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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Auch die Feste, welche General i^oyon, der französische Befehlshaber, dem
Volke veranstaltet, d. h. die Paraden der Truppen, feiert er in den Räumen
der Villa Borghese. Es will dem deutschen Soldaten nicht recht in den Sinn,
daß er sich zu einem Schauspiel hergeben soll; wenn gleich bei uns in Deutsch¬
land militärische Revuen für das Volt ein Schauspiel sind, so tritt doch in
ihnen für den Soldaten das militärische Element in den Vordergrund. Bei
dem Franzosen ist das anders; eine französische Revue ist nur für das zuschauende
Volt bestimmt; der Soldat will glänzen, sich bewundern lassen und entfaltet
eine Menge theatralischen Flitterwerts, das zur Sache selbst durchaus nicht
gehört.

Man sagt von General Goyon, daß er sehr eitel sei, und daß es nur
eines Wunsches aus schönem Munde bedarf, um die ganze Garnison aus die
Beine zu bringen. Heut gilt es die weiße Hur-Pinne des General en chef,
die ihm jüngst vom Kaiser verliehen worden, dem Publieum zu zeigen.

Es ist zwölf Uhr Mittags. Aus der Piazza bel Popolo treffen wie durch
einen Zauberschlag gleichzeitig aus den einmündenden Straßen die Colonnen der
Truppen ein, keine Minute zu früh und keine zu spät, und wälzen sich zum
Thore hinaus. Mit den Gassenjungen laufen auch wir neben der Musik her,
hinein in die Villa Borghese. Eine Masse Volks zieht denselben Weg. Ordon¬
nanzen und Offiziere sprengen mit einer Rücksichtslosigkeit hin und her, die in
Deutschland Stoff zu den fulminantesten Zeitungsartikeln geben würde. Am
Thore halten zahlreiche Ordonnanzen und Reitknechte mit Handpferden, denn die
Generalität mit ihren Stäben zieht es vor, bis zum Thore zu fahren und dann
mit abgespreizten Beinen und langen Zügeln dem Aufstellungsplatze der Trup¬
pen zuzusagen. Je nachdem nun die Windungen der Fahrwege in dem Part
sich dehnen, folgen ihnen die Linien, Bögen und Winkel der Truppenstellung.
In Reih und Glied stehen ein Geniedetachement, i Bataillon Jäger, 12 Ba¬
taillone Infanterie, 2 Escadrons Husaren, 2 Batterien, o. l>. die ganze Besatzung
von Rom, eine Division; die andere garnifvnirt in den Provinzen. Die Zu¬
schauer sind auf den Rasenflächen vertheilt; wir bemerken absonderlich viel Fran¬
zosen, den französischen Gesandten in eleganter Equipage, einige Wagen mit
mehr oder weniger schönen Damen und altem, was Rom an Demimonde hat,
die sich mit Vorliebe den Franzosen zuwendet, übrigens nicht besonders zahl¬
reich ist. Die päpstlichen Zuäven sehen doch mit Wohlgefallen das militärische
Schauspiel ihrer Landsleute und politischen Widersacher.

Solch ein französischer Soldat hat alle Farben des Regenbogens in der
geschmacklosesten Zusammenstellung und Form an sich, hat aber doch ein kräf¬
tiges, gesundes, echt militärisches Aeußere. Man sieht den Leuten an, daß sie
nicht blos xro i'orna, sondern wirklich von Beruf Soldaten sind, von erprob¬
ten Schrot und Korn, Glieder eines gewaltigen, selbstbewußten Ganzen; viele


Auch die Feste, welche General i^oyon, der französische Befehlshaber, dem
Volke veranstaltet, d. h. die Paraden der Truppen, feiert er in den Räumen
der Villa Borghese. Es will dem deutschen Soldaten nicht recht in den Sinn,
daß er sich zu einem Schauspiel hergeben soll; wenn gleich bei uns in Deutsch¬
land militärische Revuen für das Volt ein Schauspiel sind, so tritt doch in
ihnen für den Soldaten das militärische Element in den Vordergrund. Bei
dem Franzosen ist das anders; eine französische Revue ist nur für das zuschauende
Volt bestimmt; der Soldat will glänzen, sich bewundern lassen und entfaltet
eine Menge theatralischen Flitterwerts, das zur Sache selbst durchaus nicht
gehört.

Man sagt von General Goyon, daß er sehr eitel sei, und daß es nur
eines Wunsches aus schönem Munde bedarf, um die ganze Garnison aus die
Beine zu bringen. Heut gilt es die weiße Hur-Pinne des General en chef,
die ihm jüngst vom Kaiser verliehen worden, dem Publieum zu zeigen.

Es ist zwölf Uhr Mittags. Aus der Piazza bel Popolo treffen wie durch
einen Zauberschlag gleichzeitig aus den einmündenden Straßen die Colonnen der
Truppen ein, keine Minute zu früh und keine zu spät, und wälzen sich zum
Thore hinaus. Mit den Gassenjungen laufen auch wir neben der Musik her,
hinein in die Villa Borghese. Eine Masse Volks zieht denselben Weg. Ordon¬
nanzen und Offiziere sprengen mit einer Rücksichtslosigkeit hin und her, die in
Deutschland Stoff zu den fulminantesten Zeitungsartikeln geben würde. Am
Thore halten zahlreiche Ordonnanzen und Reitknechte mit Handpferden, denn die
Generalität mit ihren Stäben zieht es vor, bis zum Thore zu fahren und dann
mit abgespreizten Beinen und langen Zügeln dem Aufstellungsplatze der Trup¬
pen zuzusagen. Je nachdem nun die Windungen der Fahrwege in dem Part
sich dehnen, folgen ihnen die Linien, Bögen und Winkel der Truppenstellung.
In Reih und Glied stehen ein Geniedetachement, i Bataillon Jäger, 12 Ba¬
taillone Infanterie, 2 Escadrons Husaren, 2 Batterien, o. l>. die ganze Besatzung
von Rom, eine Division; die andere garnifvnirt in den Provinzen. Die Zu¬
schauer sind auf den Rasenflächen vertheilt; wir bemerken absonderlich viel Fran¬
zosen, den französischen Gesandten in eleganter Equipage, einige Wagen mit
mehr oder weniger schönen Damen und altem, was Rom an Demimonde hat,
die sich mit Vorliebe den Franzosen zuwendet, übrigens nicht besonders zahl¬
reich ist. Die päpstlichen Zuäven sehen doch mit Wohlgefallen das militärische
Schauspiel ihrer Landsleute und politischen Widersacher.

Solch ein französischer Soldat hat alle Farben des Regenbogens in der
geschmacklosesten Zusammenstellung und Form an sich, hat aber doch ein kräf¬
tiges, gesundes, echt militärisches Aeußere. Man sieht den Leuten an, daß sie
nicht blos xro i'orna, sondern wirklich von Beruf Soldaten sind, von erprob¬
ten Schrot und Korn, Glieder eines gewaltigen, selbstbewußten Ganzen; viele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/20>, abgerufen am 14.05.2024.