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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sich als arbeitende Kraft ganz und gar mit dem Geschäft, welches sie be¬
treiben").

Rein komisch war ihre Erzählung von der Einnahme von Port Royal
und der Flucht der "Massa's", über deren Hast sie sich nicht genug amüsiren
konnten. -- Sie waren Alle auf eine derartige Katastrophe vorbereitet und fest
entschlossen gewesen, sich dieselbe zu Nutze zu machen. Die Sendlinge der
Abolition waren von Plantage zu Plantage gewandert und hatten erzählt von
dem freien Norden/ und daß der Tag kommen würde, an welchem auch sie frei
werden würden. Was sie davon halten sollten, wußten sie freilich nicht genau; aber
das Gefühl einer bevorstehenden Veränderung hatte sich bei ihnen festgesetzt.
"Massa sagen anders," erzählten sie; "Massa sagen. Uankees diese Nigger alle
todtschießen oder nach New-Orleans verkaufen. Aber Massa sagen, Uankee
feige; jeder 50 todtmachen und wegjagen. Dann Uankees kommen, aber Massa
weglaufen. Massa nichts gelegen an den guten Kugeln, aber nicht können vertragen
die verrotteten Kugeln (Bomben, welche die Neger in der Meinung, daß sie ver¬
fault seien, "todtem du,ils" nannten). Dann Massa laufen und solche Eile haben,
daß,Alle zu Fuß laufen, nicht einmal Buggy anspannen; sonst nicht gern zu
Fuß laufen. Auch die Ladies laufen, Alles stehen lassen; Alle nach Port
Royal Ferry zu. Aber Massa laufen den Weg und dieser hier Nigger (auf sich
selbst deutend) den andern Weg nach den Uankees."

Sie konnten sich nicht genug an der Idee ergötzen, daß Massa zu Fuß
durch Sumpf und Moor weggelaufen wäre; immer und immer wieder beschrie¬
ben sie, wie schmutzig Massa und Missus ausgesehen hätten, und einer von ihnen
fügte witzig hinzu: "Massa fast ebenso schwarz von Schmutz wie dieser hier
Nigger."

Es gefiel ihnen denn nun auch ganz gut bei den Acmkees; sie lebten
besser, bekamen ihre Arbeit bezahlt und wurden von der weißen Mannschaft
gut behandelt. Ich hörte vom Capitain ebenfalls, daß sie unter Aufsicht fleißig
arbeiteten; was ich noch überall gefunden, wo sie vernünftig gehalten und ver¬
wandt wurden. Ohne Aussicht freilich wird so leicht ein Sklave sich nicht über
Vermögen anstrengen.

Im kalten Morgennebel, der jedoch schon hier und da von der Sonne über¬
wunden wurde und einen herrlichen Tag versprach, fuhren wir den andern Mor-



') Im Gegensatz zu der harten Arbeit der Fcldsklaven erfreuen sich die Haussklaven,
welche mehr der unmittelbare Sündenboden für die Launen der Herrschaften und namentlich der
Herrinnen find, einer eben so destructiven Faulheit. Als jüngst eine philanthropische Dame eine
aus Virginien entlaufene Sklavin zum Hausdienste engagiren wollte, erhielt sie folgende
Antworten von ihrem Schützling: Fr. Kannst du waschen? A. Ro, das Lizzy that. Fr. Kannst
du kochen? A. No, das Tom that. Fr. Kannst du bei Tisch aufwarten? A. Ao; das
Zimmy that. Fr. Was kannst du denn? A. Ich" Fliegen abwehre" von Missus. --

sich als arbeitende Kraft ganz und gar mit dem Geschäft, welches sie be¬
treiben").

Rein komisch war ihre Erzählung von der Einnahme von Port Royal
und der Flucht der „Massa's", über deren Hast sie sich nicht genug amüsiren
konnten. — Sie waren Alle auf eine derartige Katastrophe vorbereitet und fest
entschlossen gewesen, sich dieselbe zu Nutze zu machen. Die Sendlinge der
Abolition waren von Plantage zu Plantage gewandert und hatten erzählt von
dem freien Norden/ und daß der Tag kommen würde, an welchem auch sie frei
werden würden. Was sie davon halten sollten, wußten sie freilich nicht genau; aber
das Gefühl einer bevorstehenden Veränderung hatte sich bei ihnen festgesetzt.
„Massa sagen anders," erzählten sie; „Massa sagen. Uankees diese Nigger alle
todtschießen oder nach New-Orleans verkaufen. Aber Massa sagen, Uankee
feige; jeder 50 todtmachen und wegjagen. Dann Uankees kommen, aber Massa
weglaufen. Massa nichts gelegen an den guten Kugeln, aber nicht können vertragen
die verrotteten Kugeln (Bomben, welche die Neger in der Meinung, daß sie ver¬
fault seien, „todtem du,ils" nannten). Dann Massa laufen und solche Eile haben,
daß,Alle zu Fuß laufen, nicht einmal Buggy anspannen; sonst nicht gern zu
Fuß laufen. Auch die Ladies laufen, Alles stehen lassen; Alle nach Port
Royal Ferry zu. Aber Massa laufen den Weg und dieser hier Nigger (auf sich
selbst deutend) den andern Weg nach den Uankees."

Sie konnten sich nicht genug an der Idee ergötzen, daß Massa zu Fuß
durch Sumpf und Moor weggelaufen wäre; immer und immer wieder beschrie¬
ben sie, wie schmutzig Massa und Missus ausgesehen hätten, und einer von ihnen
fügte witzig hinzu: „Massa fast ebenso schwarz von Schmutz wie dieser hier
Nigger."

Es gefiel ihnen denn nun auch ganz gut bei den Acmkees; sie lebten
besser, bekamen ihre Arbeit bezahlt und wurden von der weißen Mannschaft
gut behandelt. Ich hörte vom Capitain ebenfalls, daß sie unter Aufsicht fleißig
arbeiteten; was ich noch überall gefunden, wo sie vernünftig gehalten und ver¬
wandt wurden. Ohne Aussicht freilich wird so leicht ein Sklave sich nicht über
Vermögen anstrengen.

Im kalten Morgennebel, der jedoch schon hier und da von der Sonne über¬
wunden wurde und einen herrlichen Tag versprach, fuhren wir den andern Mor-



') Im Gegensatz zu der harten Arbeit der Fcldsklaven erfreuen sich die Haussklaven,
welche mehr der unmittelbare Sündenboden für die Launen der Herrschaften und namentlich der
Herrinnen find, einer eben so destructiven Faulheit. Als jüngst eine philanthropische Dame eine
aus Virginien entlaufene Sklavin zum Hausdienste engagiren wollte, erhielt sie folgende
Antworten von ihrem Schützling: Fr. Kannst du waschen? A. Ro, das Lizzy that. Fr. Kannst
du kochen? A. No, das Tom that. Fr. Kannst du bei Tisch aufwarten? A. Ao; das
Zimmy that. Fr. Was kannst du denn? A. Ich» Fliegen abwehre» von Missus. —
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[0226] sich als arbeitende Kraft ganz und gar mit dem Geschäft, welches sie be¬ treiben"). Rein komisch war ihre Erzählung von der Einnahme von Port Royal und der Flucht der „Massa's", über deren Hast sie sich nicht genug amüsiren konnten. — Sie waren Alle auf eine derartige Katastrophe vorbereitet und fest entschlossen gewesen, sich dieselbe zu Nutze zu machen. Die Sendlinge der Abolition waren von Plantage zu Plantage gewandert und hatten erzählt von dem freien Norden/ und daß der Tag kommen würde, an welchem auch sie frei werden würden. Was sie davon halten sollten, wußten sie freilich nicht genau; aber das Gefühl einer bevorstehenden Veränderung hatte sich bei ihnen festgesetzt. „Massa sagen anders," erzählten sie; „Massa sagen. Uankees diese Nigger alle todtschießen oder nach New-Orleans verkaufen. Aber Massa sagen, Uankee feige; jeder 50 todtmachen und wegjagen. Dann Uankees kommen, aber Massa weglaufen. Massa nichts gelegen an den guten Kugeln, aber nicht können vertragen die verrotteten Kugeln (Bomben, welche die Neger in der Meinung, daß sie ver¬ fault seien, „todtem du,ils" nannten). Dann Massa laufen und solche Eile haben, daß,Alle zu Fuß laufen, nicht einmal Buggy anspannen; sonst nicht gern zu Fuß laufen. Auch die Ladies laufen, Alles stehen lassen; Alle nach Port Royal Ferry zu. Aber Massa laufen den Weg und dieser hier Nigger (auf sich selbst deutend) den andern Weg nach den Uankees." Sie konnten sich nicht genug an der Idee ergötzen, daß Massa zu Fuß durch Sumpf und Moor weggelaufen wäre; immer und immer wieder beschrie¬ ben sie, wie schmutzig Massa und Missus ausgesehen hätten, und einer von ihnen fügte witzig hinzu: „Massa fast ebenso schwarz von Schmutz wie dieser hier Nigger." Es gefiel ihnen denn nun auch ganz gut bei den Acmkees; sie lebten besser, bekamen ihre Arbeit bezahlt und wurden von der weißen Mannschaft gut behandelt. Ich hörte vom Capitain ebenfalls, daß sie unter Aufsicht fleißig arbeiteten; was ich noch überall gefunden, wo sie vernünftig gehalten und ver¬ wandt wurden. Ohne Aussicht freilich wird so leicht ein Sklave sich nicht über Vermögen anstrengen. Im kalten Morgennebel, der jedoch schon hier und da von der Sonne über¬ wunden wurde und einen herrlichen Tag versprach, fuhren wir den andern Mor- ') Im Gegensatz zu der harten Arbeit der Fcldsklaven erfreuen sich die Haussklaven, welche mehr der unmittelbare Sündenboden für die Launen der Herrschaften und namentlich der Herrinnen find, einer eben so destructiven Faulheit. Als jüngst eine philanthropische Dame eine aus Virginien entlaufene Sklavin zum Hausdienste engagiren wollte, erhielt sie folgende Antworten von ihrem Schützling: Fr. Kannst du waschen? A. Ro, das Lizzy that. Fr. Kannst du kochen? A. No, das Tom that. Fr. Kannst du bei Tisch aufwarten? A. Ao; das Zimmy that. Fr. Was kannst du denn? A. Ich» Fliegen abwehre» von Missus. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/226>, abgerufen am 29.05.2024.