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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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den Gegensätze zwischen Süd und Nord, zwischen ungestümen und allzu vorsichtigen
Reformen. Daß in unsern Tagen der Massenpvlitik Alles darauf ankomme,
die Nation geistig zusammenzuhalten, davon wird kein anderer Agitator so Tag
und Nacht beherrscht wie Metz. Ohne sein Erscheinen in Eisenach am 14. August
1859 wäre nachher in Frankfurt der Nationalverein schwerlich zu Stande ge¬
kommen, hätten die süddeutschen Liberalen den norddeutschen schwerlich zu
dauernder Gemeinsamkeit die Hand gereicht. Die Bayern -- Brater, Barth,
Volk, Erämer -- wohnten zu weit südlich; die badischen Altgothaer hielten
noch zurück. Da trat Metz in die Lücke. Dieses große Verdienst kann es
nicht beeinträchtigen, daß er im Anfang der Agitation, als die Gegensätze sich
noch aufs schroffste spalteten, in seinem patriotischen Ueberredungseifer mit¬
unter etwas zu weit gehen, im Süden süddeutscher und im Norden norddeut¬
scher sprechen mochte, als ihm eigentlich ums Herz war. Genug, daß dies nicht
entfernt berechnete Täuschung, sondern das natürliche Product eines warmen
und sanguinischen Gemüths war, das von dem Verlangen, den spröden Freund
heranzuziehen, gelegentlich weiter vornübergezogcn wurde, als mit seinem Gleich¬
gewicht verträglich war. Wie aber die Ausgleichung der überlieferten Gegen¬
sätze wenigstens im Schoße der Nationalpartei ihre Fortschritte machte, hat
auch Metz sein volles Gleichgewicht wiedergewonnen, und gab fortan auch nicht
in Nebensachen mehr der Entdeckung von Widersprüchen in seinen Reden Raum.
In der Hauptsache hat er ohnehin nie geschwankt. Nicht weniger glücklich hat
er die Klippen und Sandbänke vermieden, denen der Volksredner als solcher
auf dem Meere der öffentlichen Agitation nicht selten ausgesetzt ist. Während
Andere in Ermangelung des festen Halts, den die bestimmten Zwecke parlamen¬
tarischer Discussion gewähren, gar bald in leeres Phrasenmachen und Effect-
Haschen versanken, hat man bei Metz eine zunehmende Ausbildung seiner
glänzenden oratorischen Gaben beobachten können. Hier kam es ihm zu
Statten, daß er an den politischen Arbeiten des Nationalvereins-Ausschusses
theilnahm; wie denn dieser Ausschuß überhaupt eine Schule für Politiker ist.
dergleichen wir in Deutschland noch nicht besessen haben, und deren Früchte nur
zum allerkleinstenThcile erst gebrochen sind. Aus dieser Schule kommend, flößt
Metz uns keine Besorgniß ein, daß er in seinem eigenen Heimathlande das
Zusammengehen der einst getrennten Bestandtheile des Liberalismus unmöglich
machen werde. Wenn er die Altconstitutionellen mitunter vorwärtszieht, wird
er die Radicalen noch öfter zurückhalten. Nachdem er sich das Vertrauen der
ganzen liberalen Partei verdient hat, wird auch der Hof nicht mehr umhin
können, seinen politischen Werth anzuerkennen -- wobei es denn eine weitere
Bürgschaft ist, daß ein Darmstädtischer Ministerposten ihm unmöglich noch als
die Summe irdischer Größe erscheinen kann.

Schon die ersten Sitzungen des Landtags werden der freisinnigen Mehr-


den Gegensätze zwischen Süd und Nord, zwischen ungestümen und allzu vorsichtigen
Reformen. Daß in unsern Tagen der Massenpvlitik Alles darauf ankomme,
die Nation geistig zusammenzuhalten, davon wird kein anderer Agitator so Tag
und Nacht beherrscht wie Metz. Ohne sein Erscheinen in Eisenach am 14. August
1859 wäre nachher in Frankfurt der Nationalverein schwerlich zu Stande ge¬
kommen, hätten die süddeutschen Liberalen den norddeutschen schwerlich zu
dauernder Gemeinsamkeit die Hand gereicht. Die Bayern — Brater, Barth,
Volk, Erämer — wohnten zu weit südlich; die badischen Altgothaer hielten
noch zurück. Da trat Metz in die Lücke. Dieses große Verdienst kann es
nicht beeinträchtigen, daß er im Anfang der Agitation, als die Gegensätze sich
noch aufs schroffste spalteten, in seinem patriotischen Ueberredungseifer mit¬
unter etwas zu weit gehen, im Süden süddeutscher und im Norden norddeut¬
scher sprechen mochte, als ihm eigentlich ums Herz war. Genug, daß dies nicht
entfernt berechnete Täuschung, sondern das natürliche Product eines warmen
und sanguinischen Gemüths war, das von dem Verlangen, den spröden Freund
heranzuziehen, gelegentlich weiter vornübergezogcn wurde, als mit seinem Gleich¬
gewicht verträglich war. Wie aber die Ausgleichung der überlieferten Gegen¬
sätze wenigstens im Schoße der Nationalpartei ihre Fortschritte machte, hat
auch Metz sein volles Gleichgewicht wiedergewonnen, und gab fortan auch nicht
in Nebensachen mehr der Entdeckung von Widersprüchen in seinen Reden Raum.
In der Hauptsache hat er ohnehin nie geschwankt. Nicht weniger glücklich hat
er die Klippen und Sandbänke vermieden, denen der Volksredner als solcher
auf dem Meere der öffentlichen Agitation nicht selten ausgesetzt ist. Während
Andere in Ermangelung des festen Halts, den die bestimmten Zwecke parlamen¬
tarischer Discussion gewähren, gar bald in leeres Phrasenmachen und Effect-
Haschen versanken, hat man bei Metz eine zunehmende Ausbildung seiner
glänzenden oratorischen Gaben beobachten können. Hier kam es ihm zu
Statten, daß er an den politischen Arbeiten des Nationalvereins-Ausschusses
theilnahm; wie denn dieser Ausschuß überhaupt eine Schule für Politiker ist.
dergleichen wir in Deutschland noch nicht besessen haben, und deren Früchte nur
zum allerkleinstenThcile erst gebrochen sind. Aus dieser Schule kommend, flößt
Metz uns keine Besorgniß ein, daß er in seinem eigenen Heimathlande das
Zusammengehen der einst getrennten Bestandtheile des Liberalismus unmöglich
machen werde. Wenn er die Altconstitutionellen mitunter vorwärtszieht, wird
er die Radicalen noch öfter zurückhalten. Nachdem er sich das Vertrauen der
ganzen liberalen Partei verdient hat, wird auch der Hof nicht mehr umhin
können, seinen politischen Werth anzuerkennen — wobei es denn eine weitere
Bürgschaft ist, daß ein Darmstädtischer Ministerposten ihm unmöglich noch als
die Summe irdischer Größe erscheinen kann.

Schon die ersten Sitzungen des Landtags werden der freisinnigen Mehr-


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[0178] den Gegensätze zwischen Süd und Nord, zwischen ungestümen und allzu vorsichtigen Reformen. Daß in unsern Tagen der Massenpvlitik Alles darauf ankomme, die Nation geistig zusammenzuhalten, davon wird kein anderer Agitator so Tag und Nacht beherrscht wie Metz. Ohne sein Erscheinen in Eisenach am 14. August 1859 wäre nachher in Frankfurt der Nationalverein schwerlich zu Stande ge¬ kommen, hätten die süddeutschen Liberalen den norddeutschen schwerlich zu dauernder Gemeinsamkeit die Hand gereicht. Die Bayern — Brater, Barth, Volk, Erämer — wohnten zu weit südlich; die badischen Altgothaer hielten noch zurück. Da trat Metz in die Lücke. Dieses große Verdienst kann es nicht beeinträchtigen, daß er im Anfang der Agitation, als die Gegensätze sich noch aufs schroffste spalteten, in seinem patriotischen Ueberredungseifer mit¬ unter etwas zu weit gehen, im Süden süddeutscher und im Norden norddeut¬ scher sprechen mochte, als ihm eigentlich ums Herz war. Genug, daß dies nicht entfernt berechnete Täuschung, sondern das natürliche Product eines warmen und sanguinischen Gemüths war, das von dem Verlangen, den spröden Freund heranzuziehen, gelegentlich weiter vornübergezogcn wurde, als mit seinem Gleich¬ gewicht verträglich war. Wie aber die Ausgleichung der überlieferten Gegen¬ sätze wenigstens im Schoße der Nationalpartei ihre Fortschritte machte, hat auch Metz sein volles Gleichgewicht wiedergewonnen, und gab fortan auch nicht in Nebensachen mehr der Entdeckung von Widersprüchen in seinen Reden Raum. In der Hauptsache hat er ohnehin nie geschwankt. Nicht weniger glücklich hat er die Klippen und Sandbänke vermieden, denen der Volksredner als solcher auf dem Meere der öffentlichen Agitation nicht selten ausgesetzt ist. Während Andere in Ermangelung des festen Halts, den die bestimmten Zwecke parlamen¬ tarischer Discussion gewähren, gar bald in leeres Phrasenmachen und Effect- Haschen versanken, hat man bei Metz eine zunehmende Ausbildung seiner glänzenden oratorischen Gaben beobachten können. Hier kam es ihm zu Statten, daß er an den politischen Arbeiten des Nationalvereins-Ausschusses theilnahm; wie denn dieser Ausschuß überhaupt eine Schule für Politiker ist. dergleichen wir in Deutschland noch nicht besessen haben, und deren Früchte nur zum allerkleinstenThcile erst gebrochen sind. Aus dieser Schule kommend, flößt Metz uns keine Besorgniß ein, daß er in seinem eigenen Heimathlande das Zusammengehen der einst getrennten Bestandtheile des Liberalismus unmöglich machen werde. Wenn er die Altconstitutionellen mitunter vorwärtszieht, wird er die Radicalen noch öfter zurückhalten. Nachdem er sich das Vertrauen der ganzen liberalen Partei verdient hat, wird auch der Hof nicht mehr umhin können, seinen politischen Werth anzuerkennen — wobei es denn eine weitere Bürgschaft ist, daß ein Darmstädtischer Ministerposten ihm unmöglich noch als die Summe irdischer Größe erscheinen kann. Schon die ersten Sitzungen des Landtags werden der freisinnigen Mehr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/178>, abgerufen am 08.06.2024.