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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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geschenkt zum Baue eines Museums, eine Summe, die allerdings zu diesem
Zweck schwerlich ausreicht, aber doch eine schöne Grundlage bildet. Und wenn
der Staat nicht in der Lage ist das Fehlende selbst hinzuzulegen, ist da wohl
eine Frage, daß andre reiche Griechen im Auslande dem Beispiel ihres Lands¬
manns in Rußland willig folgen würden? Baron Sina, um nur ein Beispiel
zu nennen, hat dem Staate die vortreffliche Sternwarte geschenkt, welche den
Gipfel des sogenannten Nymphenhügels krönt, und sorgt auch für deren wei¬
tere Ausrüstung und die Nutzbarmachung derselben durch einen tüchtigen Ge¬
lehrten. Baron Sina läßt eben wieder mit sehr bedeutendem Aufwande ein
Gebäude für die neu zu errichtende Akademie der Wissenschaften aus glän¬
zendem pentelischen Marmor errichten. Baron Sina sollte nicht die noch
weit wichtigere Errichtung eines Kunstmuseums, d. h. die Rettung der kost,
barsten Reste alter Kunst und Geschichte, bereitwillig unterstützen und be¬
fördern? --

Wenn nun in der Hauptstadt des Landes, in Athen, dessen Boden die
edelsten Erzeugnisse echt griechischer Kunst an das Licht gefördert hat, so wenig
für die Erhaltung und würdige Aufstellung derselben geschieht, so läßt sich
schon vermuthen, daß es an den anderen Orten des Landes wenigstens nicht
besser aussieht. Diese Bermuthung bestätigt sich denn auch so ziemlich. Die
für die Auffindung von Kunstwerken wichtigsten Orte Griechenlands nächst
Athen sind Sparta und Delphi. Das in der Ebene und an den letzten Ab¬
hängen der Berge belegene Sparta hatte man im Mittelcilter verlassen und
rat dem steilen Misthrü, vertauscht, dessen ungemein geschützte Lage in jenen
unruhigen Zeiten größere Sicherheit bot. Auf Veranlassung der jetzigen Re¬
gierung ist aber das schwerer zugängliche Misthrä, jetzt wiederum im Stich
gelassen, und Neu-Sparta blüht wieder an der Stelle der alten Lakonenhaupt-
ftadt auf. Bei dem gänzlichen Neubau des Ortes entsteigen natürlich alljähr¬
lich unzählige Monumente dem Schooß der Erde; was scheint also einfacher,
als entweder ein Localmuseum anzulegen oder die neugewonnenen Schätze nach
Athen zu schaffen? Einige wenige Denkmäler finden sich denn auch in einem
Zimmer des Rathhauses zusammengestellt, bei weitem die größte Anzahl " aber
ist in den Privathäusern zerstreut. So kam es, daß ein Werk von kunsthisto¬
rischer Bedeutung, welches einen alterthümlichen. bisher ausschließlich aus
sicilischen Tempeln bekannten Styl zum erstenmal auch im dorischen Mutterlande
ausweist und daher als einen allgemein dorischen zeigt. Jahre lang in der
Schlafstube einer Bürgerfamilie unbeachtet stehen konnte. Und dies ist noch
das glücklichste Loos. Meistens werden Statuen, Reliefs. Jnschriftsteine in
die Mauern der umgebauten Hauser hineingelassen und so dem sichren Ver¬
derb preisgegeben; auch zum Pflastern des Flurs werden sie benutzt, und selbst
in dem Dunkel eines Wandschrankes war eine Jnschriftplatte in die Wand


geschenkt zum Baue eines Museums, eine Summe, die allerdings zu diesem
Zweck schwerlich ausreicht, aber doch eine schöne Grundlage bildet. Und wenn
der Staat nicht in der Lage ist das Fehlende selbst hinzuzulegen, ist da wohl
eine Frage, daß andre reiche Griechen im Auslande dem Beispiel ihres Lands¬
manns in Rußland willig folgen würden? Baron Sina, um nur ein Beispiel
zu nennen, hat dem Staate die vortreffliche Sternwarte geschenkt, welche den
Gipfel des sogenannten Nymphenhügels krönt, und sorgt auch für deren wei¬
tere Ausrüstung und die Nutzbarmachung derselben durch einen tüchtigen Ge¬
lehrten. Baron Sina läßt eben wieder mit sehr bedeutendem Aufwande ein
Gebäude für die neu zu errichtende Akademie der Wissenschaften aus glän¬
zendem pentelischen Marmor errichten. Baron Sina sollte nicht die noch
weit wichtigere Errichtung eines Kunstmuseums, d. h. die Rettung der kost,
barsten Reste alter Kunst und Geschichte, bereitwillig unterstützen und be¬
fördern? —

Wenn nun in der Hauptstadt des Landes, in Athen, dessen Boden die
edelsten Erzeugnisse echt griechischer Kunst an das Licht gefördert hat, so wenig
für die Erhaltung und würdige Aufstellung derselben geschieht, so läßt sich
schon vermuthen, daß es an den anderen Orten des Landes wenigstens nicht
besser aussieht. Diese Bermuthung bestätigt sich denn auch so ziemlich. Die
für die Auffindung von Kunstwerken wichtigsten Orte Griechenlands nächst
Athen sind Sparta und Delphi. Das in der Ebene und an den letzten Ab¬
hängen der Berge belegene Sparta hatte man im Mittelcilter verlassen und
rat dem steilen Misthrü, vertauscht, dessen ungemein geschützte Lage in jenen
unruhigen Zeiten größere Sicherheit bot. Auf Veranlassung der jetzigen Re¬
gierung ist aber das schwerer zugängliche Misthrä, jetzt wiederum im Stich
gelassen, und Neu-Sparta blüht wieder an der Stelle der alten Lakonenhaupt-
ftadt auf. Bei dem gänzlichen Neubau des Ortes entsteigen natürlich alljähr¬
lich unzählige Monumente dem Schooß der Erde; was scheint also einfacher,
als entweder ein Localmuseum anzulegen oder die neugewonnenen Schätze nach
Athen zu schaffen? Einige wenige Denkmäler finden sich denn auch in einem
Zimmer des Rathhauses zusammengestellt, bei weitem die größte Anzahl " aber
ist in den Privathäusern zerstreut. So kam es, daß ein Werk von kunsthisto¬
rischer Bedeutung, welches einen alterthümlichen. bisher ausschließlich aus
sicilischen Tempeln bekannten Styl zum erstenmal auch im dorischen Mutterlande
ausweist und daher als einen allgemein dorischen zeigt. Jahre lang in der
Schlafstube einer Bürgerfamilie unbeachtet stehen konnte. Und dies ist noch
das glücklichste Loos. Meistens werden Statuen, Reliefs. Jnschriftsteine in
die Mauern der umgebauten Hauser hineingelassen und so dem sichren Ver¬
derb preisgegeben; auch zum Pflastern des Flurs werden sie benutzt, und selbst
in dem Dunkel eines Wandschrankes war eine Jnschriftplatte in die Wand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/472>, abgerufen am 16.06.2024.