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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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phael, Giulio Romano, Sangallo, Bramante :c. Die Lungara, welche in langer
gerader Linie den Stadttheil, der Tiber parallel, durchschneidet, war einst, was
der Corso jetzt ist. Da rechte sich Palast an Palast. Jetzt aber hat eine ärm¬
liche Bevölkerung dort Platz genommen. Die Häuser machen einen ruinen-
haften Eindruck; Lappen, Holz- und Rohrbündel hängen zu den scheibenlvsen
Fenstern hinaus; Blumen stehen in zerbrochenen Scherben auf den Brüstungen;
zum Theil sind Thüren und Fenster nut Brettern vernagelt. Nur in der Nähe
der Brücken ist ein reges Leben; weiter entfernt davon sind die Straßen todt
und öde.. Vor der Hausthür sitzen Wochentags die Weiber, spinnen und nähen,
die Familien eines Hauses, umgeben von allerlei Hausgeräth und Handwerks¬
zeug. Sonntags aber sind sie im Festkleid, rü der goldgestickten rothen Jacke
und dem rothen Haarschmuck, reich mit goldenen Haar- und Brustnadeln und
langen Ohrgehängen und Halsbändern geschmückt. Die geöffneten Thüren
lassen in ein schmutziges Innere hineinschauen, Handwerksstätten, ärmliche Laden
ober Osterien, in denen die Männer bei einer Foiielle Weines schwatzen. Wer,
der in Rom mit Künstlern gelebt hat, wäre nicht einmal Sonntag Abends hinaus-
gewandert nach der Osterie der Einciarella, um einen Blick in das harmlose
Trasteveriner SvnntagStreiben zu werfen, wenn Alt und Jung heimkehrt aus
den Räumen der BUla Pamphili. Der Römer kennt nicht un>er deutsches
Kneipenleven, unsere sonntäglichen Wirthshaustänze. oder Cvncertvergnü-
gungcn.

Bon der Tiberbrücke, dem Ponte Sisto wenden wir uns durch einen wirren
Straßenknäuel der Lungara zu. Kurz bevor wir solche erreichen, liegt an einer
Straßenecke ein kleines unscheinbares Häuschen; das Mauerwerk desselben zeigt
einige mittelalterliche Reste, ein Fenster mit gothischer Einfassung. Ein Bäcker
wohnt in dem Hause wie vor 40v Jahren -- aus jenem Fenster schaute einst
Raphaels Fornarina.

Wir betreten die Lungara und Passiren ein antikes Thor der Aurelianl-
schen Mauer. Da liegt zur Linken der stolze, wohlerhaltene und von der
fürstlichen Familie bewohnte Palast Eorsini, den Clemens des Zwölften Neffe,
der Eardinal Eorsini aus den Grundmauern eines älteren Palastes Riariv er¬
bauen ließ. Im Palast Riario lebte und starb Christine von Schweden, Gustav
Adolphs Tochter, von welcher Pasquino sagt: "livMru, seuW r'LM", OlrrlLtiiruÄ
LVU2S. tötlv, OvllllÄ LöllUti. ve-1'Mgnu.", die aber trotzdem in Sanct Peters Dom
ein Grabmal erhielt. Bon dem Hos dieses wahrhaft fürstlichen Palastes blickt
man aus die dunkeln Laubgänge und aus die Wasserkünste eines Parks von
großer Schönheit, welcher am Jaiuculus emporsteigt, und durch den kolossalen
Bcfcstigungswall begrenzt wird. Villa Lcnrli, umgeben von malerischen Pinien¬
gruppen, krönt die Höhe. Links am AbHange liegt unter dunklen Gebüschen
von Cypressen, Steineichen und Orangenbäumen ein kleines Casino; dort hält


phael, Giulio Romano, Sangallo, Bramante :c. Die Lungara, welche in langer
gerader Linie den Stadttheil, der Tiber parallel, durchschneidet, war einst, was
der Corso jetzt ist. Da rechte sich Palast an Palast. Jetzt aber hat eine ärm¬
liche Bevölkerung dort Platz genommen. Die Häuser machen einen ruinen-
haften Eindruck; Lappen, Holz- und Rohrbündel hängen zu den scheibenlvsen
Fenstern hinaus; Blumen stehen in zerbrochenen Scherben auf den Brüstungen;
zum Theil sind Thüren und Fenster nut Brettern vernagelt. Nur in der Nähe
der Brücken ist ein reges Leben; weiter entfernt davon sind die Straßen todt
und öde.. Vor der Hausthür sitzen Wochentags die Weiber, spinnen und nähen,
die Familien eines Hauses, umgeben von allerlei Hausgeräth und Handwerks¬
zeug. Sonntags aber sind sie im Festkleid, rü der goldgestickten rothen Jacke
und dem rothen Haarschmuck, reich mit goldenen Haar- und Brustnadeln und
langen Ohrgehängen und Halsbändern geschmückt. Die geöffneten Thüren
lassen in ein schmutziges Innere hineinschauen, Handwerksstätten, ärmliche Laden
ober Osterien, in denen die Männer bei einer Foiielle Weines schwatzen. Wer,
der in Rom mit Künstlern gelebt hat, wäre nicht einmal Sonntag Abends hinaus-
gewandert nach der Osterie der Einciarella, um einen Blick in das harmlose
Trasteveriner SvnntagStreiben zu werfen, wenn Alt und Jung heimkehrt aus
den Räumen der BUla Pamphili. Der Römer kennt nicht un>er deutsches
Kneipenleven, unsere sonntäglichen Wirthshaustänze. oder Cvncertvergnü-
gungcn.

Bon der Tiberbrücke, dem Ponte Sisto wenden wir uns durch einen wirren
Straßenknäuel der Lungara zu. Kurz bevor wir solche erreichen, liegt an einer
Straßenecke ein kleines unscheinbares Häuschen; das Mauerwerk desselben zeigt
einige mittelalterliche Reste, ein Fenster mit gothischer Einfassung. Ein Bäcker
wohnt in dem Hause wie vor 40v Jahren — aus jenem Fenster schaute einst
Raphaels Fornarina.

Wir betreten die Lungara und Passiren ein antikes Thor der Aurelianl-
schen Mauer. Da liegt zur Linken der stolze, wohlerhaltene und von der
fürstlichen Familie bewohnte Palast Eorsini, den Clemens des Zwölften Neffe,
der Eardinal Eorsini aus den Grundmauern eines älteren Palastes Riariv er¬
bauen ließ. Im Palast Riario lebte und starb Christine von Schweden, Gustav
Adolphs Tochter, von welcher Pasquino sagt: „livMru, seuW r'LM», OlrrlLtiiruÄ
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ein Grabmal erhielt. Bon dem Hos dieses wahrhaft fürstlichen Palastes blickt
man aus die dunkeln Laubgänge und aus die Wasserkünste eines Parks von
großer Schönheit, welcher am Jaiuculus emporsteigt, und durch den kolossalen
Bcfcstigungswall begrenzt wird. Villa Lcnrli, umgeben von malerischen Pinien¬
gruppen, krönt die Höhe. Links am AbHange liegt unter dunklen Gebüschen
von Cypressen, Steineichen und Orangenbäumen ein kleines Casino; dort hält


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/22>, abgerufen am 14.05.2024.