friese, der den festlichen
Zug der Pannthcnäen in einem mehr als 500 Fuß laugen, an immer neuen,
immer schöneren Motiven überreichen Bildstreifen darstellte; Metopen schildern
den Kampf der Lapithcn mit den wilden Kentauren, und auch von den gewal¬
tigen Figuren der Giebelgruppen sind bedeutende Reste, die Lord Elgin's
Nachgrabungen entgangen waren, hier aufbewahrt. Aber der Raum, der einst
den gesammelten Schätzen des athenischen Bundes Schutz verlieh, ist mit sei¬
nen halbzerstörten Wänden, ohne Dach, kein geeigneter Aufbewahrungsort
mehr für solche zerstörbare Schätze. Sind denn Werke aus der Werkstatt des
Phidias nicht werth, dem Regen entzogen zu werden? Selbst vor räuberischen
Händen sind sie hier nicht geschützt; es ist bekannt, wie der Midshipman eines
englischen Schiffes dem schönen Jünglingskvpf auf einer jener Platten die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/469>, abgerufen am 16.06.2024.