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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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erst förmlich raisonniren, ehe wir jener Bewegung völlig Meister werden. Auf
diesem Wege gelang es mir denn allerdings auch bald, mich mit dem gegen¬
wärtigen Stande der Dinge auszusöhnen. In dem früheren Bajae der
südlichen Ritter, da wo der romantische Despotismus des heißblütigen
Pflanzers seine Launen unter dem sanften Westwinde an der blauen Meeres¬
woge sonnte, da wurden auch die heiligsten Menschenrechte mit Füßen
getreten; wo die Nymphe ihre schönen Glieder unter dem Schatten des Lorbeers
in dem herrlichen Elemente streckte, da pfiff auch die Peitsche durch die laue
Luft, um den Rücken eines Menschen zu zerfleischen. Wo die Liebe süße
Worte flüsterte und unter dem wollüstigen Hauch eines tropischen Klima's ra¬
scher aufblühte, da zerriß der Jammcrschrei der Gequälten die idyllische Ruhe,
welche den Launen ihrer Mitmenschen zum Opfer fielen.

Das sind Gegensätze, die keiner langen Discussion bedürfen, um zu einem Resul¬
tate zu führen. Es wäre allerdings lächerlich, den Neger im Durchschnitt als dem
Weißen ebenbürtig, als in demselben Grade bildungsfähig hinzustellen; aber haben
wir deshalb ein Recht, ihn mit dem Thiere gleichzustellen, um ihn unserm Eigen¬
nutze, oder, wie die Prvsklavereiadvocaten sich ausdrücken, der Civilisation
dienstbar zu machen? Dieser Culturdurst des Sklavenhändlers ist mehr als
lächerlich, wenn man bedenkt, daß er zum Besten der Civilisation die Schwar¬
zen in Afrika raubt oder zu einem Spottpreis kauft und ein tüchtiges
Geld verdient, wenn er nur die Hälfte lebendig nach Cuba oder einem andern
Landungsplatze bringt. Der Pflanzer wieder benutzt den Sklaven im Interesse
der Civilisation, indem er Baumwolle und Taback baut, während er mit andern
Producten ohne Sklavenarbeit den dreifachen Betrag erzielen, dem Lande ganz
andre Hülfsquellen eröffnen und der Cultur eine weit freiere Circulation ver¬
schaffen könnte. Das Interesse der Civilisation besteht darin, daß er selbst faul¬
lenzen und den Ertrag einer bedeutenden Strecke Landes, das sonst Mehrer
zu Gute käme und gehörig ausgebeutet würde, wenn auch bedeutend reducirt
aus seine Person concentriren kann.

Der Sklave ist in seinem jetzigen Zustande allerdings (d. h. immer
abgesehn von der nicht unbedeutenden Zahl der Ausnahmen, welche häufig
überraschende Aufklärungen geben), wenn auch emancipirt, ein bedauerns¬
würdiges Geschöpf. Seinem eigentlichen Lebenselement entrissen, ist er in
jeder Hinsicht seiner Individualität beraubt, lediglich als arbeitende Kraft
benutzt und betrachtet und durch überaus schlechte Ernährung ausschließlich
auf die Anforderungen des instinctiven Erhaltungstriebes angewiesen. Auf
diese Weise ist er, ob importirt oder in der Sklaverei geboren, auf den
niedrigsten Standpunkt herabgedrückt, den ein Individuum einnehmen kann.
Er kann nicht mit einem Male gehoben werden. Ihn unter denselben Be¬
dingungen wie den gebildeten Weißen der Gesellschaft überlassen, hieße sowohl


erst förmlich raisonniren, ehe wir jener Bewegung völlig Meister werden. Auf
diesem Wege gelang es mir denn allerdings auch bald, mich mit dem gegen¬
wärtigen Stande der Dinge auszusöhnen. In dem früheren Bajae der
südlichen Ritter, da wo der romantische Despotismus des heißblütigen
Pflanzers seine Launen unter dem sanften Westwinde an der blauen Meeres¬
woge sonnte, da wurden auch die heiligsten Menschenrechte mit Füßen
getreten; wo die Nymphe ihre schönen Glieder unter dem Schatten des Lorbeers
in dem herrlichen Elemente streckte, da pfiff auch die Peitsche durch die laue
Luft, um den Rücken eines Menschen zu zerfleischen. Wo die Liebe süße
Worte flüsterte und unter dem wollüstigen Hauch eines tropischen Klima's ra¬
scher aufblühte, da zerriß der Jammcrschrei der Gequälten die idyllische Ruhe,
welche den Launen ihrer Mitmenschen zum Opfer fielen.

Das sind Gegensätze, die keiner langen Discussion bedürfen, um zu einem Resul¬
tate zu führen. Es wäre allerdings lächerlich, den Neger im Durchschnitt als dem
Weißen ebenbürtig, als in demselben Grade bildungsfähig hinzustellen; aber haben
wir deshalb ein Recht, ihn mit dem Thiere gleichzustellen, um ihn unserm Eigen¬
nutze, oder, wie die Prvsklavereiadvocaten sich ausdrücken, der Civilisation
dienstbar zu machen? Dieser Culturdurst des Sklavenhändlers ist mehr als
lächerlich, wenn man bedenkt, daß er zum Besten der Civilisation die Schwar¬
zen in Afrika raubt oder zu einem Spottpreis kauft und ein tüchtiges
Geld verdient, wenn er nur die Hälfte lebendig nach Cuba oder einem andern
Landungsplatze bringt. Der Pflanzer wieder benutzt den Sklaven im Interesse
der Civilisation, indem er Baumwolle und Taback baut, während er mit andern
Producten ohne Sklavenarbeit den dreifachen Betrag erzielen, dem Lande ganz
andre Hülfsquellen eröffnen und der Cultur eine weit freiere Circulation ver¬
schaffen könnte. Das Interesse der Civilisation besteht darin, daß er selbst faul¬
lenzen und den Ertrag einer bedeutenden Strecke Landes, das sonst Mehrer
zu Gute käme und gehörig ausgebeutet würde, wenn auch bedeutend reducirt
aus seine Person concentriren kann.

Der Sklave ist in seinem jetzigen Zustande allerdings (d. h. immer
abgesehn von der nicht unbedeutenden Zahl der Ausnahmen, welche häufig
überraschende Aufklärungen geben), wenn auch emancipirt, ein bedauerns¬
würdiges Geschöpf. Seinem eigentlichen Lebenselement entrissen, ist er in
jeder Hinsicht seiner Individualität beraubt, lediglich als arbeitende Kraft
benutzt und betrachtet und durch überaus schlechte Ernährung ausschließlich
auf die Anforderungen des instinctiven Erhaltungstriebes angewiesen. Auf
diese Weise ist er, ob importirt oder in der Sklaverei geboren, auf den
niedrigsten Standpunkt herabgedrückt, den ein Individuum einnehmen kann.
Er kann nicht mit einem Male gehoben werden. Ihn unter denselben Be¬
dingungen wie den gebildeten Weißen der Gesellschaft überlassen, hieße sowohl


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[0156] erst förmlich raisonniren, ehe wir jener Bewegung völlig Meister werden. Auf diesem Wege gelang es mir denn allerdings auch bald, mich mit dem gegen¬ wärtigen Stande der Dinge auszusöhnen. In dem früheren Bajae der südlichen Ritter, da wo der romantische Despotismus des heißblütigen Pflanzers seine Launen unter dem sanften Westwinde an der blauen Meeres¬ woge sonnte, da wurden auch die heiligsten Menschenrechte mit Füßen getreten; wo die Nymphe ihre schönen Glieder unter dem Schatten des Lorbeers in dem herrlichen Elemente streckte, da pfiff auch die Peitsche durch die laue Luft, um den Rücken eines Menschen zu zerfleischen. Wo die Liebe süße Worte flüsterte und unter dem wollüstigen Hauch eines tropischen Klima's ra¬ scher aufblühte, da zerriß der Jammcrschrei der Gequälten die idyllische Ruhe, welche den Launen ihrer Mitmenschen zum Opfer fielen. Das sind Gegensätze, die keiner langen Discussion bedürfen, um zu einem Resul¬ tate zu führen. Es wäre allerdings lächerlich, den Neger im Durchschnitt als dem Weißen ebenbürtig, als in demselben Grade bildungsfähig hinzustellen; aber haben wir deshalb ein Recht, ihn mit dem Thiere gleichzustellen, um ihn unserm Eigen¬ nutze, oder, wie die Prvsklavereiadvocaten sich ausdrücken, der Civilisation dienstbar zu machen? Dieser Culturdurst des Sklavenhändlers ist mehr als lächerlich, wenn man bedenkt, daß er zum Besten der Civilisation die Schwar¬ zen in Afrika raubt oder zu einem Spottpreis kauft und ein tüchtiges Geld verdient, wenn er nur die Hälfte lebendig nach Cuba oder einem andern Landungsplatze bringt. Der Pflanzer wieder benutzt den Sklaven im Interesse der Civilisation, indem er Baumwolle und Taback baut, während er mit andern Producten ohne Sklavenarbeit den dreifachen Betrag erzielen, dem Lande ganz andre Hülfsquellen eröffnen und der Cultur eine weit freiere Circulation ver¬ schaffen könnte. Das Interesse der Civilisation besteht darin, daß er selbst faul¬ lenzen und den Ertrag einer bedeutenden Strecke Landes, das sonst Mehrer zu Gute käme und gehörig ausgebeutet würde, wenn auch bedeutend reducirt aus seine Person concentriren kann. Der Sklave ist in seinem jetzigen Zustande allerdings (d. h. immer abgesehn von der nicht unbedeutenden Zahl der Ausnahmen, welche häufig überraschende Aufklärungen geben), wenn auch emancipirt, ein bedauerns¬ würdiges Geschöpf. Seinem eigentlichen Lebenselement entrissen, ist er in jeder Hinsicht seiner Individualität beraubt, lediglich als arbeitende Kraft benutzt und betrachtet und durch überaus schlechte Ernährung ausschließlich auf die Anforderungen des instinctiven Erhaltungstriebes angewiesen. Auf diese Weise ist er, ob importirt oder in der Sklaverei geboren, auf den niedrigsten Standpunkt herabgedrückt, den ein Individuum einnehmen kann. Er kann nicht mit einem Male gehoben werden. Ihn unter denselben Be¬ dingungen wie den gebildeten Weißen der Gesellschaft überlassen, hieße sowohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/156>, abgerufen am 28.05.2024.