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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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werden? Wer handelte nun übler. Lord Elgin, der die Meisterwerke des Phi-
dias vor den Türken in Sicherheit brachte, oder die Griechen, welche die Denk¬
male ihrer Vorfahren entweder dem Regen überliefern oder durch schnöden
Muthwillen zerstören?

Den besten Schutz von allen auf der Burg aufbewahrten Kunstwerken
genießen diejenigen, welche in einem modernen Häuschen östlich vom Erech-
theio" gesammelt sind. Die steile hölzerne Stiege und die Aermlichkeit des
ganzen Baues ist freilich der Würde eines Museums wenig angemessen; aber
hier haben wir doch wenigstens einen verschossenen und bedeckten Raum, ja
sogar verschließbare Schränke, hinter deren Drahtgittern bemalte Terracotten,
zierliche Vasen. Bronzen und dergleichen meist kleinere Kunstwerke aufbewahrt
werden. Aber von hoher Stelle ist allen modernen Bauten auf der Burg
der Untergang geschworen; die Gebäude hinter den Propyläen, welche einst
den fränkischen Herzögen als Palast dienten, sind schon gefallen, ebenso eine
Cisterne hinter dem Parthenon, welche früher zahlreiche Kunstwerke beherbergte,
und bald wird wohl auch jenes Häuschen am Erechtheion dasselbe Schicksal
theilen. Dieses Streben, die Akropolis von den häßlichen Entstellungen späterer
barbarischer Zeiten zu reinigen, ist an sich gewiß sehr löblich, wenn nur durch
die rücksichtslose Verfolgung dieses Zieles, bevor ein anderes sicheres Unter¬
kommen für die der Zerstörung leicht unterworfenen und daher des Schutzes
bedürftigen Trümmer des Alterthums geschaffen ist. ^nicht diesen die schwer-
sten Nachtheile und Schädigungen zugefügt würden. Zuerst also baue man
ein Museum oder zwei, eines unten in der Stadt für die nicht von der Akro¬
polis stammenden Denkmäler, eines auf dem östliche", von den Allen, wie es
scheint, nie benutzten Ende der Burg, oder sonst irgendwo in der Nähe der¬
selben, für die Alterthümer der Burg; dann mag man mit dem Reinigungs-
werke fortfahren.

Dieses Verlangen ist so einfach und durch den dargelegten Mißzustand
der athenischen Sammlungen so gerechtfertigt, daß es natürlich auch schon oft
ausgesprochen ist. Aber, wird man sagen, die Herstellung eines Museums
ist mit bedeutenden Kosten verbunden. Gewiß; aber der Staat, welcher die
Erbschaft der alten Hellenen angetreten hat, ladet eine große Schuld auf sich,
wenn er so kostbare Theile der Hinterlassenschaft seiner Vorfahren aus Fahr¬
lässigkeit verkommen läßt. Nur ein bischen weniger Unterschleif bei den
Staatsbeamten aller Art von oben bis unten, ein bischen schärfere Controle,
und die Ersparnisse eines Jahres würden mehr als hinreichen, um ein Museum
herzustellen. Vielleicht bedürfte es aber nicht einmal dessen. sicherem Ver-
nehmen nach hat ein hochsinniger Grieche in Petersburg, der keine Gelegen¬
heit vorübergehen läßt, sein wiedererstandenes Vaterland zu unterstützen, schon
Vor längerer Zeit die Summe von 200,000 Drachmen (fast 50,000 Thaler)


werden? Wer handelte nun übler. Lord Elgin, der die Meisterwerke des Phi-
dias vor den Türken in Sicherheit brachte, oder die Griechen, welche die Denk¬
male ihrer Vorfahren entweder dem Regen überliefern oder durch schnöden
Muthwillen zerstören?

Den besten Schutz von allen auf der Burg aufbewahrten Kunstwerken
genießen diejenigen, welche in einem modernen Häuschen östlich vom Erech-
theio» gesammelt sind. Die steile hölzerne Stiege und die Aermlichkeit des
ganzen Baues ist freilich der Würde eines Museums wenig angemessen; aber
hier haben wir doch wenigstens einen verschossenen und bedeckten Raum, ja
sogar verschließbare Schränke, hinter deren Drahtgittern bemalte Terracotten,
zierliche Vasen. Bronzen und dergleichen meist kleinere Kunstwerke aufbewahrt
werden. Aber von hoher Stelle ist allen modernen Bauten auf der Burg
der Untergang geschworen; die Gebäude hinter den Propyläen, welche einst
den fränkischen Herzögen als Palast dienten, sind schon gefallen, ebenso eine
Cisterne hinter dem Parthenon, welche früher zahlreiche Kunstwerke beherbergte,
und bald wird wohl auch jenes Häuschen am Erechtheion dasselbe Schicksal
theilen. Dieses Streben, die Akropolis von den häßlichen Entstellungen späterer
barbarischer Zeiten zu reinigen, ist an sich gewiß sehr löblich, wenn nur durch
die rücksichtslose Verfolgung dieses Zieles, bevor ein anderes sicheres Unter¬
kommen für die der Zerstörung leicht unterworfenen und daher des Schutzes
bedürftigen Trümmer des Alterthums geschaffen ist. ^nicht diesen die schwer-
sten Nachtheile und Schädigungen zugefügt würden. Zuerst also baue man
ein Museum oder zwei, eines unten in der Stadt für die nicht von der Akro¬
polis stammenden Denkmäler, eines auf dem östliche», von den Allen, wie es
scheint, nie benutzten Ende der Burg, oder sonst irgendwo in der Nähe der¬
selben, für die Alterthümer der Burg; dann mag man mit dem Reinigungs-
werke fortfahren.

Dieses Verlangen ist so einfach und durch den dargelegten Mißzustand
der athenischen Sammlungen so gerechtfertigt, daß es natürlich auch schon oft
ausgesprochen ist. Aber, wird man sagen, die Herstellung eines Museums
ist mit bedeutenden Kosten verbunden. Gewiß; aber der Staat, welcher die
Erbschaft der alten Hellenen angetreten hat, ladet eine große Schuld auf sich,
wenn er so kostbare Theile der Hinterlassenschaft seiner Vorfahren aus Fahr¬
lässigkeit verkommen läßt. Nur ein bischen weniger Unterschleif bei den
Staatsbeamten aller Art von oben bis unten, ein bischen schärfere Controle,
und die Ersparnisse eines Jahres würden mehr als hinreichen, um ein Museum
herzustellen. Vielleicht bedürfte es aber nicht einmal dessen. sicherem Ver-
nehmen nach hat ein hochsinniger Grieche in Petersburg, der keine Gelegen¬
heit vorübergehen läßt, sein wiedererstandenes Vaterland zu unterstützen, schon
Vor längerer Zeit die Summe von 200,000 Drachmen (fast 50,000 Thaler)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/471>, abgerufen am 16.06.2024.